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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
5. Welcher gestalt theologische bücher und
schriften von einem menschen nützlich können ge-
lesen werden?

AUf diese weise, wie die regul der heiligen schrifft selbs, und auch unse-
re glaubens bekäntnüß, mit sich bringet. Nun bekennen wir, und ist
dieses ein haupt punct, welchen wir gegen die Papisten vertheidigen,
daß die heilige schrifft gantz allein, ausgeschlossen aller menschlichen schriff-
ten, die regul unsers glaubens seye. Daher gleichwie wir keinem einigen
Prediger anders und weiter glauben dörffen, als er uns GOttes wort vor-
trägt, also daß er zeigen könne, daß was er sagt, allerdings in der schrifft ge-
gründet seye, und man ihme solches nicht glauben solle, weil er es sagt, son-
dern weil ers zur gnüge aus der schrifft erweise, daß unser gewissen darauf
beruhen kan. Massen ich selbs nicht verlange, daß mir einiger zuhörer ein
wort von glaubens sachen glaube, als so viel ich ihme aus göttlicher schrifft
darthue: Also haben wir auch kein einig menschlich buch, es habe namen
wie es wolle, und seye von dem berühmtesten mann gemacht worden, also an-
zusehen, daß was wir darinnen lesen, wir demselben ohnuntersucht glau-
ben wolten zustellen. Dann wäre ich einigen menschlichen schrifften solche
ehrerbietung und gehorsam schuldig, so wäre ich es zum fördersten den Pa-
tribus, conciliis
und dergleichen schuldig, so wir gegen die Papisten gleich-
wol verneinen und am hefftigsten bestreiten. Sondern alles lesen anderer bü-
cher muß also geschehen, daß wir, was wir in denselben finden, halten wollen
gegen den klaren buchstaben der heiligen schrift, und also gegen derselben prüf-
fen. Finden wir in unserm gewissen, daß solches gelesene mit dem deutlichen
worte Gottes in der schrifft übereinkommet, oder daß es also daraus erwiesen
ist, daß wir selbs erkennen können, es folge daraus, so haben wir alsdann dem-
selben beyfall zu geben, nicht weil dieser mann solches schreibet, sondern weil
es in der heiligen schrifft gegründet ist. Jch bin aber solchem buch so fern ver-
bunden um es deswegen zu lieben, auch GOtt dafür danck zu sagen, daß mir
vermittels solches buchs eine handleitung geschehen seyn mag, das jenige
in der schrifft wahrzunehmen, was solcher lehrer daselbs wahrgenommen,
und in seinem buch mir an die hand gegeben hat, so ich vielleicht ohne seine
anleitung in der schrifft nicht also gefunden hätte. Finden wir aber etwas
in dergleichen büchern, so wir nicht erkennen können, wie es mit der schrifft
übereinkomme und darinnen gegründet seye, als die wir nicht sehen, daß
die angezogene sprüche ein solches klar in sich fassen: Hingegen aber finden
auch nicht, daß es eben wider die schrifft seye, so lassen wir es als gedancken

ei-
Das ſiebende Capitel.
5. Welcher geſtalt theologiſche buͤcher und
ſchriften von einem menſchen nuͤtzlich koͤnnen ge-
leſen werden?

AUf dieſe weiſe, wie die regul der heiligen ſchrifft ſelbs, und auch unſe-
re glaubens bekaͤntnuͤß, mit ſich bringet. Nun bekennen wir, und iſt
dieſes ein haupt punct, welchen wir gegen die Papiſten vertheidigen,
daß die heilige ſchrifft gantz allein, ausgeſchloſſen aller menſchlichen ſchriff-
ten, die regul unſers glaubens ſeye. Daher gleichwie wir keinem einigen
Prediger anders und weiter glauben doͤrffen, als er uns GOttes wort vor-
traͤgt, alſo daß er zeigen koͤnne, daß was er ſagt, allerdings in der ſchrifft ge-
gruͤndet ſeye, und man ihme ſolches nicht glauben ſolle, weil er es ſagt, ſon-
dern weil ers zur gnuͤge aus der ſchrifft erweiſe, daß unſer gewiſſen darauf
beruhen kan. Maſſen ich ſelbs nicht verlange, daß mir einiger zuhoͤrer ein
wort von glaubens ſachen glaube, als ſo viel ich ihme aus goͤttlicher ſchrifft
darthue: Alſo haben wir auch kein einig menſchlich buch, es habe namen
wie es wolle, und ſeye von dem beruͤhmteſten mann gemacht worden, alſo an-
zuſehen, daß was wir darinnen leſen, wir demſelben ohnunterſucht glau-
ben wolten zuſtellen. Dann waͤre ich einigen menſchlichen ſchrifften ſolche
ehrerbietung und gehorſam ſchuldig, ſo waͤre ich es zum foͤrderſten den Pa-
tribus, conciliis
und dergleichen ſchuldig, ſo wir gegen die Papiſten gleich-
wol verneinen und am hefftigſten beſtreiten. Sondern alles leſen anderer buͤ-
cher muß alſo geſchehen, daß wir, was wir in denſelben finden, halten wollen
gegen den klaren buchſtaben der heiligen ſchrift, und alſo gegen derſelben pruͤf-
fen. Finden wir in unſerm gewiſſen, daß ſolches geleſene mit dem deutlichen
worte Gottes in der ſchrifft uͤbereinkommet, oder daß es alſo daraus erwieſen
iſt, daß wir ſelbs erkennen koͤnnen, es folge daraus, ſo haben wir alsdann dem-
ſelben beyfall zu geben, nicht weil dieſer mann ſolches ſchreibet, ſondern weil
es in der heiligen ſchrifft gegruͤndet iſt. Jch bin aber ſolchem buch ſo fern ver-
bunden um es deswegen zu lieben, auch GOtt dafuͤr danck zu ſagen, daß mir
vermittels ſolches buchs eine handleitung geſchehen ſeyn mag, das jenige
in der ſchrifft wahrzunehmen, was ſolcher lehrer daſelbs wahrgenommen,
und in ſeinem buch mir an die hand gegeben hat, ſo ich vielleicht ohne ſeine
anleitung in der ſchrifft nicht alſo gefunden haͤtte. Finden wir aber etwas
in dergleichen buͤchern, ſo wir nicht erkennen koͤnnen, wie es mit der ſchrifft
uͤbereinkomme und darinnen gegruͤndet ſeye, als die wir nicht ſehen, daß
die angezogene ſpruͤche ein ſolches klar in ſich faſſen: Hingegen aber finden
auch nicht, daß es eben wider die ſchrifft ſeye, ſo laſſen wir es als gedancken

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[18/0030] Das ſiebende Capitel. 5. Welcher geſtalt theologiſche buͤcher und ſchriften von einem menſchen nuͤtzlich koͤnnen ge- leſen werden? AUf dieſe weiſe, wie die regul der heiligen ſchrifft ſelbs, und auch unſe- re glaubens bekaͤntnuͤß, mit ſich bringet. Nun bekennen wir, und iſt dieſes ein haupt punct, welchen wir gegen die Papiſten vertheidigen, daß die heilige ſchrifft gantz allein, ausgeſchloſſen aller menſchlichen ſchriff- ten, die regul unſers glaubens ſeye. Daher gleichwie wir keinem einigen Prediger anders und weiter glauben doͤrffen, als er uns GOttes wort vor- traͤgt, alſo daß er zeigen koͤnne, daß was er ſagt, allerdings in der ſchrifft ge- gruͤndet ſeye, und man ihme ſolches nicht glauben ſolle, weil er es ſagt, ſon- dern weil ers zur gnuͤge aus der ſchrifft erweiſe, daß unſer gewiſſen darauf beruhen kan. Maſſen ich ſelbs nicht verlange, daß mir einiger zuhoͤrer ein wort von glaubens ſachen glaube, als ſo viel ich ihme aus goͤttlicher ſchrifft darthue: Alſo haben wir auch kein einig menſchlich buch, es habe namen wie es wolle, und ſeye von dem beruͤhmteſten mann gemacht worden, alſo an- zuſehen, daß was wir darinnen leſen, wir demſelben ohnunterſucht glau- ben wolten zuſtellen. Dann waͤre ich einigen menſchlichen ſchrifften ſolche ehrerbietung und gehorſam ſchuldig, ſo waͤre ich es zum foͤrderſten den Pa- tribus, conciliis und dergleichen ſchuldig, ſo wir gegen die Papiſten gleich- wol verneinen und am hefftigſten beſtreiten. Sondern alles leſen anderer buͤ- cher muß alſo geſchehen, daß wir, was wir in denſelben finden, halten wollen gegen den klaren buchſtaben der heiligen ſchrift, und alſo gegen derſelben pruͤf- fen. Finden wir in unſerm gewiſſen, daß ſolches geleſene mit dem deutlichen worte Gottes in der ſchrifft uͤbereinkommet, oder daß es alſo daraus erwieſen iſt, daß wir ſelbs erkennen koͤnnen, es folge daraus, ſo haben wir alsdann dem- ſelben beyfall zu geben, nicht weil dieſer mann ſolches ſchreibet, ſondern weil es in der heiligen ſchrifft gegruͤndet iſt. Jch bin aber ſolchem buch ſo fern ver- bunden um es deswegen zu lieben, auch GOtt dafuͤr danck zu ſagen, daß mir vermittels ſolches buchs eine handleitung geſchehen ſeyn mag, das jenige in der ſchrifft wahrzunehmen, was ſolcher lehrer daſelbs wahrgenommen, und in ſeinem buch mir an die hand gegeben hat, ſo ich vielleicht ohne ſeine anleitung in der ſchrifft nicht alſo gefunden haͤtte. Finden wir aber etwas in dergleichen buͤchern, ſo wir nicht erkennen koͤnnen, wie es mit der ſchrifft uͤbereinkomme und darinnen gegruͤndet ſeye, als die wir nicht ſehen, daß die angezogene ſpruͤche ein ſolches klar in ſich faſſen: Hingegen aber finden auch nicht, daß es eben wider die ſchrifft ſeye, ſo laſſen wir es als gedancken ei-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/30>, abgerufen am 26.04.2024.