Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

Bild:
<< vorherige Seite

Das siebende Capitel.
man uns böses zu thun/ oder das bloß nothwendige gute zu unterlassen
zwingen würde. Jn allen solchen fällen ist bis auf das wirckliche blut ver-
giessen oder verlust des lebens zu streiten. Aber ich versehe mich dessen/
daß in unserer kirchen und allen dero verfassungen es nirgend annoch zu einem
solchen verderben gekommen seyn werde/ daß man zu einigen dergleichen bö-
sen genöthiget werde/ sondern es wird alle klag vielmehr darinnen bestehen/
daß das gute nicht auf alle mügliche art und weise und mit gnugsamen nach-
truck zu befördern gelassen werde. So zwar freylich betrübt/ aber noch
nicht gnugsam ist dessenwegen auch alles dasjenige zu unterlassen/ was und
wie es noch jetzt geschehen kan.

SECTIO IV.
Gefahr aller trennung. Ob einer der ehre Got-
tes etwas begebe/ der sich des dienstes eines bösen
predigers gebrauchet.

DEssen geliebtes habe ich nicht nur wohl empfangen/ sondern auch mich
in lesung dessen erfreuet/ so wol wegen dessen gegen mich bezeugter
liebe und guten vertrauens/ als auch daraus erkanter rechtschaffener
intention in den wegen des HErrn treulich einher zu gehen/ und weder zur
rechten noch zur lincken/ auszuweichen. Dergleichen bey guten freunden
gewahr zu werden erfreuet mich so viel mehr/ als mich sonsten betrübt/ daß
so vielfältig aus den rechten schrancken ausgeschritten wird/ und da der welt-
hauffe ohnbedachtsam nach seinen lüsten wandelt/ und damit er auch
einen trost habe/ alles sein vertrauen auf den äusserlichen Gottesdienst/
und bloß eingebildeten glauben setzet/ hingegen derjenigen auf der andern
seiten auch unterschiedliche sich finden/ so die mittelstrasse nicht zu treffen wis-
sen/ sondern da sie hertzlich verlangen/ GOTT getreulich zu dienen/ auch
deswegen im übrigen auf ihr leben sorgfältig achtung geben/ sich das är-
gernüß/ so sie von den bösen in unsern gemeinden/ vornemlich aber den
fleischlichen predigern/ nehmen/ sich zu dergleichen resolution der trennung
bringen lassen/ dadurch sie selbst ihre mehrere stärckung hindern/ die gewis-
sen der schwachen nicht wenig verletzen/ den lästerern wider die gottselig-
keit scheinbare vorwände und einwürffe an die hand geben/ und also wenn
sie ihr gewissen rein zu behalten trachten/ vielmehr das ihrige und anderer
beschweren. Jch habe dergleichen exempel zu Franckfurt am Mayn gehabt/
wo einige meiner liebsten freunde (wie denn die christliche personen dieser
versuchung am meisten unterworffen seyn) auf diese gedancken gerathen sind/

wor-

Das ſiebende Capitel.
man uns boͤſes zu thun/ oder das bloß nothwendige gute zu unterlaſſen
zwingen wuͤrde. Jn allen ſolchen faͤllen iſt bis auf das wirckliche blut ver-
gieſſen oder verluſt des lebens zu ſtreiten. Aber ich verſehe mich deſſen/
daß in unſerer kirchen und allen dero verfaſſungen es nirgend annoch zu einem
ſolchen verderben gekommen ſeyn werde/ daß man zu einigen dergleichen boͤ-
ſen genoͤthiget werde/ ſondern es wird alle klag vielmehr darinnen beſtehen/
daß das gute nicht auf alle muͤgliche art und weiſe und mit gnugſamen nach-
truck zu befoͤrdern gelaſſen werde. So zwar freylich betruͤbt/ aber noch
nicht gnugſam iſt deſſenwegen auch alles dasjenige zu unterlaſſen/ was und
wie es noch jetzt geſchehen kan.

SECTIO IV.
Gefahr aller trennung. Ob einer der ehre Got-
tes etwas begebe/ der ſich des dienſtes eines boͤſen
predigers gebrauchet.

DEſſen geliebtes habe ich nicht nur wohl empfangen/ ſondern auch mich
in leſung deſſen erfreuet/ ſo wol wegen deſſen gegen mich bezeugter
liebe und guten vertrauens/ als auch daraus erkanter rechtſchaffener
intention in den wegen des HErrn treulich einher zu gehen/ und weder zur
rechten noch zur lincken/ auszuweichen. Dergleichen bey guten freunden
gewahr zu werden erfreuet mich ſo viel mehr/ als mich ſonſten betruͤbt/ daß
ſo vielfaͤltig aus den rechten ſchrancken ausgeſchritten wird/ und da der welt-
hauffe ohnbedachtſam nach ſeinen luͤſten wandelt/ und damit er auch
einen troſt habe/ alles ſein vertrauen auf den aͤuſſerlichen Gottesdienſt/
und bloß eingebildeten glauben ſetzet/ hingegen derjenigen auf der andern
ſeiten auch unterſchiedliche ſich finden/ ſo die mittelſtraſſe nicht zu treffen wiſ-
ſen/ ſondern da ſie hertzlich verlangen/ GOTT getreulich zu dienen/ auch
deswegen im uͤbrigen auf ihr leben ſorgfaͤltig achtung geben/ ſich das aͤr-
gernuͤß/ ſo ſie von den boͤſen in unſern gemeinden/ vornemlich aber den
fleiſchlichen predigern/ nehmen/ ſich zu dergleichen reſolution der trennung
bringen laſſen/ dadurch ſie ſelbſt ihre mehrere ſtaͤrckung hindern/ die gewiſ-
ſen der ſchwachen nicht wenig verletzen/ den laͤſterern wider die gottſelig-
keit ſcheinbare vorwaͤnde und einwuͤrffe an die hand geben/ und alſo wenn
ſie ihr gewiſſen rein zu behalten trachten/ vielmehr das ihrige und anderer
beſchweren. Jch habe dergleichen exempel zu Franckfurt am Mayn gehabt/
wo einige meiner liebſten freunde (wie denn die chriſtliche perſonen dieſer
verſuchung am meiſten unterworffen ſeyn) auf dieſe gedancken gerathen ſind/

wor-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0356" n="344"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das &#x017F;iebende Capitel.</hi></fw><lb/>
man uns bo&#x0364;&#x017F;es zu thun/ oder das bloß nothwendige gute zu unterla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
zwingen wu&#x0364;rde. Jn allen &#x017F;olchen fa&#x0364;llen i&#x017F;t bis auf das wirckliche blut ver-<lb/>
gie&#x017F;&#x017F;en oder verlu&#x017F;t des lebens zu &#x017F;treiten. Aber ich ver&#x017F;ehe mich de&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
daß in un&#x017F;erer kirchen und allen dero verfa&#x017F;&#x017F;ungen es nirgend annoch zu einem<lb/>
&#x017F;olchen verderben gekommen &#x017F;eyn werde/ daß man zu einigen dergleichen bo&#x0364;-<lb/>
&#x017F;en geno&#x0364;thiget werde/ &#x017F;ondern es wird alle klag vielmehr darinnen be&#x017F;tehen/<lb/>
daß das gute nicht auf alle mu&#x0364;gliche art und wei&#x017F;e und mit gnug&#x017F;amen nach-<lb/>
truck zu befo&#x0364;rdern gela&#x017F;&#x017F;en werde. So zwar freylich betru&#x0364;bt/ aber noch<lb/>
nicht gnug&#x017F;am i&#x017F;t de&#x017F;&#x017F;enwegen auch alles dasjenige zu unterla&#x017F;&#x017F;en/ was und<lb/>
wie es noch jetzt ge&#x017F;chehen kan.</p>
            <dateline>1684.</dateline>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO</hi> IV.</hi><lb/>
Gefahr aller trennung. Ob einer der ehre Got-<lb/>
tes etwas begebe/ der &#x017F;ich des dien&#x017F;tes eines bo&#x0364;&#x017F;en<lb/>
predigers gebrauchet.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">D</hi>E&#x017F;&#x017F;en geliebtes habe ich nicht nur wohl empfangen/ &#x017F;ondern auch mich<lb/>
in le&#x017F;ung de&#x017F;&#x017F;en erfreuet/ &#x017F;o wol wegen de&#x017F;&#x017F;en gegen mich bezeugter<lb/>
liebe und guten vertrauens/ als auch daraus erkanter recht&#x017F;chaffener<lb/><hi rendition="#aq">intention</hi> in den wegen des HErrn treulich einher zu gehen/ und weder zur<lb/>
rechten noch zur lincken/ auszuweichen. Dergleichen bey guten freunden<lb/>
gewahr zu werden erfreuet mich &#x017F;o viel mehr/ als mich &#x017F;on&#x017F;ten betru&#x0364;bt/ daß<lb/>
&#x017F;o vielfa&#x0364;ltig aus den rechten &#x017F;chrancken ausge&#x017F;chritten wird/ und da der welt-<lb/>
hauffe ohnbedacht&#x017F;am nach &#x017F;einen lu&#x0364;&#x017F;ten wandelt/ und damit er auch<lb/>
einen tro&#x017F;t habe/ alles &#x017F;ein vertrauen auf den a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlichen Gottesdien&#x017F;t/<lb/>
und bloß eingebildeten glauben &#x017F;etzet/ hingegen derjenigen auf der andern<lb/>
&#x017F;eiten auch unter&#x017F;chiedliche &#x017F;ich finden/ &#x017F;o die mittel&#x017F;tra&#x017F;&#x017F;e nicht zu treffen wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en/ &#x017F;ondern da &#x017F;ie hertzlich verlangen/ GOTT getreulich zu dienen/ auch<lb/>
deswegen im u&#x0364;brigen auf ihr leben &#x017F;orgfa&#x0364;ltig achtung geben/ &#x017F;ich das a&#x0364;r-<lb/>
gernu&#x0364;ß/ &#x017F;o &#x017F;ie von den bo&#x0364;&#x017F;en in un&#x017F;ern gemeinden/ vornemlich aber den<lb/>
flei&#x017F;chlichen predigern/ nehmen/ &#x017F;ich zu dergleichen <hi rendition="#aq">re&#x017F;olution</hi> <hi rendition="#fr">der trennung</hi><lb/>
bringen la&#x017F;&#x017F;en/ dadurch &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t ihre mehrere &#x017F;ta&#x0364;rckung hindern/ die gewi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en der &#x017F;chwachen nicht wenig verletzen/ den la&#x0364;&#x017F;terern wider die gott&#x017F;elig-<lb/>
keit &#x017F;cheinbare vorwa&#x0364;nde und einwu&#x0364;rffe an die hand geben/ und al&#x017F;o wenn<lb/>
&#x017F;ie ihr gewi&#x017F;&#x017F;en rein zu behalten trachten/ vielmehr das ihrige und anderer<lb/>
be&#x017F;chweren. Jch habe dergleichen exempel zu Franckfurt am Mayn gehabt/<lb/>
wo einige meiner lieb&#x017F;ten freunde (wie denn die chri&#x017F;tliche per&#x017F;onen die&#x017F;er<lb/>
ver&#x017F;uchung am mei&#x017F;ten unterworffen &#x017F;eyn) auf die&#x017F;e gedancken gerathen &#x017F;ind/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wor-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[344/0356] Das ſiebende Capitel. man uns boͤſes zu thun/ oder das bloß nothwendige gute zu unterlaſſen zwingen wuͤrde. Jn allen ſolchen faͤllen iſt bis auf das wirckliche blut ver- gieſſen oder verluſt des lebens zu ſtreiten. Aber ich verſehe mich deſſen/ daß in unſerer kirchen und allen dero verfaſſungen es nirgend annoch zu einem ſolchen verderben gekommen ſeyn werde/ daß man zu einigen dergleichen boͤ- ſen genoͤthiget werde/ ſondern es wird alle klag vielmehr darinnen beſtehen/ daß das gute nicht auf alle muͤgliche art und weiſe und mit gnugſamen nach- truck zu befoͤrdern gelaſſen werde. So zwar freylich betruͤbt/ aber noch nicht gnugſam iſt deſſenwegen auch alles dasjenige zu unterlaſſen/ was und wie es noch jetzt geſchehen kan. 1684. SECTIO IV. Gefahr aller trennung. Ob einer der ehre Got- tes etwas begebe/ der ſich des dienſtes eines boͤſen predigers gebrauchet. DEſſen geliebtes habe ich nicht nur wohl empfangen/ ſondern auch mich in leſung deſſen erfreuet/ ſo wol wegen deſſen gegen mich bezeugter liebe und guten vertrauens/ als auch daraus erkanter rechtſchaffener intention in den wegen des HErrn treulich einher zu gehen/ und weder zur rechten noch zur lincken/ auszuweichen. Dergleichen bey guten freunden gewahr zu werden erfreuet mich ſo viel mehr/ als mich ſonſten betruͤbt/ daß ſo vielfaͤltig aus den rechten ſchrancken ausgeſchritten wird/ und da der welt- hauffe ohnbedachtſam nach ſeinen luͤſten wandelt/ und damit er auch einen troſt habe/ alles ſein vertrauen auf den aͤuſſerlichen Gottesdienſt/ und bloß eingebildeten glauben ſetzet/ hingegen derjenigen auf der andern ſeiten auch unterſchiedliche ſich finden/ ſo die mittelſtraſſe nicht zu treffen wiſ- ſen/ ſondern da ſie hertzlich verlangen/ GOTT getreulich zu dienen/ auch deswegen im uͤbrigen auf ihr leben ſorgfaͤltig achtung geben/ ſich das aͤr- gernuͤß/ ſo ſie von den boͤſen in unſern gemeinden/ vornemlich aber den fleiſchlichen predigern/ nehmen/ ſich zu dergleichen reſolution der trennung bringen laſſen/ dadurch ſie ſelbſt ihre mehrere ſtaͤrckung hindern/ die gewiſ- ſen der ſchwachen nicht wenig verletzen/ den laͤſterern wider die gottſelig- keit ſcheinbare vorwaͤnde und einwuͤrffe an die hand geben/ und alſo wenn ſie ihr gewiſſen rein zu behalten trachten/ vielmehr das ihrige und anderer beſchweren. Jch habe dergleichen exempel zu Franckfurt am Mayn gehabt/ wo einige meiner liebſten freunde (wie denn die chriſtliche perſonen dieſer verſuchung am meiſten unterworffen ſeyn) auf dieſe gedancken gerathen ſind/ wor-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/356
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/356>, abgerufen am 27.04.2024.