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Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801.

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Melvil, was der beklemmten Seele noch
Verwehrt, sich frei und freudig zu erheben.

Melvil.
Entdecke mirs. Erleichtre deine Brust,
Dem treuen Freund vertraue deine Sorgen.

Maria.
Ich stehe an dem Rand der Ewigkeit,
Bald soll ich treten vor den höchsten Richter,
Und noch hab' ich den Heil'gen nicht versöhnt.
Versagt ist mir der Priester meiner Kirche.
Des Sakramentes heil'ge Himmelspeise
Verschmäh' ich aus den Händen falscher Priester.
Im Glauben meiner Kirche will ich sterben,
Denn der allein ists, welcher selig macht.

Melvil.
Beruhige dein Herz. Dem Himmel gilt
Der feurig fromme Wunsch statt des Vollbringens.
Tyrannenmacht kann nur die Hände fesseln,
Des Herzens Andacht hebt sich frei zu Gott,
Das Wort ist todt, der Glaube macht lebendig.

Maria.
Ach Melvil! Nicht allein genug ist sich
Das Herz, ein irdisch Pfand bedarf der Glaube,
Das hohe Himmlische sich zuzueignen.
Drum ward der Gott zum Menschen, und verschloß
Melvil, was der beklemmten Seele noch
Verwehrt, ſich frei und freudig zu erheben.

Melvil.
Entdecke mirs. Erleichtre deine Bruſt,
Dem treuen Freund vertraue deine Sorgen.

Maria.
Ich ſtehe an dem Rand der Ewigkeit,
Bald ſoll ich treten vor den hoͤchſten Richter,
Und noch hab' ich den Heil'gen nicht verſoͤhnt.
Verſagt iſt mir der Prieſter meiner Kirche.
Des Sakramentes heil'ge Himmelſpeiſe
Verſchmaͤh' ich aus den Haͤnden falſcher Prieſter.
Im Glauben meiner Kirche will ich ſterben,
Denn der allein iſts, welcher ſelig macht.

Melvil.
Beruhige dein Herz. Dem Himmel gilt
Der feurig fromme Wunſch ſtatt des Vollbringens.
Tyrannenmacht kann nur die Haͤnde feſſeln,
Des Herzens Andacht hebt ſich frei zu Gott,
Das Wort iſt todt, der Glaube macht lebendig.

Maria.
Ach Melvil! Nicht allein genug iſt ſich
Das Herz, ein irdiſch Pfand bedarf der Glaube,
Das hohe Himmliſche ſich zuzueignen.
Drum ward der Gott zum Menſchen, und verſchloß
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[211/0217] Melvil, was der beklemmten Seele noch Verwehrt, ſich frei und freudig zu erheben. Melvil. Entdecke mirs. Erleichtre deine Bruſt, Dem treuen Freund vertraue deine Sorgen. Maria. Ich ſtehe an dem Rand der Ewigkeit, Bald ſoll ich treten vor den hoͤchſten Richter, Und noch hab' ich den Heil'gen nicht verſoͤhnt. Verſagt iſt mir der Prieſter meiner Kirche. Des Sakramentes heil'ge Himmelſpeiſe Verſchmaͤh' ich aus den Haͤnden falſcher Prieſter. Im Glauben meiner Kirche will ich ſterben, Denn der allein iſts, welcher ſelig macht. Melvil. Beruhige dein Herz. Dem Himmel gilt Der feurig fromme Wunſch ſtatt des Vollbringens. Tyrannenmacht kann nur die Haͤnde feſſeln, Des Herzens Andacht hebt ſich frei zu Gott, Das Wort iſt todt, der Glaube macht lebendig. Maria. Ach Melvil! Nicht allein genug iſt ſich Das Herz, ein irdiſch Pfand bedarf der Glaube, Das hohe Himmliſche ſich zuzueignen. Drum ward der Gott zum Menſchen, und verſchloß

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Zitationshilfe: Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_stuart_1801/217>, abgerufen am 26.04.2024.