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Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839.

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Der Kiel der Feder hat eine ähnliche Struktur, wie
die Rinde des Schafts.

Die Fahne besteht aus einzelnen Strahlen, und jeder
Strahl ist wieder eine Feder im Kleinen. Die folgende
Beschreibung ist von einer unentwickelten Schwungfeder
eines Sperlings genommen. Jeder Strahl enthält einen se-
kundären Schaft, auf der eine sekundäre Fahne seitlich
aufsitzt. Der sekundäre Schaft hat die Struktur des Haupt-
schaftes und besteht aus einer zelligen Marksubstanz und
einer festen Rinde. Die sekundäre Fahne besteht aus vie-
len, mit ihrer Fläche neben einander liegenden Dreiecken,
welche eine sehr schmale Basis haben, mit der sie auf dem
sekundären Schaft aufsitzen. Jedes Dreieck wird aus plat-
ten, mit ihren Kanten aneinander gelagerten Epithelium-
zellen zusammengesetzt, von denen jede ihren Kern hat.
Die einzelnen Epitheliumtafeln sind unten am breitesten,
verschmälern sich gegen die Spitze immer mehr und deh-
nen sich dafür in der Länge aus. Die Zellenkerne liegen
in einer Reihe ungefähr in der Mittellinie des Dreiecks.
An der Spitze des Dreiecks verschmälert sich die letzte
Zelle zu einer langen Faser. Die vorletzte, drittletzte
Zelle u. s. w. verlängern sich da, wo die nächstfolgende
Zelle sich an sie ansetzt, nach beiden Seiten in der Fläche
des Dreiecks in mehr oder weniger lange spitze Fortsätze.

6) Krystalllinse.

Die Ernährung der Krystalllinse ist von jeher ein
Räthsel gewesen. Gefässlos, wie sie ist, betrachtete man
sie entweder als eine Sekretion der Linsenkapsel, oder
man schrieb ihr im Allgemeinen ein pflanzenähnliches Le-
ben zu. Wir werden sehen, dass die letztere Ansicht die
richtige ist, und das Auffallende dieser Ernährungsweise
verschwindet ganz, wenn man weiss, dass die organisirten
Gewebe ebenfalls wachsen wie die Pflanzen. Mit dem all-
gemeinen Ausdruck, die Linse führe ein pflanzliches Leben,
ist aber nicht viel ausgedrückt, wenn man nicht das Ver-
hältniss der Elementargebilde der Linse zu den Pflanzen-

7*

Der Kiel der Feder hat eine ähnliche Struktur, wie
die Rinde des Schafts.

Die Fahne besteht aus einzelnen Strahlen, und jeder
Strahl ist wieder eine Feder im Kleinen. Die folgende
Beschreibung ist von einer unentwickelten Schwungfeder
eines Sperlings genommen. Jeder Strahl enthält einen se-
kundären Schaft, auf der eine sekundäre Fahne seitlich
aufsitzt. Der sekundäre Schaft hat die Struktur des Haupt-
schaftes und besteht aus einer zelligen Marksubstanz und
einer festen Rinde. Die sekundäre Fahne besteht aus vie-
len, mit ihrer Fläche neben einander liegenden Dreiecken,
welche eine sehr schmale Basis haben, mit der sie auf dem
sekundären Schaft aufsitzen. Jedes Dreieck wird aus plat-
ten, mit ihren Kanten aneinander gelagerten Epithelium-
zellen zusammengesetzt, von denen jede ihren Kern hat.
Die einzelnen Epitheliumtafeln sind unten am breitesten,
verschmälern sich gegen die Spitze immer mehr und deh-
nen sich dafür in der Länge aus. Die Zellenkerne liegen
in einer Reihe ungefähr in der Mittellinie des Dreiecks.
An der Spitze des Dreiecks verschmälert sich die letzte
Zelle zu einer langen Faser. Die vorletzte, drittletzte
Zelle u. s. w. verlängern sich da, wo die nächstfolgende
Zelle sich an sie ansetzt, nach beiden Seiten in der Fläche
des Dreiecks in mehr oder weniger lange spitze Fortsätze.

6) Krystalllinse.

Die Ernährung der Krystalllinse ist von jeher ein
Räthsel gewesen. Gefäſslos, wie sie ist, betrachtete man
sie entweder als eine Sekretion der Linsenkapsel, oder
man schrieb ihr im Allgemeinen ein pflanzenähnliches Le-
ben zu. Wir werden sehen, daſs die letztere Ansicht die
richtige ist, und das Auffallende dieser Ernährungsweise
verschwindet ganz, wenn man weiſs, daſs die organisirten
Gewebe ebenfalls wachsen wie die Pflanzen. Mit dem all-
gemeinen Ausdruck, die Linse führe ein pflanzliches Leben,
ist aber nicht viel ausgedrückt, wenn man nicht das Ver-
hältniſs der Elementargebilde der Linse zu den Pflanzen-

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[99/0123] Der Kiel der Feder hat eine ähnliche Struktur, wie die Rinde des Schafts. Die Fahne besteht aus einzelnen Strahlen, und jeder Strahl ist wieder eine Feder im Kleinen. Die folgende Beschreibung ist von einer unentwickelten Schwungfeder eines Sperlings genommen. Jeder Strahl enthält einen se- kundären Schaft, auf der eine sekundäre Fahne seitlich aufsitzt. Der sekundäre Schaft hat die Struktur des Haupt- schaftes und besteht aus einer zelligen Marksubstanz und einer festen Rinde. Die sekundäre Fahne besteht aus vie- len, mit ihrer Fläche neben einander liegenden Dreiecken, welche eine sehr schmale Basis haben, mit der sie auf dem sekundären Schaft aufsitzen. Jedes Dreieck wird aus plat- ten, mit ihren Kanten aneinander gelagerten Epithelium- zellen zusammengesetzt, von denen jede ihren Kern hat. Die einzelnen Epitheliumtafeln sind unten am breitesten, verschmälern sich gegen die Spitze immer mehr und deh- nen sich dafür in der Länge aus. Die Zellenkerne liegen in einer Reihe ungefähr in der Mittellinie des Dreiecks. An der Spitze des Dreiecks verschmälert sich die letzte Zelle zu einer langen Faser. Die vorletzte, drittletzte Zelle u. s. w. verlängern sich da, wo die nächstfolgende Zelle sich an sie ansetzt, nach beiden Seiten in der Fläche des Dreiecks in mehr oder weniger lange spitze Fortsätze. 6) Krystalllinse. Die Ernährung der Krystalllinse ist von jeher ein Räthsel gewesen. Gefäſslos, wie sie ist, betrachtete man sie entweder als eine Sekretion der Linsenkapsel, oder man schrieb ihr im Allgemeinen ein pflanzenähnliches Le- ben zu. Wir werden sehen, daſs die letztere Ansicht die richtige ist, und das Auffallende dieser Ernährungsweise verschwindet ganz, wenn man weiſs, daſs die organisirten Gewebe ebenfalls wachsen wie die Pflanzen. Mit dem all- gemeinen Ausdruck, die Linse führe ein pflanzliches Leben, ist aber nicht viel ausgedrückt, wenn man nicht das Ver- hältniſs der Elementargebilde der Linse zu den Pflanzen- 7*

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Zitationshilfe: Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/123>, abgerufen am 26.04.2024.