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Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.

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vorher gegangenen Vnterrichts.
das Alter viel thun kan/ doch ist es auch unterschieden/ wie du in
deiner mir gegebenen Lehre ausführlich gemeldet hast.
XXX. Fr.
Just. Wenn nun solche übele Leiber vorkom-
men/ welche zum ersten mahl gebähren sollen/ die Frau
auch nicht mehr jung/ das Kind groß und die Frau ansich
selbsten feist ist/ kan denn auch solche Geburt glücklich abge-
hen/ wenn das Kind nur zur rechten Geburt stehet/ oder
wie laufft es ab/ wenn das Kind unrecht stehet?
Christ. Solche Geburten sind schwer/ und fast die aller-
schweresten unter allen Geburten/ vor Mutter und Kinder/
wenn gleich das Kind zu rechter Geburt stehet. Und muß man
solche Geburten sachte und nachdencklich tractiren/ dennoch seyn
die Kinder nicht allemahl möglich zu retten/ weil sie durch die
harte langsame Geburt und wegen ihrer Grösse gar leicht ersti-
cken müssen. Ja offters müssen auch/ wie du vorher beklagest/
die Mütter ihr Leben dabey lassen/ wegen Streitigkeit der We-
he-Mütter und anwesenden Frauen/ weil dergleichen Geburt
nicht anders als mit einem Haaken/ wenn das Kind todt ist/
kan gefordert werden. Dann werden zugleich die Frauen mit
versäumet/ ehe sie wollen den Haaken ansetzen lassen. Ist aber
das Kind unrecht zur Geburt/ so wird selten wider die Wen-
dung gestritten/ ja der Augenschein giebt es selber/ daß es nicht
anders seyn kan. Man kan auch das Kind besser mit den
Füssen als mit dem Haupte anfassen/ und wird die Frau bey
dergleichen Zustande ehender gerettet.
XXXI. Fr.
Just. Wie dann? wenn des Kindes Kopff
zu groß ist?
Christ. Diese Geburt muß vorsichtig und gar sachte tra-
ctiret
werden/ und müssen die natürlichen Wehen wohl in acht
genommen werden/ daß man die Frau nicht zu starck/ auch nicht
zu wenig antreibe. Die Wehen zu stärcken/ mußbey leibe nicht
geschehen/ sonst drücket sich der große Kopff ehender breit als
spitzig.
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vorher gegangenen Vnterrichts.
das Alter viel thun kan/ doch iſt es auch unterſchieden/ wie du in
deiner mir gegebenen Lehre ausfuͤhrlich gemeldet haſt.
XXX. Fr.
Juſt. Wenn nun ſolche uͤbele Leiber vorkom-
men/ welche zum erſten mahl gebaͤhren ſollen/ die Frau
auch nicht mehr jung/ das Kind groß und die Frau anſich
ſelbſten feiſt iſt/ kan denn auch ſolche Geburt gluͤcklich abge-
hen/ wenn das Kind nur zur rechten Geburt ſtehet/ oder
wie laufft es ab/ wenn das Kind unrecht ſtehet?
Chriſt. Solche Geburten ſind ſchwer/ und faſt die aller-
ſchwereſten unter allen Geburten/ vor Mutter und Kinder/
wenn gleich das Kind zu rechter Geburt ſtehet. Und muß man
ſolche Geburten ſachte und nachdencklich tractiren/ dennoch ſeyn
die Kinder nicht allemahl moͤglich zu retten/ weil ſie durch die
harte langſame Geburt und wegen ihrer Groͤſſe gar leicht erſti-
cken muͤſſen. Ja offters muͤſſen auch/ wie du vorher beklageſt/
die Muͤtter ihr Leben dabey laſſen/ wegen Streitigkeit der We-
he-Muͤtter und anweſenden Frauen/ weil dergleichen Geburt
nicht anders als mit einem Haaken/ wenn das Kind todt iſt/
kan gefordert werden. Dann werden zugleich die Frauen mit
verſaͤumet/ ehe ſie wollen den Haaken anſetzen laſſen. Iſt aber
das Kind unrecht zur Geburt/ ſo wird ſelten wider die Wen-
dung geſtritten/ ja der Augenſchein giebt es ſelber/ daß es nicht
anders ſeyn kan. Man kan auch das Kind beſſer mit den
Fuͤſſen als mit dem Haupte anfaſſen/ und wird die Frau bey
dergleichen Zuſtande ehender gerettet.
XXXI. Fr.
Juſt. Wie dann? wenn des Kindes Kopff
zu groß iſt?
Chriſt. Dieſe Geburt muß vorſichtig und gar ſachte tra-
ctiret
werden/ und muͤſſen die natuͤrlichen Wehen wohl in acht
genommen werden/ daß man die Frau nicht zu ſtarck/ auch nicht
zu wenig antreibe. Die Wehen zu ſtaͤrcken/ mußbey leibe nicht
geſchehen/ ſonſt druͤcket ſich der große Kopff ehender breit als
ſpitzig.
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[227/0356] vorher gegangenen Vnterrichts. das Alter viel thun kan/ doch iſt es auch unterſchieden/ wie du in deiner mir gegebenen Lehre ausfuͤhrlich gemeldet haſt. XXX. Fr. Juſt. Wenn nun ſolche uͤbele Leiber vorkom- men/ welche zum erſten mahl gebaͤhren ſollen/ die Frau auch nicht mehr jung/ das Kind groß und die Frau anſich ſelbſten feiſt iſt/ kan denn auch ſolche Geburt gluͤcklich abge- hen/ wenn das Kind nur zur rechten Geburt ſtehet/ oder wie laufft es ab/ wenn das Kind unrecht ſtehet? Chriſt. Solche Geburten ſind ſchwer/ und faſt die aller- ſchwereſten unter allen Geburten/ vor Mutter und Kinder/ wenn gleich das Kind zu rechter Geburt ſtehet. Und muß man ſolche Geburten ſachte und nachdencklich tractiren/ dennoch ſeyn die Kinder nicht allemahl moͤglich zu retten/ weil ſie durch die harte langſame Geburt und wegen ihrer Groͤſſe gar leicht erſti- cken muͤſſen. Ja offters muͤſſen auch/ wie du vorher beklageſt/ die Muͤtter ihr Leben dabey laſſen/ wegen Streitigkeit der We- he-Muͤtter und anweſenden Frauen/ weil dergleichen Geburt nicht anders als mit einem Haaken/ wenn das Kind todt iſt/ kan gefordert werden. Dann werden zugleich die Frauen mit verſaͤumet/ ehe ſie wollen den Haaken anſetzen laſſen. Iſt aber das Kind unrecht zur Geburt/ ſo wird ſelten wider die Wen- dung geſtritten/ ja der Augenſchein giebt es ſelber/ daß es nicht anders ſeyn kan. Man kan auch das Kind beſſer mit den Fuͤſſen als mit dem Haupte anfaſſen/ und wird die Frau bey dergleichen Zuſtande ehender gerettet. XXXI. Fr. Juſt. Wie dann? wenn des Kindes Kopff zu groß iſt? Chriſt. Dieſe Geburt muß vorſichtig und gar ſachte tra- ctiret werden/ und muͤſſen die natuͤrlichen Wehen wohl in acht genommen werden/ daß man die Frau nicht zu ſtarck/ auch nicht zu wenig antreibe. Die Wehen zu ſtaͤrcken/ mußbey leibe nicht geſchehen/ ſonſt druͤcket ſich der große Kopff ehender breit als ſpitzig. F f 2

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Zitationshilfe: Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/356>, abgerufen am 26.04.2024.