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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. II. SECTIO XVI.
gnaden und des gebets/ der in kindlicher einfalt in ihrem hertzen ruffe/ Abba
lieber Vater/ der sie selbs/ weil wir nicht bitten können/ wie wir solten/ vertre-
te mit unaussprechlichen seuffzen: Der allezeit so viel feuer der andacht in
ihrem hertzen entzünde/ als zu dem erforderenden opffer ihrer hertzen und lip-
pen nöthig ist: Der ihro in den sinn und mund gebe die gedancken und worte/
die zu verherrlichung seines nahmens und vortragung ihrer angelegenheiten
nöthig sind/ der sie auch in ihrer seelen versichere der erhörung ihrer seuffzer/
und also in denselben auf göttliche art antworte/ biß jedesmal zu der zeit/ da
er selbs findet nützlich zu seyn/ der eusserliche erfolg des gebetenen sie der vori-
gen erhörung auffs neue vergewissere. Er stehe ihro auch bey mit trost in
der anfechtung der ermanglenden andacht/ und lehre sie auf die würdigkeit
der theuersten fürbitte Christi sehen/ wo sie ihres eigenen gebets unwürdig-
keit schrecket. Er setze endlich auch zu dieser gabe alles andere/ wodurch de-
roselben zeitlich und ewig nach seinem weisesten willen wol seyn mag/ um JE-
su Christi willen. Amen. 1677.

SECTIO XVI.
Trost an eine standes-person/ die sorgte/ ihre ge-
müths-kräfften würden geschwächt/ und sie zum geist-
lichen untüchtig werden. 2. Cor. 4/ 16.

AUs deroselben letzterm ersehe mit christlichem mitleiden/ daß dieselbe
noch von ihrem himmlischen Vater in einer fast strengen gedult-schu-
len gehalten werde/ indessen aber daß es gleichwol/ so ich aus allem da-
bey erkenne/ an dessen nothwendigem trost und krafft auch nicht ermangle.
Daher es meines trostes und zuspruches nicht nöthig ist/ aber ich dabey ver-
sichere/ daß dero werthen nahmens und besondern anligens vor dem HErrn
zu gedencken unvergessen bin/ und da ichs in nichts anders zu thun vermag/
auffs wenigste mit solchem gebet meine christliche schuldigkeit zu beobachten
nie unterlassen werde. Wenn sie im übrigen sonderlich sich darinnen be-
schwehret befindet/ daß die anhaltende schmertzliche leibes-zustände das ge-
müth und dessen kräfften auch sehr angreiffen wollen/ darüber sie zu dero be-
ruffs-geschäfften/ auch etwas geistliches zu fassen/ sich schwächer fühle/ versi-
chere ich mich/ daß dieselbe solches so wenig als alles übrige/ was sie von der
hand ihres Vaters empfunden/ anders als vor liebes-schläge und heilsame
heimsuchungen zu erkennen ursach habe/ und der HErr sie auch in dem liecht
seines heiligen Geistes solches immer tieffer einsehen und erkennen lassen
werde. Es gehören auch die kräfften unsers gemüths und der innern sinnen

dan-
E e e e e

ARTIC. II. SECTIO XVI.
gnaden und des gebets/ der in kindlicher einfalt in ihrem hertzen ruffe/ Abba
lieber Vater/ der ſie ſelbs/ weil wir nicht bitten koͤnnen/ wie wir ſolten/ vertre-
te mit unausſprechlichen ſeuffzen: Der allezeit ſo viel feuer der andacht in
ihrem hertzen entzuͤnde/ als zu dem erforderenden opffer ihrer hertzen und lip-
pen noͤthig iſt: Der ihro in den ſinn und mund gebe die gedancken und worte/
die zu verherrlichung ſeines nahmens und vortragung ihrer angelegenheiten
noͤthig ſind/ der ſie auch in ihrer ſeelen verſichere der erhoͤrung ihrer ſeuffzer/
und alſo in denſelben auf goͤttliche art antworte/ biß jedesmal zu der zeit/ da
er ſelbs findet nuͤtzlich zu ſeyn/ der euſſerliche erfolg des gebetenen ſie der vori-
gen erhoͤrung auffs neue vergewiſſere. Er ſtehe ihro auch bey mit troſt in
der anfechtung der ermanglenden andacht/ und lehre ſie auf die wuͤrdigkeit
der theuerſten fuͤrbitte Chriſti ſehen/ wo ſie ihres eigenen gebets unwuͤrdig-
keit ſchrecket. Er ſetze endlich auch zu dieſer gabe alles andere/ wodurch de-
roſelben zeitlich und ewig nach ſeinem weiſeſten willen wol ſeyn mag/ um JE-
ſu Chriſti willen. Amen. 1677.

SECTIO XVI.
Troſt an eine ſtandes-perſon/ die ſorgte/ ihre ge-
muͤths-kraͤfften wuͤrden geſchwaͤcht/ und ſie zum geiſt-
lichen untuͤchtig werden. 2. Cor. 4/ 16.

AUs deroſelben letzterm erſehe mit chriſtlichem mitleiden/ daß dieſelbe
noch von ihrem himmliſchen Vater in einer faſt ſtrengen gedult-ſchu-
len gehalten werde/ indeſſen aber daß es gleichwol/ ſo ich aus allem da-
bey erkenne/ an deſſen nothwendigem troſt und krafft auch nicht ermangle.
Daher es meines troſtes und zuſpruches nicht noͤthig iſt/ aber ich dabey ver-
ſichere/ daß dero werthen nahmens und beſondern anligens vor dem HErrn
zu gedencken unvergeſſen bin/ und da ichs in nichts anders zu thun vermag/
auffs wenigſte mit ſolchem gebet meine chriſtliche ſchuldigkeit zu beobachten
nie unterlaſſen werde. Wenn ſie im uͤbrigen ſonderlich ſich darinnen be-
ſchwehret befindet/ daß die anhaltende ſchmertzliche leibes-zuſtaͤnde das ge-
muͤth und deſſen kraͤfften auch ſehr angreiffen wollen/ daruͤber ſie zu dero be-
ruffs-geſchaͤfften/ auch etwas geiſtliches zu faſſen/ ſich ſchwaͤcher fuͤhle/ verſi-
chere ich mich/ daß dieſelbe ſolches ſo wenig als alles uͤbrige/ was ſie von der
hand ihres Vaters empfunden/ anders als vor liebes-ſchlaͤge und heilſame
heimſuchungen zu erkennen urſach habe/ und der HErr ſie auch in dem liecht
ſeines heiligen Geiſtes ſolches immer tieffer einſehen und erkennen laſſen
werde. Es gehoͤren auch die kraͤfften unſers gemuͤths und der innern ſinnen

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[769/0777] ARTIC. II. SECTIO XVI. gnaden und des gebets/ der in kindlicher einfalt in ihrem hertzen ruffe/ Abba lieber Vater/ der ſie ſelbs/ weil wir nicht bitten koͤnnen/ wie wir ſolten/ vertre- te mit unausſprechlichen ſeuffzen: Der allezeit ſo viel feuer der andacht in ihrem hertzen entzuͤnde/ als zu dem erforderenden opffer ihrer hertzen und lip- pen noͤthig iſt: Der ihro in den ſinn und mund gebe die gedancken und worte/ die zu verherrlichung ſeines nahmens und vortragung ihrer angelegenheiten noͤthig ſind/ der ſie auch in ihrer ſeelen verſichere der erhoͤrung ihrer ſeuffzer/ und alſo in denſelben auf goͤttliche art antworte/ biß jedesmal zu der zeit/ da er ſelbs findet nuͤtzlich zu ſeyn/ der euſſerliche erfolg des gebetenen ſie der vori- gen erhoͤrung auffs neue vergewiſſere. Er ſtehe ihro auch bey mit troſt in der anfechtung der ermanglenden andacht/ und lehre ſie auf die wuͤrdigkeit der theuerſten fuͤrbitte Chriſti ſehen/ wo ſie ihres eigenen gebets unwuͤrdig- keit ſchrecket. Er ſetze endlich auch zu dieſer gabe alles andere/ wodurch de- roſelben zeitlich und ewig nach ſeinem weiſeſten willen wol ſeyn mag/ um JE- ſu Chriſti willen. Amen. 1677. SECTIO XVI. Troſt an eine ſtandes-perſon/ die ſorgte/ ihre ge- muͤths-kraͤfften wuͤrden geſchwaͤcht/ und ſie zum geiſt- lichen untuͤchtig werden. 2. Cor. 4/ 16. AUs deroſelben letzterm erſehe mit chriſtlichem mitleiden/ daß dieſelbe noch von ihrem himmliſchen Vater in einer faſt ſtrengen gedult-ſchu- len gehalten werde/ indeſſen aber daß es gleichwol/ ſo ich aus allem da- bey erkenne/ an deſſen nothwendigem troſt und krafft auch nicht ermangle. Daher es meines troſtes und zuſpruches nicht noͤthig iſt/ aber ich dabey ver- ſichere/ daß dero werthen nahmens und beſondern anligens vor dem HErrn zu gedencken unvergeſſen bin/ und da ichs in nichts anders zu thun vermag/ auffs wenigſte mit ſolchem gebet meine chriſtliche ſchuldigkeit zu beobachten nie unterlaſſen werde. Wenn ſie im uͤbrigen ſonderlich ſich darinnen be- ſchwehret befindet/ daß die anhaltende ſchmertzliche leibes-zuſtaͤnde das ge- muͤth und deſſen kraͤfften auch ſehr angreiffen wollen/ daruͤber ſie zu dero be- ruffs-geſchaͤfften/ auch etwas geiſtliches zu faſſen/ ſich ſchwaͤcher fuͤhle/ verſi- chere ich mich/ daß dieſelbe ſolches ſo wenig als alles uͤbrige/ was ſie von der hand ihres Vaters empfunden/ anders als vor liebes-ſchlaͤge und heilſame heimſuchungen zu erkennen urſach habe/ und der HErr ſie auch in dem liecht ſeines heiligen Geiſtes ſolches immer tieffer einſehen und erkennen laſſen werde. Es gehoͤren auch die kraͤfften unſers gemuͤths und der innern ſinnen dan- E e e e e

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 769. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/777>, abgerufen am 26.04.2024.