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Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858.

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8.--16. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND IM GESELLIGEN LEBEN.
vorgekommene Fehler gleichsam als eine auf längere Zeit fort-
wirkende Lehre anschaulich erhalten wird. Dadurch werden
viele sonst nöthige erzieherische Maassregeln, Erinnerungen,
Zurechtweisungen, Bestrafungen erspart und in einer ungleich
wirksameren Weise ersetzt. Auch ist so die Consequenz der
erzieherischen Behandlung von Seiten der mit der speciellen
Beaufsichtigung beauftragten Personen viel leichter zu erzielen
und gegen manchen Missgriff sichergestellt.

3) Das Kind im geselligen Leben.

Das Leben hat nun schon begonnen, mit ernsteren An-
forderungen dem Kinde zu nahen. Das Lernen und die Ar-
beit sind ihm zur Pflicht geworden. Soll das Gleichgewicht
seiner Kräfte erhalten werden, so ist nun eine gemessenere
Eintheilung der Zeit nothwendig, eine Abwägung des Verhält-
nisses zwischen ernster Anstrengung und Erholung, zwischen
Arbeit und Vergnügen. Soll Heiterkeit und Thatkraft sein
ganzes Wesen durchdringen und auch seinen ernsteren Lei-
stungen die belebende und gedeihliche Weihe geben, so darf
ihm auch die süsse Würze des Lebens nicht so spärlich zu-
gemessen werden.

Diese gewährt ihm besonders der gesellige Umgang, und
zwar zunächst und zumeist mit seines Gleichen.

An die wichtigen und vielseitig bildenden Vortheile des
geselligen Umganges überhaupt, ist schon bei einer früheren
Gelegenheit (S. 118 u. ff.) erinnert worden. Bei Kindern der
in Rede stehenden Altersstufe haben wir aber, -- vorausge-
setzt, dass sie nach guten Grundsätzen erzogen sind und dem-
gemäss schon eine gewisse selbständige Festigkeit erlangt ha-
ben -- nicht mehr dieselbe strenge Vorsicht in der Wahl des
Umganges nöthig als früher. Ja es ist sogar der Bildung för-
derlich, dass die Kinder nunmehr auch mit den minder vor-
theilhaften Seiten der Menschenwelt in etwas nähere Bekannt-
schaft treten und sich selbst dabei richtig benehmen lernen.
Ihr eigener Halt gewinnt an Widerstandskraft. Es müssen jetzt
Proben mit der Selbständigkeit gemacht werden, denn diese
soll durchaus probehaltig sein, bevor das Kind von der er-

8.—16. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND IM GESELLIGEN LEBEN.
vorgekommene Fehler gleichsam als eine auf längere Zeit fort-
wirkende Lehre anschaulich erhalten wird. Dadurch werden
viele sonst nöthige erzieherische Maassregeln, Erinnerungen,
Zurechtweisungen, Bestrafungen erspart und in einer ungleich
wirksameren Weise ersetzt. Auch ist so die Consequenz der
erzieherischen Behandlung von Seiten der mit der speciellen
Beaufsichtigung beauftragten Personen viel leichter zu erzielen
und gegen manchen Missgriff sichergestellt.

3) Das Kind im geselligen Leben.

Das Leben hat nun schon begonnen, mit ernsteren An-
forderungen dem Kinde zu nahen. Das Lernen und die Ar-
beit sind ihm zur Pflicht geworden. Soll das Gleichgewicht
seiner Kräfte erhalten werden, so ist nun eine gemessenere
Eintheilung der Zeit nothwendig, eine Abwägung des Verhält-
nisses zwischen ernster Anstrengung und Erholung, zwischen
Arbeit und Vergnügen. Soll Heiterkeit und Thatkraft sein
ganzes Wesen durchdringen und auch seinen ernsteren Lei-
stungen die belebende und gedeihliche Weihe geben, so darf
ihm auch die süsse Würze des Lebens nicht so spärlich zu-
gemessen werden.

Diese gewährt ihm besonders der gesellige Umgang, und
zwar zunächst und zumeist mit seines Gleichen.

An die wichtigen und vielseitig bildenden Vortheile des
geselligen Umganges überhaupt, ist schon bei einer früheren
Gelegenheit (S. 118 u. ff.) erinnert worden. Bei Kindern der
in Rede stehenden Altersstufe haben wir aber, — vorausge-
setzt, dass sie nach guten Grundsätzen erzogen sind und dem-
gemäss schon eine gewisse selbständige Festigkeit erlangt ha-
ben — nicht mehr dieselbe strenge Vorsicht in der Wahl des
Umganges nöthig als früher. Ja es ist sogar der Bildung för-
derlich, dass die Kinder nunmehr auch mit den minder vor-
theilhaften Seiten der Menschenwelt in etwas nähere Bekannt-
schaft treten und sich selbst dabei richtig benehmen lernen.
Ihr eigener Halt gewinnt an Widerstandskraft. Es müssen jetzt
Proben mit der Selbständigkeit gemacht werden, denn diese
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[265/0269] 8.—16. JAHR. GEISTIGE SEITE. DAS KIND IM GESELLIGEN LEBEN. vorgekommene Fehler gleichsam als eine auf längere Zeit fort- wirkende Lehre anschaulich erhalten wird. Dadurch werden viele sonst nöthige erzieherische Maassregeln, Erinnerungen, Zurechtweisungen, Bestrafungen erspart und in einer ungleich wirksameren Weise ersetzt. Auch ist so die Consequenz der erzieherischen Behandlung von Seiten der mit der speciellen Beaufsichtigung beauftragten Personen viel leichter zu erzielen und gegen manchen Missgriff sichergestellt. 3) Das Kind im geselligen Leben. Das Leben hat nun schon begonnen, mit ernsteren An- forderungen dem Kinde zu nahen. Das Lernen und die Ar- beit sind ihm zur Pflicht geworden. Soll das Gleichgewicht seiner Kräfte erhalten werden, so ist nun eine gemessenere Eintheilung der Zeit nothwendig, eine Abwägung des Verhält- nisses zwischen ernster Anstrengung und Erholung, zwischen Arbeit und Vergnügen. Soll Heiterkeit und Thatkraft sein ganzes Wesen durchdringen und auch seinen ernsteren Lei- stungen die belebende und gedeihliche Weihe geben, so darf ihm auch die süsse Würze des Lebens nicht so spärlich zu- gemessen werden. Diese gewährt ihm besonders der gesellige Umgang, und zwar zunächst und zumeist mit seines Gleichen. An die wichtigen und vielseitig bildenden Vortheile des geselligen Umganges überhaupt, ist schon bei einer früheren Gelegenheit (S. 118 u. ff.) erinnert worden. Bei Kindern der in Rede stehenden Altersstufe haben wir aber, — vorausge- setzt, dass sie nach guten Grundsätzen erzogen sind und dem- gemäss schon eine gewisse selbständige Festigkeit erlangt ha- ben — nicht mehr dieselbe strenge Vorsicht in der Wahl des Umganges nöthig als früher. Ja es ist sogar der Bildung för- derlich, dass die Kinder nunmehr auch mit den minder vor- theilhaften Seiten der Menschenwelt in etwas nähere Bekannt- schaft treten und sich selbst dabei richtig benehmen lernen. Ihr eigener Halt gewinnt an Widerstandskraft. Es müssen jetzt Proben mit der Selbständigkeit gemacht werden, denn diese soll durchaus probehaltig sein, bevor das Kind von der er-

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Zitationshilfe: Schreber, Daniel Gottlob Moritz: Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit. Leipzig, 1858, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreber_kallipaedie_1858/269>, abgerufen am 26.04.2024.