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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
2. Cor. 1, 22. Ephes. 1, 13. 14. 4, 30. Ja wie GOTT weiß alle des sa-
tans boßheit gegen uns dahin zu kehren, daß sie denen muß zum besten dienen,
welche seiner gütigen regierung bey sich platz geben, also mag das unglück, in
welches diese arme kinder gerathen, eine gelegenheit anderes guten bey ihnen
seyn, daß nicht nur allein sie jetzo desto sorgfältiger zu der erkäntnüß und furcht
des HERRN angeführet und erzogen werden, welches etwa nicht bey allen
auf gleiche weise sonsten würde geschehen seyn, sondern daß sie auch hierzu
gereitzet, und als die die tyranney des teufels mit schmertzen etlicher massen er.
fahren, sich künfftig in ihrem gantzen leben so viel sorgfältiger vor demselben
hüten, und in einer steten wachsamkeit gegen ihn verharren, ja auch ihr gantzes
leben in einer so viel hertzlichern demuth, verleugnung der welt und inbrünsti-
gem gebet hinkünfftig zubringen. Da es also müglich ist, daß es von einigen
dermaleins heissen möchte, periissent nisi periissent: Welches ihnen hertz-
lich anzuwünschen, und GOTT um solche gnade ihnen zu verleihen anzufle-
hen, auch dessen ewige güte, welche des feindes böß-gemeintes zum besten end-
lich richten kan, zu preisen ist.

Die andere frage.
Ob durch das genommene blut die phantasie den kindern im schlaff
mit so erschrecklichen einbildungen könne beschweret werden.

AUf diese frage finde ich mich zu antworten nicht genugsam, sondern
würden davon wohlerfahrne Physici und Medici besser consu-
lir
et, welche davon urtheilen könten, wie viel durch das blut ausge-
richtet werden könte. Wo ich aber je meine gedancken sagen sollte, so mach-
te einen unterscheid unter der verwirrung der phantasie selbs, und unter de-
nen absonderlich vorkommenden bildern, die die kinder in solcher verwirrung
ihnen vorstellen, zu sehen, und damit umzugehen meinen: Was das erste
anlangt, wo ich betrachte aus den experimentis des pulveris sympathe-
tici,
wie durch das aus den wunden genommene blut und dessen unterschied-
liche behandlung dem menschen wohl und wehe in der wunde und gantzem
leib gemacht werden kan, so will ich nicht zweifflen, daß auch eine erregung
des geblüts, so eine verwirrung der phantasie verursachet (wie wir bey den
hitzigen schwachheiten sehen, da die hitz in dem geblüt stecket, was vor verwir-
rung daher entstehet) durch eine solche vermittelst zauberischer mittel gesche-
hende mißhandelung des bluts zu wegen gebracht werden, und solches wol
gar natürlich seyn könne. Was das andere betrifft, daß die phantasie gera-
de solche dinge vorstellet, daß die kinder meinen, bey einem tantz zu seyn, ge-
wisse personen dabey zu sehen, und zu kennen, sehe ich nicht, wie es bloß

durch

Das ſiebende Capitel.
2. Cor. 1, 22. Epheſ. 1, 13. 14. 4, 30. Ja wie GOTT weiß alle des ſa-
tans boßheit gegen uns dahin zu kehren, daß ſie denen muß zum beſten dienen,
welche ſeiner guͤtigen regierung bey ſich platz geben, alſo mag das ungluͤck, in
welches dieſe arme kinder gerathen, eine gelegenheit anderes guten bey ihnen
ſeyn, daß nicht nur allein ſie jetzo deſto ſorgfaͤltiger zu der erkaͤntnuͤß und furcht
des HERRN angefuͤhret und erzogen werden, welches etwa nicht bey allen
auf gleiche weiſe ſonſten wuͤrde geſchehen ſeyn, ſondern daß ſie auch hierzu
gereitzet, und als die die tyranney des teufels mit ſchmertzen etlicher maſſen er.
fahren, ſich kuͤnfftig in ihrem gantzen leben ſo viel ſorgfaͤltiger vor demſelben
huͤten, und in einer ſteten wachſamkeit gegen ihn verharren, ja auch ihr gantzes
leben in einer ſo viel hertzlichern demuth, verleugnung der welt und inbruͤnſti-
gem gebet hinkuͤnfftig zubringen. Da es alſo muͤglich iſt, daß es von einigen
dermaleins heiſſen moͤchte, periiſſent niſi periiſſent: Welches ihnen hertz-
lich anzuwuͤnſchen, und GOTT um ſolche gnade ihnen zu verleihen anzufle-
hen, auch deſſen ewige guͤte, welche des feindes boͤß-gemeintes zum beſten end-
lich richten kan, zu preiſen iſt.

Die andere frage.
Ob durch das genommene blut die phantaſie den kindern im ſchlaff
mit ſo erſchrecklichen einbildungen koͤnne beſchweret werden.

AUf dieſe frage finde ich mich zu antworten nicht genugſam, ſondern
wuͤrden davon wohlerfahrne Phyſici und Medici beſſer conſu-
lir
et, welche davon urtheilen koͤnten, wie viel durch das blut ausge-
richtet werden koͤnte. Wo ich aber je meine gedancken ſagen ſollte, ſo mach-
te einen unterſcheid unter der verwirrung der phantaſie ſelbs, und unter de-
nen abſonderlich vorkommenden bildern, die die kinder in ſolcher verwirrung
ihnen vorſtellen, zu ſehen, und damit umzugehen meinen: Was das erſte
anlangt, wo ich betrachte aus den experimentis des pulveris ſympathe-
tici,
wie durch das aus den wunden genommene blut und deſſen unterſchied-
liche behandlung dem menſchen wohl und wehe in der wunde und gantzem
leib gemacht werden kan, ſo will ich nicht zweifflen, daß auch eine erregung
des gebluͤts, ſo eine verwirrung der phantaſie verurſachet (wie wir bey den
hitzigen ſchwachheiten ſehen, da die hitz in dem gebluͤt ſtecket, was vor verwir-
rung daher entſtehet) durch eine ſolche vermittelſt zauberiſcher mittel geſche-
hende mißhandelung des bluts zu wegen gebracht werden, und ſolches wol
gar natuͤrlich ſeyn koͤnne. Was das andere betrifft, daß die phantaſie gera-
de ſolche dinge vorſtellet, daß die kinder meinen, bey einem tantz zu ſeyn, ge-
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durch
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[160/0172] Das ſiebende Capitel. 2. Cor. 1, 22. Epheſ. 1, 13. 14. 4, 30. Ja wie GOTT weiß alle des ſa- tans boßheit gegen uns dahin zu kehren, daß ſie denen muß zum beſten dienen, welche ſeiner guͤtigen regierung bey ſich platz geben, alſo mag das ungluͤck, in welches dieſe arme kinder gerathen, eine gelegenheit anderes guten bey ihnen ſeyn, daß nicht nur allein ſie jetzo deſto ſorgfaͤltiger zu der erkaͤntnuͤß und furcht des HERRN angefuͤhret und erzogen werden, welches etwa nicht bey allen auf gleiche weiſe ſonſten wuͤrde geſchehen ſeyn, ſondern daß ſie auch hierzu gereitzet, und als die die tyranney des teufels mit ſchmertzen etlicher maſſen er. fahren, ſich kuͤnfftig in ihrem gantzen leben ſo viel ſorgfaͤltiger vor demſelben huͤten, und in einer ſteten wachſamkeit gegen ihn verharren, ja auch ihr gantzes leben in einer ſo viel hertzlichern demuth, verleugnung der welt und inbruͤnſti- gem gebet hinkuͤnfftig zubringen. Da es alſo muͤglich iſt, daß es von einigen dermaleins heiſſen moͤchte, periiſſent niſi periiſſent: Welches ihnen hertz- lich anzuwuͤnſchen, und GOTT um ſolche gnade ihnen zu verleihen anzufle- hen, auch deſſen ewige guͤte, welche des feindes boͤß-gemeintes zum beſten end- lich richten kan, zu preiſen iſt. Die andere frage. Ob durch das genommene blut die phantaſie den kindern im ſchlaff mit ſo erſchrecklichen einbildungen koͤnne beſchweret werden. AUf dieſe frage finde ich mich zu antworten nicht genugſam, ſondern wuͤrden davon wohlerfahrne Phyſici und Medici beſſer conſu- liret, welche davon urtheilen koͤnten, wie viel durch das blut ausge- richtet werden koͤnte. Wo ich aber je meine gedancken ſagen ſollte, ſo mach- te einen unterſcheid unter der verwirrung der phantaſie ſelbs, und unter de- nen abſonderlich vorkommenden bildern, die die kinder in ſolcher verwirrung ihnen vorſtellen, zu ſehen, und damit umzugehen meinen: Was das erſte anlangt, wo ich betrachte aus den experimentis des pulveris ſympathe- tici, wie durch das aus den wunden genommene blut und deſſen unterſchied- liche behandlung dem menſchen wohl und wehe in der wunde und gantzem leib gemacht werden kan, ſo will ich nicht zweifflen, daß auch eine erregung des gebluͤts, ſo eine verwirrung der phantaſie verurſachet (wie wir bey den hitzigen ſchwachheiten ſehen, da die hitz in dem gebluͤt ſtecket, was vor verwir- rung daher entſtehet) durch eine ſolche vermittelſt zauberiſcher mittel geſche- hende mißhandelung des bluts zu wegen gebracht werden, und ſolches wol gar natuͤrlich ſeyn koͤnne. Was das andere betrifft, daß die phantaſie gera- de ſolche dinge vorſtellet, daß die kinder meinen, bey einem tantz zu ſeyn, ge- wiſſe perſonen dabey zu ſehen, und zu kennen, ſehe ich nicht, wie es bloß durch

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/172>, abgerufen am 26.04.2024.