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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

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Die Göttin Minerva hatte dazu das weissagende Brett
von einer redenden Eiche des Orakels zu Dodona gestif¬
tet, das eine Stelle in dem Tafelwerke fand. Das Schiff
war auswendig mit vielen geschnizten Arbeiten geziert
und gleichwohl so leicht, daß es die Helden zwölf Tage¬
reisen weit auf der Achsel tragen konnten. Als das
Fahrzeug fertig und die Helden versammelt waren, wur¬
den die Plätze der Argoschiffer (Argonauten) verloost.
Jason war Befehlshaber des ganzen Zuges, Tiphys war
der Steuermann; Lynceus, der scharfblickende, machte den
Lootsen des Schiffs. Im Vordertheile des Schiffs saß der
herrliche Held Herkules, im Hintertheile Peleus, der
Vater des Achilles und Telamon der Vater des Ajax.
Im innern Raume befanden sich unter andern Castor
und Pollux, die Jupiterssöhne, Neleus, der Vater Nestors,
Admetus, der Gemahl der frommen Alceste, Meleager,
der Besieger des kalidonischen Ebers, Orpheus, der wun¬
dervolle Sänger, Menötius, der Vater des Patroklus,
Theseus, nachher König von Athen und sein Freund Pi¬
rithous, Hylas, der junge Gefährte des Herkules, Nep¬
tuns Sohn Euphemus, und Oileus, der Vater des klei¬
neren Ajax. Jason hatte sein Schiff dem Neptunus ge¬
widmet und vor der Abfahrt wurde ihm und allen Mee¬
resgöttern ein feierliches Opfer mit Gebeten dargebracht.
Als Alle im Schiffe Platz genommen, wurden die
Anker gelichtet, die fünfzig Ruderer begannen ihren regel¬
mäßigen Taktschlag, ein günstiger Wind schwellte die Se¬
gel und bald hatte das Schiff den Hafen von Jolkus
hinter sich. Orpheus mit lieblichen Harfentönen und be¬
geisterndem Gesang belebte den Muth der Argoschiffer,
lustig fuhren sie an Vorgebirgen und Inseln vorbei, erst

Die Göttin Minerva hatte dazu das weiſſagende Brett
von einer redenden Eiche des Orakels zu Dodona geſtif¬
tet, das eine Stelle in dem Tafelwerke fand. Das Schiff
war auswendig mit vielen geſchnizten Arbeiten geziert
und gleichwohl ſo leicht, daß es die Helden zwölf Tage¬
reiſen weit auf der Achſel tragen konnten. Als das
Fahrzeug fertig und die Helden verſammelt waren, wur¬
den die Plätze der Argoſchiffer (Argonauten) verloost.
Jaſon war Befehlshaber des ganzen Zuges, Tiphys war
der Steuermann; Lynceus, der ſcharfblickende, machte den
Lootſen des Schiffs. Im Vordertheile des Schiffs ſaß der
herrliche Held Herkules, im Hintertheile Peleus, der
Vater des Achilles und Telamon der Vater des Ajax.
Im innern Raume befanden ſich unter andern Caſtor
und Pollux, die Jupitersſöhne, Neleus, der Vater Neſtors,
Admetus, der Gemahl der frommen Alceſte, Meleager,
der Beſieger des kalidoniſchen Ebers, Orpheus, der wun¬
dervolle Sänger, Menötius, der Vater des Patroklus,
Theſeus, nachher König von Athen und ſein Freund Pi¬
rithous, Hylas, der junge Gefährte des Herkules, Nep¬
tuns Sohn Euphemus, und Oïleus, der Vater des klei¬
neren Ajax. Jaſon hatte ſein Schiff dem Neptunus ge¬
widmet und vor der Abfahrt wurde ihm und allen Mee¬
resgöttern ein feierliches Opfer mit Gebeten dargebracht.
Als Alle im Schiffe Platz genommen, wurden die
Anker gelichtet, die fünfzig Ruderer begannen ihren regel¬
mäßigen Taktſchlag, ein günſtiger Wind ſchwellte die Se¬
gel und bald hatte das Schiff den Hafen von Jolkus
hinter ſich. Orpheus mit lieblichen Harfentönen und be¬
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luſtig fuhren ſie an Vorgebirgen und Inſeln vorbei, erſt

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[95/0121] Die Göttin Minerva hatte dazu das weiſſagende Brett von einer redenden Eiche des Orakels zu Dodona geſtif¬ tet, das eine Stelle in dem Tafelwerke fand. Das Schiff war auswendig mit vielen geſchnizten Arbeiten geziert und gleichwohl ſo leicht, daß es die Helden zwölf Tage¬ reiſen weit auf der Achſel tragen konnten. Als das Fahrzeug fertig und die Helden verſammelt waren, wur¬ den die Plätze der Argoſchiffer (Argonauten) verloost. Jaſon war Befehlshaber des ganzen Zuges, Tiphys war der Steuermann; Lynceus, der ſcharfblickende, machte den Lootſen des Schiffs. Im Vordertheile des Schiffs ſaß der herrliche Held Herkules, im Hintertheile Peleus, der Vater des Achilles und Telamon der Vater des Ajax. Im innern Raume befanden ſich unter andern Caſtor und Pollux, die Jupitersſöhne, Neleus, der Vater Neſtors, Admetus, der Gemahl der frommen Alceſte, Meleager, der Beſieger des kalidoniſchen Ebers, Orpheus, der wun¬ dervolle Sänger, Menötius, der Vater des Patroklus, Theſeus, nachher König von Athen und ſein Freund Pi¬ rithous, Hylas, der junge Gefährte des Herkules, Nep¬ tuns Sohn Euphemus, und Oïleus, der Vater des klei¬ neren Ajax. Jaſon hatte ſein Schiff dem Neptunus ge¬ widmet und vor der Abfahrt wurde ihm und allen Mee¬ resgöttern ein feierliches Opfer mit Gebeten dargebracht. Als Alle im Schiffe Platz genommen, wurden die Anker gelichtet, die fünfzig Ruderer begannen ihren regel¬ mäßigen Taktſchlag, ein günſtiger Wind ſchwellte die Se¬ gel und bald hatte das Schiff den Hafen von Jolkus hinter ſich. Orpheus mit lieblichen Harfentönen und be¬ geiſterndem Geſang belebte den Muth der Argoſchiffer, luſtig fuhren ſie an Vorgebirgen und Inſeln vorbei, erſt

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/121>, abgerufen am 27.04.2024.