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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900.

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Der eiserne Brückenbau.
Amerikanische Brückenbauten.

Auf dem Gebiete des Eisengewerbes haben die Amerikaner in keiner anderen
Richtung größere Leistungen zu verzeichnen, als auf jener des Brückenbaues. Hier
sind sie, was die Eigenart der Constructionsprincipien und die Kühnheit der Anlage
anbetrifft, in ihrem wahren Elemente. Außer den gewaltigen Gebirgsschranken,
welche von den großen Ueberland-Schienenwegen überwunden werden mußten, boten
die zahlreichen und zum Theile ungeheueren Ströme die bedeutendsten örtlichen
Hindernisse. Zu ihrer Ueberwältigung mußten demnach das theoretische Wollen und
das praktische Können auf das Aeußerste angespannt, Ziel und Zweck den außer-
gewöhnlichen Verhältnissen angepaßt und überhaupt diesem Zweige der Technik
eine Aufmerksamkeit zugewandt werden, wie nirgend anderwärts. Die bedeutsamsten
Anforderungen traten an die Techniker zu jenem Zeitabschnitte heran, als den
älteren Bahnanlagen ihr provisorischer Charakter genommen und die primitiven
Constructionen, welche zudem insgesammt aus Holz (seltener aus Stein) waren,
durch eiserne Objecte ersetzt wurden.

Neben den mächtigen Gebirgsschranken im Westen der Union waren es vor-
nehmlich die Riesenströme Mississippi und Missouri, welche die Unternehmungslust
und die Leistungsfähigkeit der Techniker herausforderten. In jüngster Zeit kamen
die Meeresarme, die sich flußartig zwischen die einzelnen Stadttheile von New-York
hereinschieben, dazu. Die beiden genannten Ströme, die natürlichen Schlagadern
des Verkehrslebens, mußten übersetzt werden, um die beiden großen Landgebiete im
Osten und Westen miteinander zu verbinden.

Kein Wunder also, daß in dem kurzen Zeitabschnitte von nur sechs Jahren,
d. i. nach Fertigstellung der ersten pacifischen Ueberlandbahn, der Mississippi
zwölfmal, der Missouri achtmal überbrückt wurde. Hierbei mußte auf den äußerst
lebhaften Verkehr auf diesen Strömen Rücksicht genommen werden, was zur Aus-
führung von Brückenwerken Anlaß gab, die bezüglich der Art ihrer Construction
und Kühnheit der Anlage alles bisher Bekannte in den Schatten stellten.

Aus dem Bedürfnisse raschen Vorwärtsstrebens entsprangen für den ameri-
kanischen Brückenbau gewisse Modalitäten, die sich eben nur unter den gegebenen
Verhältnissen entwickeln konnten. Die große, 23 englische Meilen oberhalb St. Louis
über den Mississippi führende Eisenbahnbrücke, die eine Länge von 623 Meter und
der Schifffahrt wegen ein drehbares Feld von 135 Meter hat, wurde in der
beispiellos kurzen Zeit von 150 Arbeitstagen fertiggestellt, wobei man durch einen
bedeutenden Materialaufwand der Raschheit der Ausführung keinerlei Opfer der
Oekonomie noch der Sicherheit zu bringen nöthig hatte. Eine zweigeleisige Eisen-
bahnbrücke von 56 Meter Spannweite, deren Montirung nicht mehr als 22 Stunden
erforderte, wurde innerhalb 17 Tagen fertiggestellt. An Stelle des abgebrannten
riesigen hölzernen Portage-Viaductes in der Eriebahn wurde innerhalb 82 Tagen
eine Eisenconstruction von 250 Meter Länge und 62 Meter Höhe hergestellt.


Der eiſerne Brückenbau.
Amerikaniſche Brückenbauten.

Auf dem Gebiete des Eiſengewerbes haben die Amerikaner in keiner anderen
Richtung größere Leiſtungen zu verzeichnen, als auf jener des Brückenbaues. Hier
ſind ſie, was die Eigenart der Conſtructionsprincipien und die Kühnheit der Anlage
anbetrifft, in ihrem wahren Elemente. Außer den gewaltigen Gebirgsſchranken,
welche von den großen Ueberland-Schienenwegen überwunden werden mußten, boten
die zahlreichen und zum Theile ungeheueren Ströme die bedeutendſten örtlichen
Hinderniſſe. Zu ihrer Ueberwältigung mußten demnach das theoretiſche Wollen und
das praktiſche Können auf das Aeußerſte angeſpannt, Ziel und Zweck den außer-
gewöhnlichen Verhältniſſen angepaßt und überhaupt dieſem Zweige der Technik
eine Aufmerkſamkeit zugewandt werden, wie nirgend anderwärts. Die bedeutſamſten
Anforderungen traten an die Techniker zu jenem Zeitabſchnitte heran, als den
älteren Bahnanlagen ihr proviſoriſcher Charakter genommen und die primitiven
Conſtructionen, welche zudem insgeſammt aus Holz (ſeltener aus Stein) waren,
durch eiſerne Objecte erſetzt wurden.

Neben den mächtigen Gebirgsſchranken im Weſten der Union waren es vor-
nehmlich die Rieſenſtröme Miſſiſſippi und Miſſouri, welche die Unternehmungsluſt
und die Leiſtungsfähigkeit der Techniker herausforderten. In jüngſter Zeit kamen
die Meeresarme, die ſich flußartig zwiſchen die einzelnen Stadttheile von New-York
hereinſchieben, dazu. Die beiden genannten Ströme, die natürlichen Schlagadern
des Verkehrslebens, mußten überſetzt werden, um die beiden großen Landgebiete im
Oſten und Weſten miteinander zu verbinden.

Kein Wunder alſo, daß in dem kurzen Zeitabſchnitte von nur ſechs Jahren,
d. i. nach Fertigſtellung der erſten pacifiſchen Ueberlandbahn, der Miſſiſſippi
zwölfmal, der Miſſouri achtmal überbrückt wurde. Hierbei mußte auf den äußerſt
lebhaften Verkehr auf dieſen Strömen Rückſicht genommen werden, was zur Aus-
führung von Brückenwerken Anlaß gab, die bezüglich der Art ihrer Conſtruction
und Kühnheit der Anlage alles bisher Bekannte in den Schatten ſtellten.

Aus dem Bedürfniſſe raſchen Vorwärtsſtrebens entſprangen für den ameri-
kaniſchen Brückenbau gewiſſe Modalitäten, die ſich eben nur unter den gegebenen
Verhältniſſen entwickeln konnten. Die große, 23 engliſche Meilen oberhalb St. Louis
über den Miſſiſſippi führende Eiſenbahnbrücke, die eine Länge von 623 Meter und
der Schifffahrt wegen ein drehbares Feld von 135 Meter hat, wurde in der
beiſpiellos kurzen Zeit von 150 Arbeitstagen fertiggeſtellt, wobei man durch einen
bedeutenden Materialaufwand der Raſchheit der Ausführung keinerlei Opfer der
Oekonomie noch der Sicherheit zu bringen nöthig hatte. Eine zweigeleiſige Eiſen-
bahnbrücke von 56 Meter Spannweite, deren Montirung nicht mehr als 22 Stunden
erforderte, wurde innerhalb 17 Tagen fertiggeſtellt. An Stelle des abgebrannten
rieſigen hölzernen Portage-Viaductes in der Eriebahn wurde innerhalb 82 Tagen
eine Eiſenconſtruction von 250 Meter Länge und 62 Meter Höhe hergeſtellt.

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[311/0351] Der eiſerne Brückenbau. Amerikaniſche Brückenbauten. Auf dem Gebiete des Eiſengewerbes haben die Amerikaner in keiner anderen Richtung größere Leiſtungen zu verzeichnen, als auf jener des Brückenbaues. Hier ſind ſie, was die Eigenart der Conſtructionsprincipien und die Kühnheit der Anlage anbetrifft, in ihrem wahren Elemente. Außer den gewaltigen Gebirgsſchranken, welche von den großen Ueberland-Schienenwegen überwunden werden mußten, boten die zahlreichen und zum Theile ungeheueren Ströme die bedeutendſten örtlichen Hinderniſſe. Zu ihrer Ueberwältigung mußten demnach das theoretiſche Wollen und das praktiſche Können auf das Aeußerſte angeſpannt, Ziel und Zweck den außer- gewöhnlichen Verhältniſſen angepaßt und überhaupt dieſem Zweige der Technik eine Aufmerkſamkeit zugewandt werden, wie nirgend anderwärts. Die bedeutſamſten Anforderungen traten an die Techniker zu jenem Zeitabſchnitte heran, als den älteren Bahnanlagen ihr proviſoriſcher Charakter genommen und die primitiven Conſtructionen, welche zudem insgeſammt aus Holz (ſeltener aus Stein) waren, durch eiſerne Objecte erſetzt wurden. Neben den mächtigen Gebirgsſchranken im Weſten der Union waren es vor- nehmlich die Rieſenſtröme Miſſiſſippi und Miſſouri, welche die Unternehmungsluſt und die Leiſtungsfähigkeit der Techniker herausforderten. In jüngſter Zeit kamen die Meeresarme, die ſich flußartig zwiſchen die einzelnen Stadttheile von New-York hereinſchieben, dazu. Die beiden genannten Ströme, die natürlichen Schlagadern des Verkehrslebens, mußten überſetzt werden, um die beiden großen Landgebiete im Oſten und Weſten miteinander zu verbinden. Kein Wunder alſo, daß in dem kurzen Zeitabſchnitte von nur ſechs Jahren, d. i. nach Fertigſtellung der erſten pacifiſchen Ueberlandbahn, der Miſſiſſippi zwölfmal, der Miſſouri achtmal überbrückt wurde. Hierbei mußte auf den äußerſt lebhaften Verkehr auf dieſen Strömen Rückſicht genommen werden, was zur Aus- führung von Brückenwerken Anlaß gab, die bezüglich der Art ihrer Conſtruction und Kühnheit der Anlage alles bisher Bekannte in den Schatten ſtellten. Aus dem Bedürfniſſe raſchen Vorwärtsſtrebens entſprangen für den ameri- kaniſchen Brückenbau gewiſſe Modalitäten, die ſich eben nur unter den gegebenen Verhältniſſen entwickeln konnten. Die große, 23 engliſche Meilen oberhalb St. Louis über den Miſſiſſippi führende Eiſenbahnbrücke, die eine Länge von 623 Meter und der Schifffahrt wegen ein drehbares Feld von 135 Meter hat, wurde in der beiſpiellos kurzen Zeit von 150 Arbeitstagen fertiggeſtellt, wobei man durch einen bedeutenden Materialaufwand der Raſchheit der Ausführung keinerlei Opfer der Oekonomie noch der Sicherheit zu bringen nöthig hatte. Eine zweigeleiſige Eiſen- bahnbrücke von 56 Meter Spannweite, deren Montirung nicht mehr als 22 Stunden erforderte, wurde innerhalb 17 Tagen fertiggeſtellt. An Stelle des abgebrannten rieſigen hölzernen Portage-Viaductes in der Eriebahn wurde innerhalb 82 Tagen eine Eiſenconſtruction von 250 Meter Länge und 62 Meter Höhe hergeſtellt.

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/351>, abgerufen am 26.04.2024.