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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. II. SECTIO VIII.
ist/ vergebens anlegen/ und endlich nichts als reue davon haben. Wiewol
die schuld dessen nicht sowol jungen leuten/ die eine sache nicht gnug erwegen/
als vielmehr denjenigen professoribus zu zuschreiben ist/ die ihres nutzens we-
gen mit allerley persvasionibus jene zu unnützer anwendung ihres geldes ver-
leiten: deren manche ihnen nachmal/ wo sie des übel verspielten ermangeln
müssen/ davor wenig danck wissen. Es gehöret aber auch dieses unter die
mißbräuche/ die besser zu beklagen/ als zu recht zu bringen sind.

SECTIO VIII.
Grosse verderbnüß des so genanten geistlichen
standes. Casus, da ein prediger seinen beicht-
vater ändern wolte.

WAs derselbe von vielen fleischlich-gesinneten predigern/ so/ weil sie
um des bauchs willen allein ihr amt verrichten/ der kirchen allzu-
grossen schaden thun/ klaget/ ist leider allzu wahr/ und auch von
langer zeit meine klage/ dero offtere wiederholung mir manche feindschafft
gemacht/ weil man mich deswegen vor einen feind des ministerii ausgeschri-
en; da doch kein grösser freund desselben seyn kan/ als dessen alles verlangen
und arbeit dahin gerichtet ist/ daß es doch in denjenigen stand wiederum kom-
men möchte/ daß der glantz seines heiligen exempels alles volck erleuchtete.
Da man leider nunmehr auch wider willen bekennen und beseuftzen muß/ daß
unser stand unter allen der verderbteste seye/ und wo derselbe gantz wieder zu
recht gebracht und mit lauter gottseligen und GOtt mit ernst meinenden per-
sonen besetzt würde/ in nicht langer zeit auch den übrigen ständen mercklich ge-
holffen werden solte. Ach so lasset uns/ so viel unser der HErr unser hertzen
gerühret/ und zur erkäntnüß des rechtschaffenen wesens/ das in CHristo
JEsu ist/ auch unserer amts pflicht/ gebracht hat/ unser pfund mit so viel-
mehr treue anwenden/ daß wir andere mit gutem exempel reitzen/ und etli-
cher massen das von ihnen versäumte ersetzen/ wo wir andere neben uns auch
zur treue aufmuntern können/ keinen fleiß nicht sparen/ und den himmli-
schen vater tag und nacht anruffen/ daß er je mehr und mehr treue arbeiter
in seine ernde sende/ und seine kirche mit recht tüchtigen dienern des neuen
Testaments/ nicht nach dem buchstaben sondern dem geist/ beseligen/ insge-
sammt aber über sein armes zion sich erbarmen und nach seiner verheissung
die zufallene mauren wieder bauen wolle. Was belanget den überschriebe-
nen casum/ bedaure auch aus diesem exempel/ daß es in unserem ordine sol-
che leute gebe/ die sich ihre affecten/ so nicht ohne ärgernüß abgehen kan

regie-
IV. Theil. b b

ARTIC. II. SECTIO VIII.
iſt/ vergebens anlegen/ und endlich nichts als reue davon haben. Wiewol
die ſchuld deſſen nicht ſowol jungen leuten/ die eine ſache nicht gnug erwegen/
als vielmehr denjenigen profeſſoribus zu zuſchreiben iſt/ die ihres nutzens we-
gen mit allerley perſvaſionibus jene zu unnuͤtzer anwendung ihres geldes ver-
leiten: deren manche ihnen nachmal/ wo ſie des uͤbel verſpielten ermangeln
muͤſſen/ davor wenig danck wiſſen. Es gehoͤret aber auch dieſes unter die
mißbraͤuche/ die beſſer zu beklagen/ als zu recht zu bringen ſind.

SECTIO VIII.
Groſſe verderbnuͤß des ſo genanten geiſtlichen
ſtandes. Caſus, da ein prediger ſeinen beicht-
vater aͤndern wolte.

WAs derſelbe von vielen fleiſchlich-geſinneten predigern/ ſo/ weil ſie
um des bauchs willen allein ihr amt verrichten/ der kirchen allzu-
groſſen ſchaden thun/ klaget/ iſt leider allzu wahr/ und auch von
langer zeit meine klage/ dero offtere wiederholung mir manche feindſchafft
gemacht/ weil man mich deswegen vor einen feind des miniſterii ausgeſchri-
en; da doch kein groͤſſer freund deſſelben ſeyn kan/ als deſſen alles verlangen
und arbeit dahin gerichtet iſt/ daß es doch in denjenigen ſtand wiederum kom-
men moͤchte/ daß der glantz ſeines heiligen exempels alles volck erleuchtete.
Da man leider nunmehr auch wider willen bekennen und beſeuftzen muß/ daß
unſer ſtand unter allen der verderbteſte ſeye/ und wo derſelbe gantz wieder zu
recht gebracht und mit lauter gottſeligen und GOtt mit ernſt meinenden per-
ſonen beſetzt wuͤrde/ in nicht langer zeit auch den uͤbrigen ſtaͤnden mercklich ge-
holffen werden ſolte. Ach ſo laſſet uns/ ſo viel unſer der HErr unſer hertzen
geruͤhret/ und zur erkaͤntnuͤß des rechtſchaffenen weſens/ das in CHriſto
JEſu iſt/ auch unſerer amts pflicht/ gebracht hat/ unſer pfund mit ſo viel-
mehr treue anwenden/ daß wir andere mit gutem exempel reitzen/ und etli-
cher maſſen das von ihnen verſaͤumte erſetzen/ wo wir andere neben uns auch
zur treue aufmuntern koͤnnen/ keinen fleiß nicht ſparen/ und den himmli-
ſchen vater tag und nacht anruffen/ daß er je mehr und mehr treue arbeiter
in ſeine ernde ſende/ und ſeine kirche mit recht tuͤchtigen dienern des neuen
Teſtaments/ nicht nach dem buchſtaben ſondern dem geiſt/ beſeligen/ insge-
ſammt aber uͤber ſein armes zion ſich erbarmen und nach ſeiner verheiſſung
die zufallene mauren wieder bauen wolle. Was belanget den uͤberſchriebe-
nen caſum/ bedaure auch aus dieſem exempel/ daß es in unſerem ordine ſol-
che leute gebe/ die ſich ihre affecten/ ſo nicht ohne aͤrgernuͤß abgehen kan

regie-
IV. Theil. b b
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[193/0205] ARTIC. II. SECTIO VIII. iſt/ vergebens anlegen/ und endlich nichts als reue davon haben. Wiewol die ſchuld deſſen nicht ſowol jungen leuten/ die eine ſache nicht gnug erwegen/ als vielmehr denjenigen profeſſoribus zu zuſchreiben iſt/ die ihres nutzens we- gen mit allerley perſvaſionibus jene zu unnuͤtzer anwendung ihres geldes ver- leiten: deren manche ihnen nachmal/ wo ſie des uͤbel verſpielten ermangeln muͤſſen/ davor wenig danck wiſſen. Es gehoͤret aber auch dieſes unter die mißbraͤuche/ die beſſer zu beklagen/ als zu recht zu bringen ſind. 1698. SECTIO VIII. Groſſe verderbnuͤß des ſo genanten geiſtlichen ſtandes. Caſus, da ein prediger ſeinen beicht- vater aͤndern wolte. WAs derſelbe von vielen fleiſchlich-geſinneten predigern/ ſo/ weil ſie um des bauchs willen allein ihr amt verrichten/ der kirchen allzu- groſſen ſchaden thun/ klaget/ iſt leider allzu wahr/ und auch von langer zeit meine klage/ dero offtere wiederholung mir manche feindſchafft gemacht/ weil man mich deswegen vor einen feind des miniſterii ausgeſchri- en; da doch kein groͤſſer freund deſſelben ſeyn kan/ als deſſen alles verlangen und arbeit dahin gerichtet iſt/ daß es doch in denjenigen ſtand wiederum kom- men moͤchte/ daß der glantz ſeines heiligen exempels alles volck erleuchtete. Da man leider nunmehr auch wider willen bekennen und beſeuftzen muß/ daß unſer ſtand unter allen der verderbteſte ſeye/ und wo derſelbe gantz wieder zu recht gebracht und mit lauter gottſeligen und GOtt mit ernſt meinenden per- ſonen beſetzt wuͤrde/ in nicht langer zeit auch den uͤbrigen ſtaͤnden mercklich ge- holffen werden ſolte. Ach ſo laſſet uns/ ſo viel unſer der HErr unſer hertzen geruͤhret/ und zur erkaͤntnuͤß des rechtſchaffenen weſens/ das in CHriſto JEſu iſt/ auch unſerer amts pflicht/ gebracht hat/ unſer pfund mit ſo viel- mehr treue anwenden/ daß wir andere mit gutem exempel reitzen/ und etli- cher maſſen das von ihnen verſaͤumte erſetzen/ wo wir andere neben uns auch zur treue aufmuntern koͤnnen/ keinen fleiß nicht ſparen/ und den himmli- ſchen vater tag und nacht anruffen/ daß er je mehr und mehr treue arbeiter in ſeine ernde ſende/ und ſeine kirche mit recht tuͤchtigen dienern des neuen Teſtaments/ nicht nach dem buchſtaben ſondern dem geiſt/ beſeligen/ insge- ſammt aber uͤber ſein armes zion ſich erbarmen und nach ſeiner verheiſſung die zufallene mauren wieder bauen wolle. Was belanget den uͤberſchriebe- nen caſum/ bedaure auch aus dieſem exempel/ daß es in unſerem ordine ſol- che leute gebe/ die ſich ihre affecten/ ſo nicht ohne aͤrgernuͤß abgehen kan regie- IV. Theil. b b

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/205>, abgerufen am 26.04.2024.