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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

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Menschen als Umgebung: dies alles macht es dem bedrängten Vater freylich nothwendig seine Tochter zu ermorden, besonders da er in dem Augenblick sieht, sie wolle ihn zu Gunsten ihres Verführers verrathen. So ist freylich die Katastrophe vortrefflich motivirt, dafür aber auch das Ganze vortrefflich entmotivirt. -- Schade, daß die Mutter Claudia weggeblieben ist! sie sagt im Trauerspiele ein Paar Worte, die hier sehr gut passen würden: "O wenn das die Menschen kennen heißt, wer wollte wünschen sie zu kennen!" --

Die bescheidene Furcht, welche der Verfasser am Ende der erwähnten Vorrede wegen des Ausspruchs der Kenner äußert, ist gewiß sehr ungegründet. Herr von Ramdohr wage sich getrost ferner an Dichtungen dieser Art! --



Wie, lieber Freund? Aus dem dritten Theil des Philosophen für die Welt soll ich ersehn, daß Engel gar wohl im Stande ist, auch jetzt noch etwas Gutes zu schreiben? Nun, das ist lustig! Jhre Widerlegung ist gewiß eben so a priori als meine Behauptung es damals noch war: denn wenn Sie das Buch gelesen hätten, würden Sie die schönste Bestätigung meines Satzes darin gefunden haben. Das Lustigste ist, daß es auf das gut oder nicht gut gar nicht einmal ankommen darf; ich habe mich lediglich an das Jetzt zu halten. Sehen Sie die einzelnen Stücke nur flüchtig an, und es wird Jhnen gleich

Menschen als Umgebung: dies alles macht es dem bedraͤngten Vater freylich nothwendig seine Tochter zu ermorden, besonders da er in dem Augenblick sieht, sie wolle ihn zu Gunsten ihres Verfuͤhrers verrathen. So ist freylich die Katastrophe vortrefflich motivirt, dafuͤr aber auch das Ganze vortrefflich entmotivirt. — Schade, daß die Mutter Claudia weggeblieben ist! sie sagt im Trauerspiele ein Paar Worte, die hier sehr gut passen wuͤrden: “O wenn das die Menschen kennen heißt, wer wollte wuͤnschen sie zu kennen!” —

Die bescheidene Furcht, welche der Verfasser am Ende der erwaͤhnten Vorrede wegen des Ausspruchs der Kenner aͤußert, ist gewiß sehr ungegruͤndet. Herr von Ramdohr wage sich getrost ferner an Dichtungen dieser Art! —



Wie, lieber Freund? Aus dem dritten Theil des Philosophen fuͤr die Welt soll ich ersehn, daß Engel gar wohl im Stande ist, auch jetzt noch etwas Gutes zu schreiben? Nun, das ist lustig! Jhre Widerlegung ist gewiß eben so a priori als meine Behauptung es damals noch war: denn wenn Sie das Buch gelesen haͤtten, wuͤrden Sie die schoͤnste Bestaͤtigung meines Satzes darin gefunden haben. Das Lustigste ist, daß es auf das gut oder nicht gut gar nicht einmal ankommen darf; ich habe mich lediglich an das Jetzt zu halten. Sehen Sie die einzelnen Stuͤcke nur fluͤchtig an, und es wird Jhnen gleich

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[243/0255] Menschen als Umgebung: dies alles macht es dem bedraͤngten Vater freylich nothwendig seine Tochter zu ermorden, besonders da er in dem Augenblick sieht, sie wolle ihn zu Gunsten ihres Verfuͤhrers verrathen. So ist freylich die Katastrophe vortrefflich motivirt, dafuͤr aber auch das Ganze vortrefflich entmotivirt. — Schade, daß die Mutter Claudia weggeblieben ist! sie sagt im Trauerspiele ein Paar Worte, die hier sehr gut passen wuͤrden: “O wenn das die Menschen kennen heißt, wer wollte wuͤnschen sie zu kennen!” — Die bescheidene Furcht, welche der Verfasser am Ende der erwaͤhnten Vorrede wegen des Ausspruchs der Kenner aͤußert, ist gewiß sehr ungegruͤndet. Herr von Ramdohr wage sich getrost ferner an Dichtungen dieser Art! — Wie, lieber Freund? Aus dem dritten Theil des Philosophen fuͤr die Welt soll ich ersehn, daß Engel gar wohl im Stande ist, auch jetzt noch etwas Gutes zu schreiben? Nun, das ist lustig! Jhre Widerlegung ist gewiß eben so a priori als meine Behauptung es damals noch war: denn wenn Sie das Buch gelesen haͤtten, wuͤrden Sie die schoͤnste Bestaͤtigung meines Satzes darin gefunden haben. Das Lustigste ist, daß es auf das gut oder nicht gut gar nicht einmal ankommen darf; ich habe mich lediglich an das Jetzt zu halten. Sehen Sie die einzelnen Stuͤcke nur fluͤchtig an, und es wird Jhnen gleich

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/255>, abgerufen am 29.04.2024.