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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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B. Geistige Seite.
1) Das Kind im Unterrichte.

Der Unterricht, die systematisch geordnete Mittheilung
von Kenntnissen und Fertigkeiten, ist derjenige Theil der Er-
ziehung, welcher in der Regel von den eigentlichen Erziehern
anderen Händen, den Lehrern, übertragen wird. Er hat es
zunächst und hauptsächlich mit Erziehung und Ausbildung
der praktischen Denkkraft im weitesten Sinne des Wortes zu
thun. Da aber jede einzelne Seite der menschlichen Natur
nur in ihrer organischen Verbindung mit dem Ganzen richtig
aufgefasst und behandelt werden kann, so liegt es dem Lehrer
ob, soweit als seine hierin allerdings viel enger eingegrenzte
Lage es irgend möglich macht, zugleich auf Gemüth, Charak-
ter und die körperliche Seite des Zöglinges seine miterziehe-
rische Wirksamkeit zu erstrecken. Aeltern und Lehrer, Haus
und Schule müssen daher Hand in Hand gehen, wenn das
Endresultat der Erziehung ein harmonisches und gediegenes
werden soll.

Es kann hier nicht ein specielles Eingehen in alle die
vielseitigen Beziehungen, in welche Lehrer und Schüler zu
einander treten, noch weniger ein auch nur summarisch abgerun-
deter Umriss einer Unterrichtungslehre erwartet werden. Dies
kann nur Aufgabe der Schulmänner vom Fache sein und
würde daher weit über den Urtheilskreis des Verfassers und
über die Grenzen dieser Schrift hinausgehen. Nein, es sollen
nur einige der wesentlichsten Punkte beleuchtet werden,
die sich bezüglich des zur Zeit üblichen Unterrichtswesens
vom ärztlich-psychologischen Standpunkte aus als recht leb-

Schreber, Kallipädie. 15
B. Geistige Seite.
1) Das Kind im Unterrichte.

Der Unterricht, die systematisch geordnete Mittheilung
von Kenntnissen und Fertigkeiten, ist derjenige Theil der Er-
ziehung, welcher in der Regel von den eigentlichen Erziehern
anderen Händen, den Lehrern, übertragen wird. Er hat es
zunächst und hauptsächlich mit Erziehung und Ausbildung
der praktischen Denkkraft im weitesten Sinne des Wortes zu
thun. Da aber jede einzelne Seite der menschlichen Natur
nur in ihrer organischen Verbindung mit dem Ganzen richtig
aufgefasst und behandelt werden kann, so liegt es dem Lehrer
ob, soweit als seine hierin allerdings viel enger eingegrenzte
Lage es irgend möglich macht, zugleich auf Gemüth, Charak-
ter und die körperliche Seite des Zöglinges seine miterziehe-
rische Wirksamkeit zu erstrecken. Aeltern und Lehrer, Haus
und Schule müssen daher Hand in Hand gehen, wenn das
Endresultat der Erziehung ein harmonisches und gediegenes
werden soll.

Es kann hier nicht ein specielles Eingehen in alle die
vielseitigen Beziehungen, in welche Lehrer und Schüler zu
einander treten, noch weniger ein auch nur summarisch abgerun-
deter Umriss einer Unterrichtungslehre erwartet werden. Dies
kann nur Aufgabe der Schulmänner vom Fache sein und
würde daher weit über den Urtheilskreis des Verfassers und
über die Grenzen dieser Schrift hinausgehen. Nein, es sollen
nur einige der wesentlichsten Punkte beleuchtet werden,
die sich bezüglich des zur Zeit üblichen Unterrichtswesens
vom ärztlich-psychologischen Standpunkte aus als recht leb-

Schreber, Kallipädie. 15
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[[225]/0229] B. Geistige Seite. 1) Das Kind im Unterrichte. Der Unterricht, die systematisch geordnete Mittheilung von Kenntnissen und Fertigkeiten, ist derjenige Theil der Er- ziehung, welcher in der Regel von den eigentlichen Erziehern anderen Händen, den Lehrern, übertragen wird. Er hat es zunächst und hauptsächlich mit Erziehung und Ausbildung der praktischen Denkkraft im weitesten Sinne des Wortes zu thun. Da aber jede einzelne Seite der menschlichen Natur nur in ihrer organischen Verbindung mit dem Ganzen richtig aufgefasst und behandelt werden kann, so liegt es dem Lehrer ob, soweit als seine hierin allerdings viel enger eingegrenzte Lage es irgend möglich macht, zugleich auf Gemüth, Charak- ter und die körperliche Seite des Zöglinges seine miterziehe- rische Wirksamkeit zu erstrecken. Aeltern und Lehrer, Haus und Schule müssen daher Hand in Hand gehen, wenn das Endresultat der Erziehung ein harmonisches und gediegenes werden soll. Es kann hier nicht ein specielles Eingehen in alle die vielseitigen Beziehungen, in welche Lehrer und Schüler zu einander treten, noch weniger ein auch nur summarisch abgerun- deter Umriss einer Unterrichtungslehre erwartet werden. Dies kann nur Aufgabe der Schulmänner vom Fache sein und würde daher weit über den Urtheilskreis des Verfassers und über die Grenzen dieser Schrift hinausgehen. Nein, es sollen nur einige der wesentlichsten Punkte beleuchtet werden, die sich bezüglich des zur Zeit üblichen Unterrichtswesens vom ärztlich-psychologischen Standpunkte aus als recht leb- Schreber, Kallipädie. 15

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. [225]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/229>, abgerufen am 27.04.2024.