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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. III. SECTIO VI.
wendet werde/ so mehr zu dem innerlichen gehöret: und wolte ich mir/
wo ich mich einer trägheit besorgte/ eine gewisse zeit setzen/ die ich zu jeg-
kicher predigt widmen/ und ohne wichtige hindernüß nichts davon zurück
lassen wolte/ daß ich auffs wenigste meine andacht über solche materie
anstellte. Nechst dem wünsche auch/ daß so viel müglich den jenigen
gedancken widerstanden werde/ welche bey demselben ein mißvergnügen
über die annehmung jetzigen beruffs erweckten oder stärckten. Jch halte
mich versichert/ daß der beruff göttlich seye/ und ob einiges menschliches
von gewissen seiten möchte unterlauffen seyn/ daran ich weder damal ge-
zweiffelt/ noch jetzo zweiffle/ so ist mir doch der erfolgte eventus gewiß
göttlich; und nachdem derselbe nicht aus fleischlichen ursachen/ sondern
vielmehr wider das jenige/ was fleisch und blut an die hand gegeben
hat/ aus löblichem trieb/ den beruff vor göttlich angenommen/ seiter
dem aber auch in mehrerem segen so zu reden das göttliche siegel darauff
getruckt bekommen hat/ rechnete ich mirs vor sünde/ die folge in sol-
chem/ worinnen mich GOTT gerühret/ mich wiederum reuen zu lassen/
da ich vielmehr glaube/ darinnen GOTT wohl gefallen zu haben; des-
sen wohlgefallen daran ich also je nicht auffs neue wiederum verscher-
tzen wollte. Hievon solte mich/ was auch geschehe/ oder mir vorge-
sagt würde/ vermittelst göttlicher gnade durchaus nichts abwendig ma-
chen. Wie dann versichern kan/ ob wohl unterschiedliches mir zeit
meines hie seyns begegnet/ daraus sich ein und ander solten haben be-
wegen lassen/ zu wünschen/ lieber in Franckfurt geblieben zu seyn/ daß
dennoch der HERR mich noch bewahret/ daß wie schwehr mich auch an-
gekommen/ von jenem lieben ort abzugehen/ gleichwohl noch niemahl ge-
wünschet/ dem beruff nicht gefolgt zu haben: hoffe auch/ was der HErr
auch noch ferner über mich verhängen wolte/ daß es dazu nicht kommen
solle/ nachdem ich einmahl mit kräfftiger überzeugung des göttlichen raths
in demselben versichert worden bin. Hingegen halte gewiß/ daß obs auch eine
weil ausgeblieben ist/ der grosse GOTT auff ihm beliebige art zeigen
werde/ wie ihm jene folge angenehm gewesen seye/ wo wir nur in ferner
gedult und gelassenheit unsre hand ihm lassen zu seiner eignen führung.
Was die beschwehrde der einsamkeit oder mangel der angenehmen gesell-
schafft anlanget/ ists wohl das jenige/ das mir am meisten anliget/ und am
schwehrsten zu rathen weiß/ in dem etwa die beschaffenheit des gemüths
denselben mehr zu freundlichem umgang mit andern treibet/ wo freylich viel
saurer wird/ fast stäts dessen entrathen sollen/ wozu man natürlich ge-
neigt ist; so gewiß eine ziemlich starcke verleugnug erfordert. Bey mir

zwahr
Ji ii 3

ARTIC. III. SECTIO VI.
wendet werde/ ſo mehr zu dem innerlichen gehoͤret: und wolte ich mir/
wo ich mich einer traͤgheit beſorgte/ eine gewiſſe zeit ſetzen/ die ich zu jeg-
kicher predigt widmen/ und ohne wichtige hindernuͤß nichts davon zuruͤck
laſſen wolte/ daß ich auffs wenigſte meine andacht uͤber ſolche materie
anſtellte. Nechſt dem wuͤnſche auch/ daß ſo viel muͤglich den jenigen
gedancken widerſtanden werde/ welche bey demſelben ein mißvergnuͤgen
uͤber die annehmung jetzigen beruffs erweckten oder ſtaͤrckten. Jch halte
mich verſichert/ daß der beruff goͤttlich ſeye/ und ob einiges menſchliches
von gewiſſen ſeiten moͤchte unterlauffen ſeyn/ daran ich weder damal ge-
zweiffelt/ noch jetzo zweiffle/ ſo iſt mir doch der erfolgte eventus gewiß
goͤttlich; und nachdem derſelbe nicht aus fleiſchlichen urſachen/ ſondern
vielmehr wider das jenige/ was fleiſch und blut an die hand gegeben
hat/ aus loͤblichem trieb/ den beruff vor goͤttlich angenommen/ ſeiter
dem aber auch in mehrerem ſegen ſo zu reden das goͤttliche ſiegel darauff
getruckt bekommen hat/ rechnete ich mirs vor ſuͤnde/ die folge in ſol-
chem/ worinnen mich GOTT geruͤhret/ mich wiederum reuen zu laſſen/
da ich vielmehr glaube/ darinnen GOTT wohl gefallen zu haben; deſ-
ſen wohlgefallen daran ich alſo je nicht auffs neue wiederum verſcher-
tzen wollte. Hievon ſolte mich/ was auch geſchehe/ oder mir vorge-
ſagt wuͤrde/ vermittelſt goͤttlicher gnade durchaus nichts abwendig ma-
chen. Wie dann verſichern kan/ ob wohl unterſchiedliches mir zeit
meines hie ſeyns begegnet/ daraus ſich ein und ander ſolten haben be-
wegen laſſen/ zu wuͤnſchen/ lieber in Franckfurt geblieben zu ſeyn/ daß
dennoch der HERR mich noch bewahret/ daß wie ſchwehr mich auch an-
gekommen/ von jenem lieben ort abzugehen/ gleichwohl noch niemahl ge-
wuͤnſchet/ dem beruff nicht gefolgt zu haben: hoffe auch/ was der HErr
auch noch ferner uͤber mich verhaͤngen wolte/ daß es dazu nicht kommen
ſolle/ nachdem ich einmahl mit kraͤfftiger uͤberzeugung des goͤttlichen raths
in demſelbẽ verſichert worden bin. Hingegen halte gewiß/ daß obs auch eine
weil ausgeblieben iſt/ der groſſe GOTT auff ihm beliebige art zeigen
werde/ wie ihm jene folge angenehm geweſen ſeye/ wo wir nur in ferner
gedult und gelaſſenheit unſre hand ihm laſſen zu ſeiner eignen fuͤhrung.
Was die beſchwehrde der einſamkeit oder mangel der angenehmen geſell-
ſchafft anlanget/ iſts wohl das jenige/ das mir am meiſten anliget/ und am
ſchwehrſten zu rathen weiß/ in dem etwa die beſchaffenheit des gemuͤths
denſelben mehr zu freundlichem umgang mit andern treibet/ wo freylich viel
ſaurer wird/ faſt ſtaͤts deſſen entrathen ſollen/ wozu man natuͤrlich ge-
neigt iſt; ſo gewiß eine ziemlich ſtarcke verleugnug erfordert. Bey mir

zwahr
Ji ii 3
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[621/0637] ARTIC. III. SECTIO VI. wendet werde/ ſo mehr zu dem innerlichen gehoͤret: und wolte ich mir/ wo ich mich einer traͤgheit beſorgte/ eine gewiſſe zeit ſetzen/ die ich zu jeg- kicher predigt widmen/ und ohne wichtige hindernuͤß nichts davon zuruͤck laſſen wolte/ daß ich auffs wenigſte meine andacht uͤber ſolche materie anſtellte. Nechſt dem wuͤnſche auch/ daß ſo viel muͤglich den jenigen gedancken widerſtanden werde/ welche bey demſelben ein mißvergnuͤgen uͤber die annehmung jetzigen beruffs erweckten oder ſtaͤrckten. Jch halte mich verſichert/ daß der beruff goͤttlich ſeye/ und ob einiges menſchliches von gewiſſen ſeiten moͤchte unterlauffen ſeyn/ daran ich weder damal ge- zweiffelt/ noch jetzo zweiffle/ ſo iſt mir doch der erfolgte eventus gewiß goͤttlich; und nachdem derſelbe nicht aus fleiſchlichen urſachen/ ſondern vielmehr wider das jenige/ was fleiſch und blut an die hand gegeben hat/ aus loͤblichem trieb/ den beruff vor goͤttlich angenommen/ ſeiter dem aber auch in mehrerem ſegen ſo zu reden das goͤttliche ſiegel darauff getruckt bekommen hat/ rechnete ich mirs vor ſuͤnde/ die folge in ſol- chem/ worinnen mich GOTT geruͤhret/ mich wiederum reuen zu laſſen/ da ich vielmehr glaube/ darinnen GOTT wohl gefallen zu haben; deſ- ſen wohlgefallen daran ich alſo je nicht auffs neue wiederum verſcher- tzen wollte. Hievon ſolte mich/ was auch geſchehe/ oder mir vorge- ſagt wuͤrde/ vermittelſt goͤttlicher gnade durchaus nichts abwendig ma- chen. Wie dann verſichern kan/ ob wohl unterſchiedliches mir zeit meines hie ſeyns begegnet/ daraus ſich ein und ander ſolten haben be- wegen laſſen/ zu wuͤnſchen/ lieber in Franckfurt geblieben zu ſeyn/ daß dennoch der HERR mich noch bewahret/ daß wie ſchwehr mich auch an- gekommen/ von jenem lieben ort abzugehen/ gleichwohl noch niemahl ge- wuͤnſchet/ dem beruff nicht gefolgt zu haben: hoffe auch/ was der HErr auch noch ferner uͤber mich verhaͤngen wolte/ daß es dazu nicht kommen ſolle/ nachdem ich einmahl mit kraͤfftiger uͤberzeugung des goͤttlichen raths in demſelbẽ verſichert worden bin. Hingegen halte gewiß/ daß obs auch eine weil ausgeblieben iſt/ der groſſe GOTT auff ihm beliebige art zeigen werde/ wie ihm jene folge angenehm geweſen ſeye/ wo wir nur in ferner gedult und gelaſſenheit unſre hand ihm laſſen zu ſeiner eignen fuͤhrung. Was die beſchwehrde der einſamkeit oder mangel der angenehmen geſell- ſchafft anlanget/ iſts wohl das jenige/ das mir am meiſten anliget/ und am ſchwehrſten zu rathen weiß/ in dem etwa die beſchaffenheit des gemuͤths denſelben mehr zu freundlichem umgang mit andern treibet/ wo freylich viel ſaurer wird/ faſt ſtaͤts deſſen entrathen ſollen/ wozu man natuͤrlich ge- neigt iſt; ſo gewiß eine ziemlich ſtarcke verleugnug erfordert. Bey mir zwahr Ji ii 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 621. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/637>, abgerufen am 26.04.2024.