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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
worffen ist/ und uns wiederum jetzo vorstehen mag/ hertzlich angenehm seyn/
hingegen solche von dem HErrn HErrn gegönnete mehrere einsamkeit und
stille zu dem geistlichen wachsthum fleißig angewendet werden. Dann wie
das heilige wort GOttes das einige wahre mittel der heiligung unsrer seelen
ist/ so will zu dessen recht fruchtbarer und durchtringender wirckung fast erfor-
dert werden/ daß man in eine mehrere stille des gemüths komme/ als gemei-
niglich das leben derjenigen/ welche auch wider ihren willen unterschiedli-
chem dienst der eitelkeit unterworffen sind/ die das hertz nicht anders als ver-
unruhigen kan/ zugibet. Stehet man dann in einer solchen stille/ so sihet man
je mehr und mehr in dem liecht des göttlichen worts/ das in uns daraus strah-
lende liecht/ und kan aus dem wort des lebens an dem innern menschen und in
dem leben des Geistes treflich gestärcket werden und wachsen. Wie hingegen
eine seele/ die durch die eusserliche zerstreuungen sonderlich allerley welt-eitel-
keit zu einer stille zu kommen nicht vermag/ zu dergleichen sich wenig geschickt
befindet/ denn obwol das göttliche wort allezeit seine krafft hat/ und ein feuer
ist/ so die hertzen entzündet/ so kan es doch ein solches unruhiges hertz so wenig
entzünden/ als ein feuer das holtz/ so man nur dann und wann an dasselbe hält/
aber gleich wieder wegthut/ oder um das feuer damit herum fähret/ dahin-
gegen einige zeit erfordert würde/ da das holtz stille gehalten/ von dessen krafft
ergriffen werden könte. Jch trage auch das gute vertrauen/ daß meine wer-
theste in dem HErrn so wol diese gelegenheit eines solchen guten sorgfältig
wahrgenommen haben/ und noch ferner wahrnehmen/ als auch in der that
den nutzen davon etwas empfunden haben/ und noch ferner durch GOttes
wirckung empfinden werde: darum ich auch des himmlischen Vaters güte
hertzlich anzuflehen nicht vergessen solle/ welche sie allezeit durch dessen Geist
weißlich führen wolle/ daß sie von den ärgernüssen in der welt befreyet in kind-
lichem gehorsam seiner gebote stäts erfunden/ auch anderen selbs zu einem
lob- und folg-würdigen exempel werde. Nun er/ der GOtt des friedens/
heilige sie durch und durch/ und ihr geist gantz/ samt der seele und leib müsse
behalten werden unsträflich auff die zukunfft unsers HErrn JEsu Christi.
Getreu ist der/ der sie ruffet/ welcher wirds auch thun. 1690.

SECTIO X.
Hertzens-angst. Verlangen nach stillem leben.

ES erfreuet mich nicht wenig aus ihrem schreiben zu ersehen/ den
zustand ihrer seelen/ daß ob zwahr sie über hertzens-angst und dero fort-
währung zu klagen noch ursach findet/ dieselbe doch ihrem Gott gelassen
still halten will/ und so viel angelegenlicher zu dem GOtt ihrer hülffe seuff-
tzet. Hiemit lasset uns fortfahren/ so werden wir gewißlich in der krafft des

HEr-

Das dritte Capitel.
worffen iſt/ und uns wiederum jetzo vorſtehen mag/ hertzlich angenehm ſeyn/
hingegen ſolche von dem HErrn HErrn gegoͤnnete mehrere einſamkeit und
ſtille zu dem geiſtlichen wachsthum fleißig angewendet werden. Dann wie
das heilige wort GOttes das einige wahre mittel der heiligung unſrer ſeelen
iſt/ ſo will zu deſſen recht fruchtbarer und durchtringender wirckung faſt erfor-
dert werden/ daß man in eine mehrere ſtille des gemuͤths komme/ als gemei-
niglich das leben derjenigen/ welche auch wider ihren willen unterſchiedli-
chem dienſt der eitelkeit unterworffen ſind/ die das hertz nicht anders als ver-
unruhigen kan/ zugibet. Stehet man dann in einer ſolchen ſtille/ ſo ſihet man
je mehr und mehr in dem liecht des goͤttlichen worts/ das in uns daraus ſtrah-
lende liecht/ und kan aus dem wort des lebens an dem innern menſchen und in
dem leben des Geiſtes treflich geſtaͤrcket werden und wachſen. Wie hingegen
eine ſeele/ die durch die euſſerliche zerſtreuungen ſonderlich allerley welt-eitel-
keit zu einer ſtille zu kommen nicht vermag/ zu dergleichen ſich wenig geſchickt
befindet/ denn obwol das goͤttliche wort allezeit ſeine krafft hat/ und ein feuer
iſt/ ſo die hertzen entzuͤndet/ ſo kan es doch ein ſolches unruhiges hertz ſo wenig
entzuͤnden/ als ein feuer das holtz/ ſo man nuꝛ dann und wann an daſſelbe haͤlt/
aber gleich wieder wegthut/ oder um das feuer damit herum faͤhret/ dahin-
gegen einige zeit erfordert wuͤrde/ da das holtz ſtille gehalten/ von deſſen krafft
ergriffen werden koͤnte. Jch trage auch das gute vertrauen/ daß meine wer-
theſte in dem HErrn ſo wol dieſe gelegenheit eines ſolchen guten ſorgfaͤltig
wahrgenommen haben/ und noch ferner wahrnehmen/ als auch in der that
den nutzen davon etwas empfunden haben/ und noch ferner durch GOttes
wirckung empfinden werde: darum ich auch des himmliſchen Vaters guͤte
hertzlich anzuflehen nicht vergeſſen ſolle/ welche ſie allezeit durch deſſen Geiſt
weißlich fuͤhren wolle/ daß ſie von den aͤrgernuͤſſen in der welt befreyet in kind-
lichem gehorſam ſeiner gebote ſtaͤts erfunden/ auch anderen ſelbs zu einem
lob- und folg-wuͤrdigen exempel werde. Nun er/ der GOtt des friedens/
heilige ſie durch und durch/ und ihr geiſt gantz/ ſamt der ſeele und leib muͤſſe
behalten werden unſtraͤflich auff die zukunfft unſers HErrn JEſu Chriſti.
Getreu iſt der/ der ſie ruffet/ welcher wirds auch thun. 1690.

SECTIO X.
Hertzens-angſt. Verlangen nach ſtillem leben.

ES erfreuet mich nicht wenig aus ihrem ſchreiben zu erſehen/ den
zuſtand ihrer ſeelen/ daß ob zwahr ſie uͤber hertzens-angſt und dero fort-
waͤhrung zu klagen noch urſach findet/ dieſelbe doch ihrem Gott gelaſſen
ſtill halten will/ und ſo viel angelegenlicher zu dem GOtt ihrer huͤlffe ſeuff-
tzet. Hiemit laſſet uns fortfahren/ ſo werden wir gewißlich in der krafft des

HEr-
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[422/0430] Das dritte Capitel. worffen iſt/ und uns wiederum jetzo vorſtehen mag/ hertzlich angenehm ſeyn/ hingegen ſolche von dem HErrn HErrn gegoͤnnete mehrere einſamkeit und ſtille zu dem geiſtlichen wachsthum fleißig angewendet werden. Dann wie das heilige wort GOttes das einige wahre mittel der heiligung unſrer ſeelen iſt/ ſo will zu deſſen recht fruchtbarer und durchtringender wirckung faſt erfor- dert werden/ daß man in eine mehrere ſtille des gemuͤths komme/ als gemei- niglich das leben derjenigen/ welche auch wider ihren willen unterſchiedli- chem dienſt der eitelkeit unterworffen ſind/ die das hertz nicht anders als ver- unruhigen kan/ zugibet. Stehet man dann in einer ſolchen ſtille/ ſo ſihet man je mehr und mehr in dem liecht des goͤttlichen worts/ das in uns daraus ſtrah- lende liecht/ und kan aus dem wort des lebens an dem innern menſchen und in dem leben des Geiſtes treflich geſtaͤrcket werden und wachſen. Wie hingegen eine ſeele/ die durch die euſſerliche zerſtreuungen ſonderlich allerley welt-eitel- keit zu einer ſtille zu kommen nicht vermag/ zu dergleichen ſich wenig geſchickt befindet/ denn obwol das goͤttliche wort allezeit ſeine krafft hat/ und ein feuer iſt/ ſo die hertzen entzuͤndet/ ſo kan es doch ein ſolches unruhiges hertz ſo wenig entzuͤnden/ als ein feuer das holtz/ ſo man nuꝛ dann und wann an daſſelbe haͤlt/ aber gleich wieder wegthut/ oder um das feuer damit herum faͤhret/ dahin- gegen einige zeit erfordert wuͤrde/ da das holtz ſtille gehalten/ von deſſen krafft ergriffen werden koͤnte. Jch trage auch das gute vertrauen/ daß meine wer- theſte in dem HErrn ſo wol dieſe gelegenheit eines ſolchen guten ſorgfaͤltig wahrgenommen haben/ und noch ferner wahrnehmen/ als auch in der that den nutzen davon etwas empfunden haben/ und noch ferner durch GOttes wirckung empfinden werde: darum ich auch des himmliſchen Vaters guͤte hertzlich anzuflehen nicht vergeſſen ſolle/ welche ſie allezeit durch deſſen Geiſt weißlich fuͤhren wolle/ daß ſie von den aͤrgernuͤſſen in der welt befreyet in kind- lichem gehorſam ſeiner gebote ſtaͤts erfunden/ auch anderen ſelbs zu einem lob- und folg-wuͤrdigen exempel werde. Nun er/ der GOtt des friedens/ heilige ſie durch und durch/ und ihr geiſt gantz/ ſamt der ſeele und leib muͤſſe behalten werden unſtraͤflich auff die zukunfft unſers HErrn JEſu Chriſti. Getreu iſt der/ der ſie ruffet/ welcher wirds auch thun. 1690. SECTIO X. Hertzens-angſt. Verlangen nach ſtillem leben. ES erfreuet mich nicht wenig aus ihrem ſchreiben zu erſehen/ den zuſtand ihrer ſeelen/ daß ob zwahr ſie uͤber hertzens-angſt und dero fort- waͤhrung zu klagen noch urſach findet/ dieſelbe doch ihrem Gott gelaſſen ſtill halten will/ und ſo viel angelegenlicher zu dem GOtt ihrer huͤlffe ſeuff- tzet. Hiemit laſſet uns fortfahren/ ſo werden wir gewißlich in der krafft des HEr-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/430>, abgerufen am 26.04.2024.