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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das erste Capitel.
aus ihm/ haben die krafft des Evangelii und des glaubens recht erkant/ und
das haupt-werck belangende wol darauff gewiesen/ doch ist nicht zu leugnen/
daß ein und andre expressiones in ihren schrifften gegen das gesetz und allen
dessen gebrauch zu hart sind/ wo sie in ihrer schärffe genommen werden: Da-
her man sie mit gütiger erklährung zurecht helffen muß/ da sie alsdenn guten
und ihres heils begierigen seelen keinen schaden thun werden. Es hat aber
auch Praetorius selbs einiges dergleichen zu seiner zeit revocirt/ so ihm nicht
zum schimpff und deswegen seine schrifften zuverwerffen/ sondern vielmehr
wie Augustino zum zeugnüß seiner auffrichtigkeit/ dienen solle/ indessen die-
nets doch seinen lesern auch zur nachricht/ mit behutsamkeit alles anzusehen
und erst zu prüfen.

II.
Ob die tauff die wiedergebuhrt oder dero siegel seye?

HJerauff gleich nach der wahrheit zu antworten/ so ist die tauff nicht die
wiedergebuhrt/ sondern das bad der wiedergebuhrt Tit. 3. welches
nach bewandnüß der personen/ entweder den glauben bey denen/ da er noch
nicht gewesen war/ als bey jungen kindern/ wircket/ oder bey denen/ da er be-
reits vorhin gewesen/ als bey den alten/ versiegelt; wie vor dem in dem A. T.
die beschneidung auch gewesen. Dieses ist die lehre insgemein unsrer kirchen/
und der H. Schrifft allerdings gemäß. Was den S. und von mir im übri-
gen hochgehaltenen Herr Großgebaur anlangt/ hat der liebe mann in sei-
nem tractat von der wiedergebuhrt geirret/ also daß ich immer gewünschet/
daß solcher tractat nicht wäre heraus gekommen. Jch finde aber sonderlich
2. ursachen/ die ihn mögen in sothanen irrthum gebracht haben. Einmahl
daß es scheinet/ wie er viele Engelländer gelesen/ da es aber dem guten mann
etwas an gründlicherem begriff unsrer Theologie gemangelt haben muß/
und er aus denselben unwissend einige sätze der Reformirten angenommen/
wie sich sonderlich in diesem tractat zeiget. Nechst demselben scheinet mir/
daß ihn am meisten darzu gebracht habe/ weil er nicht gewust und verstanden/
wie unsre kirche lehre/ daß die wiedergebuhrt nicht allein verlohren/ sondern
auch wiederhohlet werden könne/ welches in der schrifft gegründet/ und aus
andern unsren glaubens-sätzen gegen die Reformirte/ so fern sie auff dem Sy-
nodo
zu Dordrecht diesen satz verwerffen (Act. Dordrac. p. 375. allerdings fol-
get/ indessen nicht viel davon austrücklich in unsrer Theologen büchern zu le-
sen ist. Daher mir solches eine gelegenheit gegeben/ daß 1663. zu Straßburg
mit belieben der Theologischen facultät meine lectiones cursorias pro gradu
von solcher materie über Gal. 4/ 19. gehalten habe. Wann dann der from-
me mann/ da ihm dieses nicht bekant war/ die gantze gemeinde angesehen/ wie

viel

Das erſte Capitel.
aus ihm/ haben die krafft des Evangelii und des glaubens recht erkant/ und
das haupt-werck belangende wol darauff gewieſen/ doch iſt nicht zu leugnen/
daß ein und andre expreſſiones in ihren ſchrifften gegen das geſetz und allen
deſſen gebrauch zu hart ſind/ wo ſie in ihrer ſchaͤrffe genommen werden: Da-
her man ſie mit guͤtiger erklaͤhrung zurecht helffen muß/ da ſie alsdenn guten
und ihres heils begierigen ſeelen keinen ſchaden thun werden. Es hat aber
auch Prætorius ſelbs einiges dergleichen zu ſeiner zeit revocirt/ ſo ihm nicht
zum ſchimpff und deswegen ſeine ſchrifften zuverwerffen/ ſondern vielmehr
wie Auguſtino zum zeugnuͤß ſeiner auffrichtigkeit/ dienen ſolle/ indeſſen die-
nets doch ſeinen leſern auch zur nachricht/ mit behutſamkeit alles anzuſehen
und erſt zu pruͤfen.

II.
Ob die tauff die wiedergebuhrt oder dero ſiegel ſeye?

HJerauff gleich nach der wahrheit zu antworten/ ſo iſt die tauff nicht die
wiedergebuhrt/ ſondern das bad der wiedergebuhrt Tit. 3. welches
nach bewandnuͤß der perſonen/ entweder den glauben bey denen/ da er noch
nicht geweſen war/ als bey jungen kindern/ wircket/ oder bey denen/ da er be-
reits vorhin geweſen/ als bey den alten/ verſiegelt; wie vor dem in dem A. T.
die beſchneidung auch geweſen. Dieſes iſt die lehre insgemein unſrer kirchen/
und der H. Schrifft allerdings gemaͤß. Was den S. und von mir im uͤbri-
gen hochgehaltenen Herr Großgebaur anlangt/ hat der liebe mann in ſei-
nem tractat von der wiedergebuhrt geirret/ alſo daß ich immer gewuͤnſchet/
daß ſolcher tractat nicht waͤre heraus gekommen. Jch finde aber ſonderlich
2. urſachen/ die ihn moͤgen in ſothanen irrthum gebracht haben. Einmahl
daß es ſcheinet/ wie er viele Engellaͤnder geleſen/ da es aber dem guten mann
etwas an gruͤndlicherem begriff unſrer Theologie gemangelt haben muß/
und er aus denſelben unwiſſend einige ſaͤtze der Reformirten angenommen/
wie ſich ſonderlich in dieſem tractat zeiget. Nechſt demſelben ſcheinet mir/
daß ihn am meiſten darzu gebracht habe/ weil er nicht gewuſt und verſtanden/
wie unſre kirche lehre/ daß die wiedergebuhrt nicht allein verlohren/ ſondern
auch wiederhohlet werden koͤnne/ welches in der ſchrifft gegruͤndet/ und aus
andern unſren glaubens-ſaͤtzen gegen die Reformirte/ ſo fern ſie auff dem Sy-
nodo
zu Dordrecht dieſen ſatz verwerffen (Act. Dordrac. p. 375. allerdings fol-
get/ indeſſen nicht viel davon austruͤcklich in unſrer Theologen buͤchern zu le-
ſen iſt. Daher mir ſolches eine gelegenheit gegeben/ daß 1663. zu Straßburg
mit belieben der Theologiſchen facultaͤt meine lectiones curſorias pro gradu
von ſolcher materie uͤber Gal. 4/ 19. gehalten habe. Wann dann der from-
me mann/ da ihm dieſes nicht bekant war/ die gantze gemeinde angeſehen/ wie

viel
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[164/0180] Das erſte Capitel. aus ihm/ haben die krafft des Evangelii und des glaubens recht erkant/ und das haupt-werck belangende wol darauff gewieſen/ doch iſt nicht zu leugnen/ daß ein und andre expreſſiones in ihren ſchrifften gegen das geſetz und allen deſſen gebrauch zu hart ſind/ wo ſie in ihrer ſchaͤrffe genommen werden: Da- her man ſie mit guͤtiger erklaͤhrung zurecht helffen muß/ da ſie alsdenn guten und ihres heils begierigen ſeelen keinen ſchaden thun werden. Es hat aber auch Prætorius ſelbs einiges dergleichen zu ſeiner zeit revocirt/ ſo ihm nicht zum ſchimpff und deswegen ſeine ſchrifften zuverwerffen/ ſondern vielmehr wie Auguſtino zum zeugnuͤß ſeiner auffrichtigkeit/ dienen ſolle/ indeſſen die- nets doch ſeinen leſern auch zur nachricht/ mit behutſamkeit alles anzuſehen und erſt zu pruͤfen. II. Ob die tauff die wiedergebuhrt oder dero ſiegel ſeye? HJerauff gleich nach der wahrheit zu antworten/ ſo iſt die tauff nicht die wiedergebuhrt/ ſondern das bad der wiedergebuhrt Tit. 3. welches nach bewandnuͤß der perſonen/ entweder den glauben bey denen/ da er noch nicht geweſen war/ als bey jungen kindern/ wircket/ oder bey denen/ da er be- reits vorhin geweſen/ als bey den alten/ verſiegelt; wie vor dem in dem A. T. die beſchneidung auch geweſen. Dieſes iſt die lehre insgemein unſrer kirchen/ und der H. Schrifft allerdings gemaͤß. Was den S. und von mir im uͤbri- gen hochgehaltenen Herr Großgebaur anlangt/ hat der liebe mann in ſei- nem tractat von der wiedergebuhrt geirret/ alſo daß ich immer gewuͤnſchet/ daß ſolcher tractat nicht waͤre heraus gekommen. Jch finde aber ſonderlich 2. urſachen/ die ihn moͤgen in ſothanen irrthum gebracht haben. Einmahl daß es ſcheinet/ wie er viele Engellaͤnder geleſen/ da es aber dem guten mann etwas an gruͤndlicherem begriff unſrer Theologie gemangelt haben muß/ und er aus denſelben unwiſſend einige ſaͤtze der Reformirten angenommen/ wie ſich ſonderlich in dieſem tractat zeiget. Nechſt demſelben ſcheinet mir/ daß ihn am meiſten darzu gebracht habe/ weil er nicht gewuſt und verſtanden/ wie unſre kirche lehre/ daß die wiedergebuhrt nicht allein verlohren/ ſondern auch wiederhohlet werden koͤnne/ welches in der ſchrifft gegruͤndet/ und aus andern unſren glaubens-ſaͤtzen gegen die Reformirte/ ſo fern ſie auff dem Sy- nodo zu Dordrecht dieſen ſatz verwerffen (Act. Dordrac. p. 375. allerdings fol- get/ indeſſen nicht viel davon austruͤcklich in unſrer Theologen buͤchern zu le- ſen iſt. Daher mir ſolches eine gelegenheit gegeben/ daß 1663. zu Straßburg mit belieben der Theologiſchen facultaͤt meine lectiones curſorias pro gradu von ſolcher materie uͤber Gal. 4/ 19. gehalten habe. Wann dann der from- me mann/ da ihm dieſes nicht bekant war/ die gantze gemeinde angeſehen/ wie viel

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/180>, abgerufen am 26.04.2024.