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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. I. SECTIO XI.
scheids der beiden Testamenter. Jn dem A. T. wo alles mehr eusserlich war/
gehörte die unterlassung des eusserlichen und der arbeit/ mehr an sich selbs zu
dem gebot: nachdem aber die art des gottesdiensts in dem N. T. mehr in
dem innerlichen bestehet; so ist unsre heiligung des sabbaths vornemlich zu
suchen in der innerlichen ruhe der seelen/ und daß man dieselbe zu göttlichen
wirckungen überlasse/ dazu die eusserliche ruhe nicht anders gehöret/ als weil
sie ein mittel ist jener innerlichen ruhe/ die sonsten durch eusserliche arbeit
auch verstöhret würde.

3. Daher nach art des N. T. ists der heiligung des sabbaths vielmehr
zuwider/ wo man die abend-stunden mit eiteler welt-freude/ balleten/ täntzen/
schlitten-fahren und dergleichen zubringet/ als wo man an seine beruffs-ge-
schäffte auch wohl in schwehrer arbeit gienge/ daher die sünde auch schwehrer
ist. Dann bey der leiblichen arbeit wäre noch eher müglich/ diejenige gedan-
cken fest zu setzen/ darinnen ich in GOtt ruhete/ und er in mir wirckete/ als bey
dergleichen weltlicher lust nicht geschehen kan. Ja ich sorge/ die paar stun-
den solcher fleischlichen ergötzlichkeit setzen die seele mehr aus ihrer ruhe in
GOTT/ als ob man den gantzen tag mit arbeit zugebracht/ und dabey noch
an GOTTES wort unter derselben gedacht hätte: und können also das klei-
ne füncklein/ welches etwa durch das wort des HERREN frühe wäre an-
gezündet worden/ allerdings auff einmal auslöschen. Daher bey mir Au-
gustini
regel gilt/ es seye sontags besser ackern als tantzen/ und also auch
andern weltlichen ergötzungen anhangen. Jch halte aber dafür/ eine seele/
welche einmal erfahren/ worinnen die frucht der sontags-feyer bestehe/ und
also die krafft des göttlichen worts/ wo man recht damit umgehet/ geschmä-
cket hat/ wird selbs leicht hievon urtheilen/ und bedarff nicht weitläufftig da-
von überzeuget zu werden.

SECTIO XII.
Von holtz-fuhren an dem sontag.

EHe auff die vorgelegte frage/ wegen verstattung der holtz-fuhren auff
den sontag/ mit grund antworten kan/ ist nöthig/ zum allerfordersten
die gantze materie von der heiligung des sabbaths etwas einzusehen.

1. Finde ich derjenigen meinung nicht gnug gegründet zu seyn/ welche
aus Rom. 14/ 5. Gal. 4/ 10. Col. 2/ 16. behaupten wollen/ daß in dem
N. T. nun gar kein sonderbahrer sabbath mehr geboten seye/ sondern nach
Jes. 66/ 23. ein sabbath nach dem andern gehalten/ oder vielmehr alle ta-
ge bey den Christen zu sabbathern oder heiligen ruhe-tagen gemacht werden

sol-

ARTIC. I. SECTIO XI.
ſcheids der beiden Teſtamenter. Jn dem A. T. wo alles mehr euſſerlich war/
gehoͤrte die unterlaſſung des euſſerlichen und der arbeit/ mehr an ſich ſelbs zu
dem gebot: nachdem aber die art des gottesdienſts in dem N. T. mehr in
dem innerlichen beſtehet; ſo iſt unſre heiligung des ſabbaths vornemlich zu
ſuchen in der innerlichen ruhe der ſeelen/ und daß man dieſelbe zu goͤttlichen
wirckungen uͤberlaſſe/ dazu die euſſerliche ruhe nicht anders gehoͤret/ als weil
ſie ein mittel iſt jener innerlichen ruhe/ die ſonſten durch euſſerliche arbeit
auch verſtoͤhret wuͤrde.

3. Daher nach art des N. T. iſts der heiligung des ſabbaths vielmehr
zuwider/ wo man die abend-ſtunden mit eiteler welt-freude/ balleten/ taͤntzen/
ſchlitten-fahren und dergleichen zubringet/ als wo man an ſeine beruffs-ge-
ſchaͤffte auch wohl in ſchwehrer arbeit gienge/ daher die ſuͤnde auch ſchwehrer
iſt. Dann bey der leiblichen arbeit waͤre noch eher muͤglich/ diejenige gedan-
cken feſt zu ſetzen/ darinnen ich in GOtt ruhete/ und er in mir wirckete/ als bey
dergleichen weltlicher luſt nicht geſchehen kan. Ja ich ſorge/ die paar ſtun-
den ſolcher fleiſchlichen ergoͤtzlichkeit ſetzen die ſeele mehr aus ihrer ruhe in
GOTT/ als ob man den gantzen tag mit arbeit zugebracht/ und dabey noch
an GOTTES wort unter derſelben gedacht haͤtte: und koͤnnen alſo das klei-
ne fuͤncklein/ welches etwa durch das wort des HERREN fruͤhe waͤre an-
gezuͤndet worden/ allerdings auff einmal ausloͤſchen. Daher bey mir Au-
guſtini
regel gilt/ es ſeye ſontags beſſer ackern als tantzen/ und alſo auch
andern weltlichen ergoͤtzungen anhangen. Jch halte aber dafuͤr/ eine ſeele/
welche einmal erfahren/ worinnen die frucht der ſontags-feyer beſtehe/ und
alſo die krafft des goͤttlichen worts/ wo man recht damit umgehet/ geſchmaͤ-
cket hat/ wird ſelbs leicht hievon urtheilen/ und bedarff nicht weitlaͤufftig da-
von uͤberzeuget zu werden.

SECTIO XII.
Von holtz-fuhren an dem ſontag.

EHe auff die vorgelegte frage/ wegen verſtattung der holtz-fuhren auff
den ſontag/ mit grund antworten kan/ iſt noͤthig/ zum allerforderſten
die gantze materie von der heiligung des ſabbaths etwas einzuſehen.

1. Finde ich derjenigen meinung nicht gnug gegruͤndet zu ſeyn/ welche
aus Rom. 14/ 5. Gal. 4/ 10. Col. 2/ 16. behaupten wollen/ daß in dem
N. T. nun gar kein ſonderbahrer ſabbath mehr geboten ſeye/ ſondern nach
Jeſ. 66/ 23. ein ſabbath nach dem andern gehalten/ oder vielmehr alle ta-
ge bey den Chriſten zu ſabbathern oder heiligen ruhe-tagen gemacht werden

ſol-
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[39/0047] ARTIC. I. SECTIO XI. ſcheids der beiden Teſtamenter. Jn dem A. T. wo alles mehr euſſerlich war/ gehoͤrte die unterlaſſung des euſſerlichen und der arbeit/ mehr an ſich ſelbs zu dem gebot: nachdem aber die art des gottesdienſts in dem N. T. mehr in dem innerlichen beſtehet; ſo iſt unſre heiligung des ſabbaths vornemlich zu ſuchen in der innerlichen ruhe der ſeelen/ und daß man dieſelbe zu goͤttlichen wirckungen uͤberlaſſe/ dazu die euſſerliche ruhe nicht anders gehoͤret/ als weil ſie ein mittel iſt jener innerlichen ruhe/ die ſonſten durch euſſerliche arbeit auch verſtoͤhret wuͤrde. 3. Daher nach art des N. T. iſts der heiligung des ſabbaths vielmehr zuwider/ wo man die abend-ſtunden mit eiteler welt-freude/ balleten/ taͤntzen/ ſchlitten-fahren und dergleichen zubringet/ als wo man an ſeine beruffs-ge- ſchaͤffte auch wohl in ſchwehrer arbeit gienge/ daher die ſuͤnde auch ſchwehrer iſt. Dann bey der leiblichen arbeit waͤre noch eher muͤglich/ diejenige gedan- cken feſt zu ſetzen/ darinnen ich in GOtt ruhete/ und er in mir wirckete/ als bey dergleichen weltlicher luſt nicht geſchehen kan. Ja ich ſorge/ die paar ſtun- den ſolcher fleiſchlichen ergoͤtzlichkeit ſetzen die ſeele mehr aus ihrer ruhe in GOTT/ als ob man den gantzen tag mit arbeit zugebracht/ und dabey noch an GOTTES wort unter derſelben gedacht haͤtte: und koͤnnen alſo das klei- ne fuͤncklein/ welches etwa durch das wort des HERREN fruͤhe waͤre an- gezuͤndet worden/ allerdings auff einmal ausloͤſchen. Daher bey mir Au- guſtini regel gilt/ es ſeye ſontags beſſer ackern als tantzen/ und alſo auch andern weltlichen ergoͤtzungen anhangen. Jch halte aber dafuͤr/ eine ſeele/ welche einmal erfahren/ worinnen die frucht der ſontags-feyer beſtehe/ und alſo die krafft des goͤttlichen worts/ wo man recht damit umgehet/ geſchmaͤ- cket hat/ wird ſelbs leicht hievon urtheilen/ und bedarff nicht weitlaͤufftig da- von uͤberzeuget zu werden. SECTIO XII. Von holtz-fuhren an dem ſontag. EHe auff die vorgelegte frage/ wegen verſtattung der holtz-fuhren auff den ſontag/ mit grund antworten kan/ iſt noͤthig/ zum allerforderſten die gantze materie von der heiligung des ſabbaths etwas einzuſehen. 1. Finde ich derjenigen meinung nicht gnug gegruͤndet zu ſeyn/ welche aus Rom. 14/ 5. Gal. 4/ 10. Col. 2/ 16. behaupten wollen/ daß in dem N. T. nun gar kein ſonderbahrer ſabbath mehr geboten ſeye/ ſondern nach Jeſ. 66/ 23. ein ſabbath nach dem andern gehalten/ oder vielmehr alle ta- ge bey den Chriſten zu ſabbathern oder heiligen ruhe-tagen gemacht werden ſol-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/47>, abgerufen am 26.04.2024.