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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. IV. SECTIO XVII.
SECTIO XVII.
Von dem vorhaben eine mit rechts-sachen umge-
hende stelle mit einer andern lebens-art zu verwechseln.
Von der vereinigung der religionen.

DJe mir entdeckte gedancken und vorhaben E. Excellenz sich nach einer
solchen lebens-art umzusehen/ da neben den juridicis, darinnen sie
GOTT und dem nechsten noch zu ehren und nutzen das anvertraute
pfund anzuwenden sich nicht wegern/ die Theologica und sonderlich practi-
ca
das vornehmste und eigenliche ergon wären/ kan ich an sich selbs mir nicht
anders als gefallen lassen. Denn wie das geistliche und ewige wahrhafftig
der einige hauptzweck ist/ warum wir alle in dieser welt sind/ daher auch was
dahin ausgerichtet wird/ das vornehmste operae pretium unsers gantzen le-
bens bleibet/ so kan die begierde nicht unrecht seyn/ welche nach einer solchen
lebens-art sich strecket/ worinnen man mehr unmittelbar mit solchen dingen
umzugehen hat. Wie aber auch eben dieses eine der ersten haupt-regeln un-
sers Christenthums ist/ mit auffrichtigem hertzen allezeit den willen unsers
himmlischen Vaters zu lieben/ und wo wir denselben erkennen/ ihn unsern
auch bestgemeinten gedancken vorzuziehen/ vornemlich aber unsre gantze le-
bens-art insgemein/ an dero bestimmung nachmal alle übrige verrichtungen
hangen/ nicht so wol selbs wehlen/ als wohin uns göttlicher finger weise/
sorgfältig acht geben/ als versichert/ unserm GOtt gefallen keine werck mehr
und hertzlicher/ als diejenigen/ welche wir uns nicht so wol selbs vorgenom-
men/ als von seiner regierung auffgetragen bekommen haben/ und er nach sei-
ner weißheit verstehe besser/ wo/ wann und in was vor dingen das uns anver-
traute zu seiner ehr/ des nechsten nutzen und unserm eignenen heil/ am besten
angewendet werde (worinnen manchmal seine gedancken von den unsrigen
zimlich entfernet seyn können/ und also viel höher sind) also trage ich das gute
vertrauen/ daß solches E. Excellenz meinung seye/ nemlich bey sich selbs ei-
ne dergleichen lebens-art eben deßwegen/ weil die seele damit immer näher
mit göttlichen dingen umzugehen gelegenheit hätte/ zu lieben/ verlangen dar-
nach zu tragen/ solches verlangen auch nicht heimlich zu halten/ und nechst
hertzlichem gebet/ darinnen die gantze sache der väterlichen disposition Got-
tes lediglich zu überlassen ist/ auf göttlichen winck genaue acht zu geben/ nicht
aber sich eigenmächtig auff einigerley weise von gegenwärtigen banden selbs
loßzumachen. Denn wie eine person/ welche noch zu einer gewissen lebens-
art von GOTT nicht beruffen ist/ in deroselben wahl eine zimliche freyheit
hat/ zu dieser oder jener/ welche in vorschein kommen/ zu greiffen/ in dero er

sei-
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ARTIC. IV. SECTIO XVII.
SECTIO XVII.
Von dem vorhaben eine mit rechts-ſachen umge-
hende ſtelle mit einer andern lebens-art zu verwechſeln.
Von der vereinigung der religionen.

DJe mir entdeckte gedancken und vorhaben E. Excellenz ſich nach einer
ſolchen lebens-art umzuſehen/ da neben den juridicis, darinnen ſie
GOTT und dem nechſten noch zu ehren und nutzen das anvertraute
pfund anzuwenden ſich nicht wegern/ die Theologica und ſonderlich practi-
ca
das vornehmſte und eigenliche ἔργον waͤren/ kan ich an ſich ſelbs mir nicht
anders als gefallen laſſen. Denn wie das geiſtliche und ewige wahrhafftig
der einige hauptzweck iſt/ warum wir alle in dieſer welt ſind/ daher auch was
dahin ausgerichtet wird/ das vornehmſte operæ pretium unſers gantzen le-
bens bleibet/ ſo kan die begierde nicht unrecht ſeyn/ welche nach einer ſolchen
lebens-art ſich ſtrecket/ worinnen man mehr unmittelbar mit ſolchen dingen
umzugehen hat. Wie aber auch eben dieſes eine der erſten haupt-regeln un-
ſers Chriſtenthums iſt/ mit auffrichtigem hertzen allezeit den willen unſers
himmliſchen Vaters zu lieben/ und wo wir denſelben erkennen/ ihn unſern
auch beſtgemeinten gedancken vorzuziehen/ vornemlich aber unſre gantze le-
bens-art insgemein/ an dero beſtimmung nachmal alle uͤbrige verrichtungen
hangen/ nicht ſo wol ſelbs wehlen/ als wohin uns goͤttlicher finger weiſe/
ſorgfaͤltig acht geben/ als verſichert/ unſerm GOtt gefallen keine werck mehr
und hertzlicher/ als diejenigen/ welche wir uns nicht ſo wol ſelbs vorgenom-
men/ als von ſeiner regierung auffgetragen bekommen haben/ und er nach ſei-
ner weißheit verſtehe beſſer/ wo/ wann und in was vor dingen das uns anver-
traute zu ſeiner ehr/ des nechſten nutzen und unſerm eignenen heil/ am beſten
angewendet werde (worinnen manchmal ſeine gedancken von den unſrigen
zimlich entfernet ſeyn koͤnnen/ und alſo viel hoͤher ſind) alſo trage ich das gute
vertrauen/ daß ſolches E. Excellenz meinung ſeye/ nemlich bey ſich ſelbs ei-
ne dergleichen lebens-art eben deßwegen/ weil die ſeele damit immer naͤher
mit goͤttlichen dingen umzugehen gelegenheit haͤtte/ zu lieben/ verlangen dar-
nach zu tragen/ ſolches verlangen auch nicht heimlich zu halten/ und nechſt
hertzlichem gebet/ darinnen die gantze ſache der vaͤterlichen diſpoſition Got-
tes lediglich zu uͤberlaſſen iſt/ auf goͤttlichen winck genaue acht zu geben/ nicht
aber ſich eigenmaͤchtig auff einigerley weiſe von gegenwaͤrtigen banden ſelbs
loßzumachen. Denn wie eine perſon/ welche noch zu einer gewiſſen lebens-
art von GOTT nicht beruffen iſt/ in deroſelben wahl eine zimliche freyheit
hat/ zu dieſer oder jener/ welche in vorſchein kommen/ zu greiffen/ in dero er

ſei-
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[451/0459] ARTIC. IV. SECTIO XVII. SECTIO XVII. Von dem vorhaben eine mit rechts-ſachen umge- hende ſtelle mit einer andern lebens-art zu verwechſeln. Von der vereinigung der religionen. DJe mir entdeckte gedancken und vorhaben E. Excellenz ſich nach einer ſolchen lebens-art umzuſehen/ da neben den juridicis, darinnen ſie GOTT und dem nechſten noch zu ehren und nutzen das anvertraute pfund anzuwenden ſich nicht wegern/ die Theologica und ſonderlich practi- ca das vornehmſte und eigenliche ἔργον waͤren/ kan ich an ſich ſelbs mir nicht anders als gefallen laſſen. Denn wie das geiſtliche und ewige wahrhafftig der einige hauptzweck iſt/ warum wir alle in dieſer welt ſind/ daher auch was dahin ausgerichtet wird/ das vornehmſte operæ pretium unſers gantzen le- bens bleibet/ ſo kan die begierde nicht unrecht ſeyn/ welche nach einer ſolchen lebens-art ſich ſtrecket/ worinnen man mehr unmittelbar mit ſolchen dingen umzugehen hat. Wie aber auch eben dieſes eine der erſten haupt-regeln un- ſers Chriſtenthums iſt/ mit auffrichtigem hertzen allezeit den willen unſers himmliſchen Vaters zu lieben/ und wo wir denſelben erkennen/ ihn unſern auch beſtgemeinten gedancken vorzuziehen/ vornemlich aber unſre gantze le- bens-art insgemein/ an dero beſtimmung nachmal alle uͤbrige verrichtungen hangen/ nicht ſo wol ſelbs wehlen/ als wohin uns goͤttlicher finger weiſe/ ſorgfaͤltig acht geben/ als verſichert/ unſerm GOtt gefallen keine werck mehr und hertzlicher/ als diejenigen/ welche wir uns nicht ſo wol ſelbs vorgenom- men/ als von ſeiner regierung auffgetragen bekommen haben/ und er nach ſei- ner weißheit verſtehe beſſer/ wo/ wann und in was vor dingen das uns anver- traute zu ſeiner ehr/ des nechſten nutzen und unſerm eignenen heil/ am beſten angewendet werde (worinnen manchmal ſeine gedancken von den unſrigen zimlich entfernet ſeyn koͤnnen/ und alſo viel hoͤher ſind) alſo trage ich das gute vertrauen/ daß ſolches E. Excellenz meinung ſeye/ nemlich bey ſich ſelbs ei- ne dergleichen lebens-art eben deßwegen/ weil die ſeele damit immer naͤher mit goͤttlichen dingen umzugehen gelegenheit haͤtte/ zu lieben/ verlangen dar- nach zu tragen/ ſolches verlangen auch nicht heimlich zu halten/ und nechſt hertzlichem gebet/ darinnen die gantze ſache der vaͤterlichen diſpoſition Got- tes lediglich zu uͤberlaſſen iſt/ auf goͤttlichen winck genaue acht zu geben/ nicht aber ſich eigenmaͤchtig auff einigerley weiſe von gegenwaͤrtigen banden ſelbs loßzumachen. Denn wie eine perſon/ welche noch zu einer gewiſſen lebens- art von GOTT nicht beruffen iſt/ in deroſelben wahl eine zimliche freyheit hat/ zu dieſer oder jener/ welche in vorſchein kommen/ zu greiffen/ in dero er ſei- L l l 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/459>, abgerufen am 27.04.2024.