Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

sonnenheit hinzu, wir sind in Venedig." Der
Name des Prinzen gebot eine allgemeine Stille,
woraus bald ein Gemurmel wurde, das mir gefähr¬
lich schien. Alle anwesenden Italiener rotteten
sich zu Haufen, und traten bey Seite. Einer um
den andern verließ den Saal, bis wir uns beide
mit dem Spanier und einigen Franzosen allein fan¬
den. "Sie sind verloren, gnädigster Herr, sag¬
ten diese, wenn Sie nicht sogleich die Stadt verlas¬
sen. Der Venetianer, den Sie so übel behandelt
haben, ist reich genug, einen Bravo zu dingen.
Es kostet ihm nur funfzig Zechinen, Sie aus der
Welt zu schaffen." Der Spanier bot sich an, zur
Sicherheit des Prinzen Wache zu holen, und uns
selbst nach Hause zu begleiten. Dasselbe wollten
auch die Franzosen. Wir standen noch, und über¬
legten was zu thun wäre, als die Thüre sich öffne¬
te und einige Bedienten der Staatsinquisition her¬
eintraten. Sie zeigten uns eine Ordre der Regie¬
rung, worinn uns beyden befohlen ward, ihnen schleu¬
nig zu folgen. Unter einer starken Bedeckung führte
man uns bis zum Kanal. Hier erwartete uns eine
Gondel, in die wir uns setzen mußten. Ehe wir
ausstiegen, wurden uns die Augen verbunden.
Man führte uns eine große steinerne Treppe hin¬
auf, und dann durch einen langen gewundenen Gang
über Gewölber, wie ich aus dem vielfachen Echo
schloß, das unter unsern Füßen hallte. Endlich
gelangten wir vor eine andere Treppe, welche uns
sechs und zwanzig Stufen in die Tiefe hinunter
führte. Hier öffnete sich ein Saal, wo man uns

die

ſonnenheit hinzu, wir ſind in Venedig.“ Der
Name des Prinzen gebot eine allgemeine Stille,
woraus bald ein Gemurmel wurde, das mir gefähr¬
lich ſchien. Alle anweſenden Italiener rotteten
ſich zu Haufen, und traten bey Seite. Einer um
den andern verließ den Saal, bis wir uns beide
mit dem Spanier und einigen Franzoſen allein fan¬
den. „Sie ſind verloren, gnädigſter Herr, ſag¬
ten dieſe, wenn Sie nicht ſogleich die Stadt verlaſ¬
ſen. Der Venetianer, den Sie ſo übel behandelt
haben, iſt reich genug, einen Bravo zu dingen.
Es koſtet ihm nur funfzig Zechinen, Sie aus der
Welt zu ſchaffen.“ Der Spanier bot ſich an, zur
Sicherheit des Prinzen Wache zu holen, und uns
ſelbſt nach Hauſe zu begleiten. Daſſelbe wollten
auch die Franzoſen. Wir ſtanden noch, und über¬
legten was zu thun wäre, als die Thüre ſich öffne¬
te und einige Bedienten der Staatsinquiſition her¬
eintraten. Sie zeigten uns eine Ordre der Regie¬
rung, worinn uns beyden befohlen ward, ihnen ſchleu¬
nig zu folgen. Unter einer ſtarken Bedeckung führte
man uns bis zum Kanal. Hier erwartete uns eine
Gondel, in die wir uns ſetzen mußten. Ehe wir
ausſtiegen, wurden uns die Augen verbunden.
Man führte uns eine große ſteinerne Treppe hin¬
auf, und dann durch einen langen gewundenen Gang
über Gewölber, wie ich aus dem vielfachen Echo
ſchloß, das unter unſern Füßen hallte. Endlich
gelangten wir vor eine andere Treppe, welche uns
ſechs und zwanzig Stufen in die Tiefe hinunter
führte. Hier öffnete ſich ein Saal, wo man uns

die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0019" n="11"/>
&#x017F;onnenheit hinzu, wir &#x017F;ind in Venedig.&#x201C; Der<lb/>
Name des Prinzen gebot eine allgemeine Stille,<lb/>
woraus bald ein Gemurmel wurde, das mir gefähr¬<lb/>
lich &#x017F;chien. Alle anwe&#x017F;enden Italiener rotteten<lb/>
&#x017F;ich zu Haufen, und traten bey Seite. Einer um<lb/>
den andern verließ den Saal, bis wir uns beide<lb/>
mit dem Spanier und einigen Franzo&#x017F;en allein fan¬<lb/>
den. &#x201E;Sie &#x017F;ind verloren, gnädig&#x017F;ter Herr, &#x017F;ag¬<lb/>
ten die&#x017F;e, wenn Sie nicht &#x017F;ogleich die Stadt verla&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en. Der Venetianer, den Sie &#x017F;o übel behandelt<lb/>
haben, i&#x017F;t reich genug, einen Bravo zu dingen.<lb/>
Es ko&#x017F;tet ihm nur funfzig Zechinen, Sie aus der<lb/>
Welt zu &#x017F;chaffen.&#x201C; Der Spanier bot &#x017F;ich an, zur<lb/>
Sicherheit des Prinzen Wache zu holen, und uns<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t nach Hau&#x017F;e zu begleiten. Da&#x017F;&#x017F;elbe wollten<lb/>
auch die Franzo&#x017F;en. Wir &#x017F;tanden noch, und über¬<lb/>
legten was zu thun wäre, als die Thüre &#x017F;ich öffne¬<lb/>
te und einige Bedienten der Staatsinqui&#x017F;ition her¬<lb/>
eintraten. Sie zeigten uns eine Ordre der Regie¬<lb/>
rung, worinn uns beyden befohlen ward, ihnen &#x017F;chleu¬<lb/>
nig zu folgen. Unter einer &#x017F;tarken Bedeckung führte<lb/>
man uns bis zum Kanal. Hier erwartete uns eine<lb/>
Gondel, in die wir uns &#x017F;etzen mußten. Ehe wir<lb/>
aus&#x017F;tiegen, wurden uns die Augen verbunden.<lb/>
Man führte uns eine große &#x017F;teinerne Treppe hin¬<lb/>
auf, und dann durch einen langen gewundenen Gang<lb/>
über Gewölber, wie ich aus dem vielfachen Echo<lb/>
&#x017F;chloß, das unter un&#x017F;ern Füßen hallte. Endlich<lb/>
gelangten wir vor eine andere Treppe, welche uns<lb/>
&#x017F;echs und zwanzig Stufen in die Tiefe hinunter<lb/>
führte. Hier öffnete &#x017F;ich ein Saal, wo man uns<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0019] ſonnenheit hinzu, wir ſind in Venedig.“ Der Name des Prinzen gebot eine allgemeine Stille, woraus bald ein Gemurmel wurde, das mir gefähr¬ lich ſchien. Alle anweſenden Italiener rotteten ſich zu Haufen, und traten bey Seite. Einer um den andern verließ den Saal, bis wir uns beide mit dem Spanier und einigen Franzoſen allein fan¬ den. „Sie ſind verloren, gnädigſter Herr, ſag¬ ten dieſe, wenn Sie nicht ſogleich die Stadt verlaſ¬ ſen. Der Venetianer, den Sie ſo übel behandelt haben, iſt reich genug, einen Bravo zu dingen. Es koſtet ihm nur funfzig Zechinen, Sie aus der Welt zu ſchaffen.“ Der Spanier bot ſich an, zur Sicherheit des Prinzen Wache zu holen, und uns ſelbſt nach Hauſe zu begleiten. Daſſelbe wollten auch die Franzoſen. Wir ſtanden noch, und über¬ legten was zu thun wäre, als die Thüre ſich öffne¬ te und einige Bedienten der Staatsinquiſition her¬ eintraten. Sie zeigten uns eine Ordre der Regie¬ rung, worinn uns beyden befohlen ward, ihnen ſchleu¬ nig zu folgen. Unter einer ſtarken Bedeckung führte man uns bis zum Kanal. Hier erwartete uns eine Gondel, in die wir uns ſetzen mußten. Ehe wir ausſtiegen, wurden uns die Augen verbunden. Man führte uns eine große ſteinerne Treppe hin¬ auf, und dann durch einen langen gewundenen Gang über Gewölber, wie ich aus dem vielfachen Echo ſchloß, das unter unſern Füßen hallte. Endlich gelangten wir vor eine andere Treppe, welche uns ſechs und zwanzig Stufen in die Tiefe hinunter führte. Hier öffnete ſich ein Saal, wo man uns die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/19
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/19>, abgerufen am 26.04.2024.