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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

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an, und hing seinen Rachegedanken nach. Athene aber
spornte das Herz der üppigen Freier zum kränkenden
Spott, und Eurymachus sagte zu seinen Gesellen, daß
ein lautes Gelächter entstand: "Der Mann ist wahr¬
haftig als eine lebendige Leuchte von einem Gott in diesen
Saal geschickt worden: schimmert nicht sein Kahlkopf,
auf dem auch kein einziges Härchen mehr zu erblicken
ist, gerade wie eine Fackel?" Und zu Odysseus gewen¬
det, sprach er: "Hör' Bursche, hättest du nicht Lust,
dich mir zum Knechte zu verdingen, mir auf meinen
Gütern die Dornen einzusammeln und Bäume zu pflan¬
zen? an Kost und Nahrung sollte dir's nicht gebrechen.
Aber ich merke wohl, du bettelst lieber, und füllst dir
deinen Bauch mit Almosen, was keinen Schweiß kostet."
"Eurymachus," antwortete Odysseus mit fester Stimme,
"ich wollte es wäre Frühling und wir mähten mit ein¬
ander in die Wette Gras auf der Wiese, du hieltest die
Sense und ich hielte sie, und beide müßten wir nüchtern
bis spät in die Nacht arbeiten: es sollte sich zeigen, wer
es länger aushielte! Ober ich wollte, wir ständen beide
an der Pflugschaar: du solltest sehen, wie ich die Furche
in Einem Zug durchschnitte! Oder es wäre Krieg und
ich trüge Schild und Helm, dazu zwei Lanzen; du soll¬
test sehen, ob ich nicht in den vordersten Reihen kämpfte,
und gewiß, es fiele dir nicht ein, mich höhnend an mei¬
nen Magen zu erinnern! Trotziger Mensch, du dünkest
dich groß und gewaltig zu seyn, weil du dich nur erst
mit Wenigen, und dazu nicht mit den Edelsten gemessen
hast; aber wenn einmal Odysseus in die Heimath zu¬
rückkäme, da möchten dir bald diese Hallen, so weit sie
der Werkmeister gebaut hat, zu eng werden für die Flucht!"

an, und hing ſeinen Rachegedanken nach. Athene aber
ſpornte das Herz der üppigen Freier zum kränkenden
Spott, und Eurymachus ſagte zu ſeinen Geſellen, daß
ein lautes Gelächter entſtand: „Der Mann iſt wahr¬
haftig als eine lebendige Leuchte von einem Gott in dieſen
Saal geſchickt worden: ſchimmert nicht ſein Kahlkopf,
auf dem auch kein einziges Härchen mehr zu erblicken
iſt, gerade wie eine Fackel?“ Und zu Odyſſeus gewen¬
det, ſprach er: „Hör’ Burſche, hätteſt du nicht Luſt,
dich mir zum Knechte zu verdingen, mir auf meinen
Gütern die Dornen einzuſammeln und Bäume zu pflan¬
zen? an Koſt und Nahrung ſollte dir's nicht gebrechen.
Aber ich merke wohl, du bettelſt lieber, und füllſt dir
deinen Bauch mit Almoſen, was keinen Schweiß koſtet.“
„Eurymachus,“ antwortete Odyſſeus mit feſter Stimme,
„ich wollte es wäre Frühling und wir mähten mit ein¬
ander in die Wette Gras auf der Wieſe, du hielteſt die
Senſe und ich hielte ſie, und beide müßten wir nüchtern
bis ſpät in die Nacht arbeiten: es ſollte ſich zeigen, wer
es länger aushielte! Ober ich wollte, wir ſtänden beide
an der Pflugſchaar: du ſollteſt ſehen, wie ich die Furche
in Einem Zug durchſchnitte! Oder es wäre Krieg und
ich trüge Schild und Helm, dazu zwei Lanzen; du ſoll¬
teſt ſehen, ob ich nicht in den vorderſten Reihen kämpfte,
und gewiß, es fiele dir nicht ein, mich höhnend an mei¬
nen Magen zu erinnern! Trotziger Menſch, du dünkeſt
dich groß und gewaltig zu ſeyn, weil du dich nur erſt
mit Wenigen, und dazu nicht mit den Edelſten gemeſſen
haſt; aber wenn einmal Odyſſeus in die Heimath zu¬
rückkäme, da möchten dir bald dieſe Hallen, ſo weit ſie
der Werkmeiſter gebaut hat, zu eng werden für die Flucht!“

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[234/0256] an, und hing ſeinen Rachegedanken nach. Athene aber ſpornte das Herz der üppigen Freier zum kränkenden Spott, und Eurymachus ſagte zu ſeinen Geſellen, daß ein lautes Gelächter entſtand: „Der Mann iſt wahr¬ haftig als eine lebendige Leuchte von einem Gott in dieſen Saal geſchickt worden: ſchimmert nicht ſein Kahlkopf, auf dem auch kein einziges Härchen mehr zu erblicken iſt, gerade wie eine Fackel?“ Und zu Odyſſeus gewen¬ det, ſprach er: „Hör’ Burſche, hätteſt du nicht Luſt, dich mir zum Knechte zu verdingen, mir auf meinen Gütern die Dornen einzuſammeln und Bäume zu pflan¬ zen? an Koſt und Nahrung ſollte dir's nicht gebrechen. Aber ich merke wohl, du bettelſt lieber, und füllſt dir deinen Bauch mit Almoſen, was keinen Schweiß koſtet.“ „Eurymachus,“ antwortete Odyſſeus mit feſter Stimme, „ich wollte es wäre Frühling und wir mähten mit ein¬ ander in die Wette Gras auf der Wieſe, du hielteſt die Senſe und ich hielte ſie, und beide müßten wir nüchtern bis ſpät in die Nacht arbeiten: es ſollte ſich zeigen, wer es länger aushielte! Ober ich wollte, wir ſtänden beide an der Pflugſchaar: du ſollteſt ſehen, wie ich die Furche in Einem Zug durchſchnitte! Oder es wäre Krieg und ich trüge Schild und Helm, dazu zwei Lanzen; du ſoll¬ teſt ſehen, ob ich nicht in den vorderſten Reihen kämpfte, und gewiß, es fiele dir nicht ein, mich höhnend an mei¬ nen Magen zu erinnern! Trotziger Menſch, du dünkeſt dich groß und gewaltig zu ſeyn, weil du dich nur erſt mit Wenigen, und dazu nicht mit den Edelſten gemeſſen haſt; aber wenn einmal Odyſſeus in die Heimath zu¬ rückkäme, da möchten dir bald dieſe Hallen, ſo weit ſie der Werkmeiſter gebaut hat, zu eng werden für die Flucht!“

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/256>, abgerufen am 26.04.2024.