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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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"Ein armer Barfüßer," antwortete der Ver¬
wundete. "Ein fremder Herr hier hat mir eine
Zechine geboten, daß ich --"

"Eine Formel hersagen sollte? Und warum
hast du dich denn nicht gleich wieder davon ge¬
macht?"

"Er wollte mir ein Zeichen geben, wenn ich
fortfahren sollte; aber das Zeichen blieb aus, und
wie ich hinaus steigen wollte, war die Leiter weg¬
gezogen."

"Und wie heißt denn die Formel, die er dir
eingelernt hat?"

Der Mensch bekam hier eine Ohnmacht, daß
nichts weiter aus ihm herauszubringen war. Un¬
terdessen hatte sich der Prinz zu dem Anführer der
Häscher gewendet.

"Sie haben uns," sagte er, indem er ihm
zugleich einige Goldstücke in die Hand drückte, "Sie
haben uns aus den Händen eines Betrügers geret¬
tet, und uns, ohne uns noch zu kennen, Gerech¬
tigkeit widerfahren lassen. Wollen Sie nun
unsre Verbindlichkeit vollkommen machen, und uns
entdecken, wer der Unbekannte war, dem es nur
ein paar Worte kostete, uns in Freyheit zu
setzen?"

"Wen meynen Sie?" fragte der Anführer
der Häscher mit einer Miene, die deutlich zeigte,
wie unnöthig diese Frage war.

"Den Herrn in russischer Uniform meyne ich,
der Sie vorhin bey Seite zog, Ihnen etwas schrift¬

liches

„Ein armer Barfüßer,“ antwortete der Ver¬
wundete. „Ein fremder Herr hier hat mir eine
Zechine geboten, daß ich —“

„Eine Formel herſagen ſollte? Und warum
haſt du dich denn nicht gleich wieder davon ge¬
macht?“

„Er wollte mir ein Zeichen geben, wenn ich
fortfahren ſollte; aber das Zeichen blieb aus, und
wie ich hinaus ſteigen wollte, war die Leiter weg¬
gezogen.“

„Und wie heißt denn die Formel, die er dir
eingelernt hat?“

Der Menſch bekam hier eine Ohnmacht, daß
nichts weiter aus ihm herauszubringen war. Un¬
terdeſſen hatte ſich der Prinz zu dem Anführer der
Häſcher gewendet.

„Sie haben uns,“ ſagte er, indem er ihm
zugleich einige Goldſtücke in die Hand drückte, „Sie
haben uns aus den Händen eines Betrügers geret¬
tet, und uns, ohne uns noch zu kennen, Gerech¬
tigkeit widerfahren laſſen. Wollen Sie nun
unſre Verbindlichkeit vollkommen machen, und uns
entdecken, wer der Unbekannte war, dem es nur
ein paar Worte koſtete, uns in Freyheit zu
ſetzen?“

„Wen meynen Sie?“ fragte der Anführer
der Häſcher mit einer Miene, die deutlich zeigte,
wie unnöthig dieſe Frage war.

„Den Herrn in ruſſiſcher Uniform meyne ich,
der Sie vorhin bey Seite zog, Ihnen etwas ſchrift¬

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[36/0044] „Ein armer Barfüßer,“ antwortete der Ver¬ wundete. „Ein fremder Herr hier hat mir eine Zechine geboten, daß ich —“ „Eine Formel herſagen ſollte? Und warum haſt du dich denn nicht gleich wieder davon ge¬ macht?“ „Er wollte mir ein Zeichen geben, wenn ich fortfahren ſollte; aber das Zeichen blieb aus, und wie ich hinaus ſteigen wollte, war die Leiter weg¬ gezogen.“ „Und wie heißt denn die Formel, die er dir eingelernt hat?“ Der Menſch bekam hier eine Ohnmacht, daß nichts weiter aus ihm herauszubringen war. Un¬ terdeſſen hatte ſich der Prinz zu dem Anführer der Häſcher gewendet. „Sie haben uns,“ ſagte er, indem er ihm zugleich einige Goldſtücke in die Hand drückte, „Sie haben uns aus den Händen eines Betrügers geret¬ tet, und uns, ohne uns noch zu kennen, Gerech¬ tigkeit widerfahren laſſen. Wollen Sie nun unſre Verbindlichkeit vollkommen machen, und uns entdecken, wer der Unbekannte war, dem es nur ein paar Worte koſtete, uns in Freyheit zu ſetzen?“ „Wen meynen Sie?“ fragte der Anführer der Häſcher mit einer Miene, die deutlich zeigte, wie unnöthig dieſe Frage war. „Den Herrn in ruſſiſcher Uniform meyne ich, der Sie vorhin bey Seite zog, Ihnen etwas ſchrift¬ liches

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/44>, abgerufen am 26.04.2024.