Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

Bild:
<< vorherige Seite

ARTIC. II. SECTIO XXVI.
ja abgrund/ hinzuwerffen/ weil sie nicht könne jemand verlassen/ so nicht von
ihr wegfliehe/ sondern auffrichtig allein nach ihrem genuß verlange. 6. zu
glauben/ er stehe in einer gemeinschafft vieler tausend brüder und schwestern/
welche in gleichem leiden stecken/ für die er nicht weniger inbrünstig als für
seine eigene noth zu beten hat/ damit hinwieder ihr seuffzen auch für ihn/ da
er an deroselben communion seine liebes-pflicht selbs wahrnimmt/ desto
kräfftiger gehen und gültig seyn mögen. 7. endlich sich so viel fleißiger vor
aller verletzung des gewissens zu hüten/ als gefährlicher dieselbe in solchem
stande seynd/ hingegen der entweder verlangten empfindlichen gnade annoch
allhier/ oder der endlichen erlösung und versetzung in das schauen/ mit williger
gedult zu erwarten. Der HErr wircke es in ihm und uns allen zu ritterli-
cher überwindung und seinem ewigen preiß. 1682.

SECTIO XXVI.
Trost der angefochtenen/ daß sie ohnerachtet ihres
kampffs mit dem unglauben/ dennoch glaubig
seyen.

DEn verlegten locum Mucschelii betreffend/ vermag ich darauf nicht
gründlich zu antworten/ weil das buch nicht bey handen habe/ und also
die antecedentia und consequentia, den rechten verstand zu fassen/ mit
conferiren kan. Gleichwol erinnere mich nicht/ als solches scriptum gelesen/
daß ich etwas darinnen wider die wahrheit gefunden oder bemercket hätte:
Hoffe also/ wo die sache recht erwogen wird/ werde auch solche stelle mit der
wahrheit übereinkommen. Jndessen will von der materie selbs etwas ge-
dencken. So ist nun der glaube freylich unser sieg/ damit wir die welt/ und
auch dero fürsten den teuffel mit seinen feurigen pfeilen/ überwinden. Da-
her einem angefochtenen daran das meiste gelegen/ daß er seines glaubens
versichert seye. Aber da ist mit grosser sorgfalt zu verfahren/ daß wir wissen/
woraus wir den wahren glauben in der anfechtung prüffen sollen. Zwahr
ausser derselben so ist das empfindliche zeugnüß des heiligen Geistes/ welcher
unserem geist bezeuget/ daß wir GOttes kinder sind/ und das fühlen der hertz-
lichen und beständigen zuversicht ein kantliches kennzeichen/ dabey der
mensch/ neben den übrigen von den früchten hernehmenden zeugnüssen/ sich in
seiner seele des beywohnenden glaubens versichert. Aber es kommt zuwei-
len bey gottseligen hertzen in den stand/ davon der geistreiche Arnd W. Chri-
stenth. 2/ 52. redet/ und ich würcklich jetzt eine gottselige person in derselben
übung und kampff weiß: Daß der mensch in der noth so tieffin den un-
glauben gestürtzet wird/ daß er seines glaubens nicht kan gewiß wer-

den.
L l l l l

ARTIC. II. SECTIO XXVI.
ja abgrund/ hinzuwerffen/ weil ſie nicht koͤnne jemand verlaſſen/ ſo nicht von
ihr wegfliehe/ ſondern auffrichtig allein nach ihrem genuß verlange. 6. zu
glauben/ er ſtehe in einer gemeinſchafft vieler tauſend bruͤder und ſchweſtern/
welche in gleichem leiden ſtecken/ fuͤr die er nicht weniger inbruͤnſtig als fuͤr
ſeine eigene noth zu beten hat/ damit hinwieder ihr ſeuffzen auch fuͤr ihn/ da
er an deroſelben communion ſeine liebes-pflicht ſelbs wahrnimmt/ deſto
kraͤfftiger gehen und guͤltig ſeyn moͤgen. 7. endlich ſich ſo viel fleißiger vor
aller verletzung des gewiſſens zu huͤten/ als gefaͤhrlicher dieſelbe in ſolchem
ſtande ſeynd/ hingegen der entweder verlangten empfindlichen gnade annoch
allhier/ oder der endlichen erloͤſung und verſetzung in das ſchauen/ mit williger
gedult zu erwarten. Der HErr wircke es in ihm und uns allen zu ritterli-
cher uͤberwindung und ſeinem ewigen preiß. 1682.

SECTIO XXVI.
Troſt der angefochtenen/ daß ſie ohnerachtet ihres
kampffs mit dem unglauben/ dennoch glaubig
ſeyen.

DEn verlegten locum Mucſchelii betreffend/ vermag ich darauf nicht
gruͤndlich zu antworten/ weil das buch nicht bey handen habe/ und alſo
die antecedentia und conſequentia, den rechten verſtand zu faſſen/ mit
conferiren kan. Gleichwol erinnere mich nicht/ als ſolches ſcriptum geleſen/
daß ich etwas darinnen wider die wahrheit gefunden oder bemercket haͤtte:
Hoffe alſo/ wo die ſache recht erwogen wird/ werde auch ſolche ſtelle mit der
wahrheit uͤbereinkommen. Jndeſſen will von der materie ſelbs etwas ge-
dencken. So iſt nun der glaube freylich unſer ſieg/ damit wir die welt/ und
auch dero fuͤrſten den teuffel mit ſeinen feurigen pfeilen/ uͤberwinden. Da-
her einem angefochtenen daran das meiſte gelegen/ daß er ſeines glaubens
verſichert ſeye. Aber da iſt mit groſſer ſorgfalt zu verfahren/ daß wir wiſſen/
woraus wir den wahren glauben in der anfechtung pruͤffen ſollen. Zwahr
auſſer derſelben ſo iſt das empfindliche zeugnuͤß des heiligen Geiſtes/ welcher
unſerem geiſt bezeuget/ daß wir GOttes kinder ſind/ und das fuͤhlen der hertz-
lichen und beſtaͤndigen zuverſicht ein kantliches kennzeichen/ dabey der
menſch/ neben den uͤbrigen von den fruͤchten hernehmenden zeugnuͤſſen/ ſich in
ſeiner ſeele des beywohnenden glaubens verſichert. Aber es kommt zuwei-
len bey gottſeligen hertzen in den ſtand/ davon der geiſtreiche Arnd W. Chri-
ſtenth. 2/ 52. redet/ und ich wuͤrcklich jetzt eine gottſelige perſon in derſelben
uͤbung und kampff weiß: Daß der menſch in der noth ſo tieffin den un-
glauben geſtuͤrtzet wird/ daß er ſeines glaubens nicht kan gewiß wer-

den.
L l l l l
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0825" n="817"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">ARTIC</hi>. II. <hi rendition="#g">SECTIO</hi> XXVI.</hi></hi></fw><lb/>
ja abgrund/ hinzuwerffen/ weil &#x017F;ie nicht ko&#x0364;nne jemand verla&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;o nicht von<lb/>
ihr wegfliehe/ &#x017F;ondern auffrichtig allein nach ihrem genuß verlange. 6. zu<lb/>
glauben/ er &#x017F;tehe in einer gemein&#x017F;chafft vieler tau&#x017F;end bru&#x0364;der und &#x017F;chwe&#x017F;tern/<lb/>
welche in gleichem leiden &#x017F;tecken/ fu&#x0364;r die er nicht weniger inbru&#x0364;n&#x017F;tig als fu&#x0364;r<lb/>
&#x017F;eine eigene noth zu beten hat/ damit hinwieder ihr &#x017F;euffzen auch fu&#x0364;r ihn/ da<lb/>
er an dero&#x017F;elben <hi rendition="#aq">communion</hi> &#x017F;eine liebes-pflicht &#x017F;elbs wahrnimmt/ de&#x017F;to<lb/>
kra&#x0364;fftiger gehen und gu&#x0364;ltig &#x017F;eyn mo&#x0364;gen. 7. endlich &#x017F;ich &#x017F;o viel fleißiger vor<lb/>
aller verletzung des gewi&#x017F;&#x017F;ens zu hu&#x0364;ten/ als gefa&#x0364;hrlicher die&#x017F;elbe in &#x017F;olchem<lb/>
&#x017F;tande &#x017F;eynd/ hingegen der entweder verlangten empfindlichen gnade annoch<lb/>
allhier/ oder der endlichen erlo&#x0364;&#x017F;ung und ver&#x017F;etzung in das &#x017F;chauen/ mit williger<lb/>
gedult zu erwarten. Der HErr wircke es in ihm und uns allen zu ritterli-<lb/>
cher u&#x0364;berwindung und &#x017F;einem ewigen preiß. 1682.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO XXVI</hi>.</hi><lb/>
Tro&#x017F;t der angefochtenen/ daß &#x017F;ie ohnerachtet ihres<lb/>
kampffs mit dem unglauben/ dennoch glaubig<lb/>
&#x017F;eyen.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">D</hi>En verlegten <hi rendition="#aq">locum Muc&#x017F;chelii</hi> betreffend/ vermag ich darauf nicht<lb/>
gru&#x0364;ndlich zu antworten/ weil das buch nicht bey handen habe/ und al&#x017F;o<lb/>
die <hi rendition="#aq">antecedentia</hi> und <hi rendition="#aq">con&#x017F;equentia,</hi> den rechten ver&#x017F;tand zu fa&#x017F;&#x017F;en/ mit<lb/><hi rendition="#aq">conferi</hi>ren kan. Gleichwol erinnere mich nicht/ als &#x017F;olches <hi rendition="#aq">&#x017F;criptum</hi> gele&#x017F;en/<lb/>
daß ich etwas darinnen wider die wahrheit gefunden oder bemercket ha&#x0364;tte:<lb/>
Hoffe al&#x017F;o/ wo die &#x017F;ache recht erwogen wird/ werde auch &#x017F;olche &#x017F;telle mit der<lb/>
wahrheit u&#x0364;bereinkommen. Jnde&#x017F;&#x017F;en will von der materie &#x017F;elbs etwas ge-<lb/>
dencken. So i&#x017F;t nun <hi rendition="#fr">der glaube</hi> freylich un&#x017F;er &#x017F;ieg/ damit wir die welt/ und<lb/>
auch dero fu&#x0364;r&#x017F;ten den teuffel mit &#x017F;einen feurigen pfeilen/ u&#x0364;berwinden. Da-<lb/>
her einem angefochtenen daran das mei&#x017F;te gelegen/ daß er &#x017F;eines glaubens<lb/>
ver&#x017F;ichert &#x017F;eye. Aber da i&#x017F;t mit gro&#x017F;&#x017F;er &#x017F;orgfalt zu verfahren/ daß wir wi&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
woraus wir den wahren glauben in der anfechtung pru&#x0364;ffen &#x017F;ollen. Zwahr<lb/>
au&#x017F;&#x017F;er der&#x017F;elben &#x017F;o i&#x017F;t das empfindliche zeugnu&#x0364;ß des heiligen Gei&#x017F;tes/ welcher<lb/>
un&#x017F;erem gei&#x017F;t bezeuget/ daß wir GOttes kinder &#x017F;ind/ und das fu&#x0364;hlen der hertz-<lb/>
lichen und be&#x017F;ta&#x0364;ndigen zuver&#x017F;icht ein kantliches kennzeichen/ dabey der<lb/>
men&#x017F;ch/ neben den u&#x0364;brigen von den fru&#x0364;chten hernehmenden zeugnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;ich in<lb/>
&#x017F;einer &#x017F;eele des beywohnenden glaubens ver&#x017F;ichert. Aber es kommt zuwei-<lb/>
len bey gott&#x017F;eligen hertzen in den &#x017F;tand/ davon der gei&#x017F;treiche <hi rendition="#fr">Arnd</hi> W. Chri-<lb/>
&#x017F;tenth. 2/ 52. redet/ und ich wu&#x0364;rcklich jetzt eine gott&#x017F;elige per&#x017F;on in der&#x017F;elben<lb/>
u&#x0364;bung und kampff weiß: <hi rendition="#fr">Daß der men&#x017F;ch in der noth &#x017F;o tieffin den un-<lb/>
glauben ge&#x017F;tu&#x0364;rtzet wird/ daß er &#x017F;eines glaubens nicht kan gewiß wer-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">L l l l l</hi></fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">den.</hi></fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[817/0825] ARTIC. II. SECTIO XXVI. ja abgrund/ hinzuwerffen/ weil ſie nicht koͤnne jemand verlaſſen/ ſo nicht von ihr wegfliehe/ ſondern auffrichtig allein nach ihrem genuß verlange. 6. zu glauben/ er ſtehe in einer gemeinſchafft vieler tauſend bruͤder und ſchweſtern/ welche in gleichem leiden ſtecken/ fuͤr die er nicht weniger inbruͤnſtig als fuͤr ſeine eigene noth zu beten hat/ damit hinwieder ihr ſeuffzen auch fuͤr ihn/ da er an deroſelben communion ſeine liebes-pflicht ſelbs wahrnimmt/ deſto kraͤfftiger gehen und guͤltig ſeyn moͤgen. 7. endlich ſich ſo viel fleißiger vor aller verletzung des gewiſſens zu huͤten/ als gefaͤhrlicher dieſelbe in ſolchem ſtande ſeynd/ hingegen der entweder verlangten empfindlichen gnade annoch allhier/ oder der endlichen erloͤſung und verſetzung in das ſchauen/ mit williger gedult zu erwarten. Der HErr wircke es in ihm und uns allen zu ritterli- cher uͤberwindung und ſeinem ewigen preiß. 1682. SECTIO XXVI. Troſt der angefochtenen/ daß ſie ohnerachtet ihres kampffs mit dem unglauben/ dennoch glaubig ſeyen. DEn verlegten locum Mucſchelii betreffend/ vermag ich darauf nicht gruͤndlich zu antworten/ weil das buch nicht bey handen habe/ und alſo die antecedentia und conſequentia, den rechten verſtand zu faſſen/ mit conferiren kan. Gleichwol erinnere mich nicht/ als ſolches ſcriptum geleſen/ daß ich etwas darinnen wider die wahrheit gefunden oder bemercket haͤtte: Hoffe alſo/ wo die ſache recht erwogen wird/ werde auch ſolche ſtelle mit der wahrheit uͤbereinkommen. Jndeſſen will von der materie ſelbs etwas ge- dencken. So iſt nun der glaube freylich unſer ſieg/ damit wir die welt/ und auch dero fuͤrſten den teuffel mit ſeinen feurigen pfeilen/ uͤberwinden. Da- her einem angefochtenen daran das meiſte gelegen/ daß er ſeines glaubens verſichert ſeye. Aber da iſt mit groſſer ſorgfalt zu verfahren/ daß wir wiſſen/ woraus wir den wahren glauben in der anfechtung pruͤffen ſollen. Zwahr auſſer derſelben ſo iſt das empfindliche zeugnuͤß des heiligen Geiſtes/ welcher unſerem geiſt bezeuget/ daß wir GOttes kinder ſind/ und das fuͤhlen der hertz- lichen und beſtaͤndigen zuverſicht ein kantliches kennzeichen/ dabey der menſch/ neben den uͤbrigen von den fruͤchten hernehmenden zeugnuͤſſen/ ſich in ſeiner ſeele des beywohnenden glaubens verſichert. Aber es kommt zuwei- len bey gottſeligen hertzen in den ſtand/ davon der geiſtreiche Arnd W. Chri- ſtenth. 2/ 52. redet/ und ich wuͤrcklich jetzt eine gottſelige perſon in derſelben uͤbung und kampff weiß: Daß der menſch in der noth ſo tieffin den un- glauben geſtuͤrtzet wird/ daß er ſeines glaubens nicht kan gewiß wer- den. L l l l l

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/825
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 817. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/825>, abgerufen am 04.05.2024.