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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
Müllers meinung mehrere und stärckere gründe sehe/ und mich derselben confor-
mi
ren könte/ vor sicher und gewiß achte/ aber wo nicht Ew. Gräfl. Gnaden gnädig
solches von mir begehret einem wol-verdienten Theologo zu widersprechen und ge-
gen andere meinen dissens zu bezeugen/ scheu getragen hätte. 167....

SECTIO XIIX.
Als ein chirurgus sich an einen vornehmen ort
zu begeben versprochen/ und wieder zweiffelhafft wur-
de. Sonntags balbiren. Beinhasen
vertreiben.

WJe ich von einigen neulich hie gewesten die sache wegen dessen versetzung
nach NN. gewiß zu seyn gehöret/ also werde hierinnen nochmal bekräff-
tiget/ da er sein wort von sich gegeben zu haben schreibet/ welches mir so
bald ein ziemlich argument gibet/ daß davon zurück zu gehen/ der wille des HErren
nicht seye/ welcher von allen menschen/ sonderlich aber von seinen Christen/ die wahr-
heit erfordert/ u. also haben will/ daß wir in allen dingen/ daran sonderlich auch an-
dern mit gelegen seyn mag/ das jenige allemal erfüllen sollen/ was uns müglich und
an sich selbs nicht sünde ist. Hingegen ist es eine art einer lügen/ davon zu rück zu-
gehen/ was zugesaget/ und da sich andere auch darauf verlassen haben. Nebens
deme die sache selbs betreffend/ sehe ich den ort und die vorgeschlagene condition
vor eine solche gelegenheit an/ die demselben als viel wir menschen von den künffti-
gen vorsehen können/ in geistlich und leiblichen mag vorträglich seyn. Zu erbauung
seiner seelen wird er in solcher stadt so viel mittel finden/ als ich sorge demselben in N.
nicht vorzustehen: Er findet daselbs unterschiedliche prediger/ welche das wort
GOttes mit grosser krafft und nachdruck treulich treiben/ und die seelen zu dem
HERRN zu führen sich lassen angelegen seyn: So manglets unter den hauffen
vieler bösen nicht an solchen seelen/ die vor dem HERRN rechtschaffen sind/ und
dero umgang nützlichen gebraucht werden kan. Was das leibliche anlangt/ wird
derselbe ohne das nicht zweiffeln/ daß er seine nothdurfft daselbs finde. Die da ge-
gen machende difficultäten anlangende/ finde deroselben sonderlich zwo/ welche
aber nicht wichtig gnug, die gefaste resolution zurück zuziehen/ ja auch nicht hin-
dern solten/ dieselbe erst zu fassen/ ob sie noch nicht gefasset wäre. Die ersto komt
von dem ungenamten Christlichen freunde her/ an dessen aufrichtiger guter mei-
nung ich keinen zweifel tragen will/ aber seinen rath nicht gnug gegründet finde. Die
sach begreiffe ich so aus überschriebenen/ daß wir alles was eitel und vergänglich ist/
sollen fahren lassen/ weil es nichts seye/ und unsere seel mehr von GOTT abfuhre/

weil

Das ſiebende Capitel.
Muͤllers meinung mehrere und ſtaͤrckere gruͤnde ſehe/ und mich derſelben confor-
mi
ren koͤnte/ vor ſicher und gewiß achte/ aber wo nicht Ew. Graͤfl. Gnaden gnaͤdig
ſolches von mir begehret einem wol-verdienten Theologo zu widerſprechen und ge-
gen andere meinen diſſens zu bezeugen/ ſcheu getragen haͤtte. 167....

SECTIO XIIX.
Als ein chirurgus ſich an einen vornehmen ort
zu begeben verſprochen/ und wieder zweiffelhafft wur-
de. Sonntags balbiren. Beinhaſen
vertreiben.

WJe ich von einigen neulich hie geweſten die ſache wegen deſſen verſetzung
nach NN. gewiß zu ſeyn gehoͤret/ alſo werde hierinnen nochmal bekraͤff-
tiget/ da er ſein wort von ſich gegeben zu haben ſchreibet/ welches mir ſo
bald ein ziemlich argument gibet/ daß davon zuruͤck zu gehen/ der wille des HErren
nicht ſeye/ welcher von allen menſchen/ ſonderlich aber von ſeinen Chriſten/ die wahr-
heit erfordert/ u. alſo haben will/ daß wir in allen dingen/ daran ſonderlich auch an-
dern mit gelegen ſeyn mag/ das jenige allemal erfuͤllen ſollen/ was uns muͤglich und
an ſich ſelbs nicht ſuͤnde iſt. Hingegen iſt es eine art einer luͤgen/ davon zu ruͤck zu-
gehen/ was zugeſaget/ und da ſich andere auch darauf verlaſſen haben. Nebens
deme die ſache ſelbs betreffend/ ſehe ich den ort und die vorgeſchlagene condition
vor eine ſolche gelegenheit an/ die demſelben als viel wir menſchen von den kuͤnffti-
gen vorſehen koͤnnen/ in geiſtlich und leiblichen mag vortraͤglich ſeyn. Zu erbauung
ſeiner ſeelen wird er in ſolcher ſtadt ſo viel mittel finden/ als ich ſorge demſelben in N.
nicht vorzuſtehen: Er findet daſelbs unterſchiedliche prediger/ welche das wort
GOttes mit groſſer krafft und nachdruck treulich treiben/ und die ſeelen zu dem
HERRN zu fuͤhren ſich laſſen angelegen ſeyn: So manglets unter den hauffen
vieler boͤſen nicht an ſolchen ſeelen/ die vor dem HERRN rechtſchaffen ſind/ und
dero umgang nuͤtzlichen gebraucht werden kan. Was das leibliche anlangt/ wird
derſelbe ohne das nicht zweiffeln/ daß er ſeine nothdurfft daſelbs finde. Die da ge-
gen machende difficultaͤten anlangende/ finde deroſelben ſonderlich zwo/ welche
aber nicht wichtig gnug, die gefaſte reſolution zuruͤck zuziehen/ ja auch nicht hin-
dern ſolten/ dieſelbe erſt zu faſſen/ ob ſie noch nicht gefaſſet waͤre. Die erſto komt
von dem ungenamten Chriſtlichen freunde her/ an deſſen aufrichtiger guter mei-
nung ich keinen zweifel tragen will/ aber ſeinen rath nicht gnug gegruͤndet finde. Die
ſach begreiffe ich ſo aus uͤberſchriebenen/ daß wir alles was eitel und vergaͤnglich iſt/
ſollen fahren laſſen/ weil es nichts ſeye/ und unſere ſeel mehr von GOTT abfuhre/

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[394/0406] Das ſiebende Capitel. Muͤllers meinung mehrere und ſtaͤrckere gruͤnde ſehe/ und mich derſelben confor- miren koͤnte/ vor ſicher und gewiß achte/ aber wo nicht Ew. Graͤfl. Gnaden gnaͤdig ſolches von mir begehret einem wol-verdienten Theologo zu widerſprechen und ge- gen andere meinen diſſens zu bezeugen/ ſcheu getragen haͤtte. 167.... SECTIO XIIX. Als ein chirurgus ſich an einen vornehmen ort zu begeben verſprochen/ und wieder zweiffelhafft wur- de. Sonntags balbiren. Beinhaſen vertreiben. WJe ich von einigen neulich hie geweſten die ſache wegen deſſen verſetzung nach NN. gewiß zu ſeyn gehoͤret/ alſo werde hierinnen nochmal bekraͤff- tiget/ da er ſein wort von ſich gegeben zu haben ſchreibet/ welches mir ſo bald ein ziemlich argument gibet/ daß davon zuruͤck zu gehen/ der wille des HErren nicht ſeye/ welcher von allen menſchen/ ſonderlich aber von ſeinen Chriſten/ die wahr- heit erfordert/ u. alſo haben will/ daß wir in allen dingen/ daran ſonderlich auch an- dern mit gelegen ſeyn mag/ das jenige allemal erfuͤllen ſollen/ was uns muͤglich und an ſich ſelbs nicht ſuͤnde iſt. Hingegen iſt es eine art einer luͤgen/ davon zu ruͤck zu- gehen/ was zugeſaget/ und da ſich andere auch darauf verlaſſen haben. Nebens deme die ſache ſelbs betreffend/ ſehe ich den ort und die vorgeſchlagene condition vor eine ſolche gelegenheit an/ die demſelben als viel wir menſchen von den kuͤnffti- gen vorſehen koͤnnen/ in geiſtlich und leiblichen mag vortraͤglich ſeyn. Zu erbauung ſeiner ſeelen wird er in ſolcher ſtadt ſo viel mittel finden/ als ich ſorge demſelben in N. nicht vorzuſtehen: Er findet daſelbs unterſchiedliche prediger/ welche das wort GOttes mit groſſer krafft und nachdruck treulich treiben/ und die ſeelen zu dem HERRN zu fuͤhren ſich laſſen angelegen ſeyn: So manglets unter den hauffen vieler boͤſen nicht an ſolchen ſeelen/ die vor dem HERRN rechtſchaffen ſind/ und dero umgang nuͤtzlichen gebraucht werden kan. Was das leibliche anlangt/ wird derſelbe ohne das nicht zweiffeln/ daß er ſeine nothdurfft daſelbs finde. Die da ge- gen machende difficultaͤten anlangende/ finde deroſelben ſonderlich zwo/ welche aber nicht wichtig gnug, die gefaſte reſolution zuruͤck zuziehen/ ja auch nicht hin- dern ſolten/ dieſelbe erſt zu faſſen/ ob ſie noch nicht gefaſſet waͤre. Die erſto komt von dem ungenamten Chriſtlichen freunde her/ an deſſen aufrichtiger guter mei- nung ich keinen zweifel tragen will/ aber ſeinen rath nicht gnug gegruͤndet finde. Die ſach begreiffe ich ſo aus uͤberſchriebenen/ daß wir alles was eitel und vergaͤnglich iſt/ ſollen fahren laſſen/ weil es nichts ſeye/ und unſere ſeel mehr von GOTT abfuhre/ weil

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/406>, abgerufen am 26.04.2024.