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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. IV SECTIO XVI.
SECTIO XVI.
Aufmunterung an einen prediger. Leben. Einfalt
in predigen. Controversien. Praxis das vornehmste/
sonderlich des glaubens.

JCh will nicht zweifeln/ er werde selbs sich ernstlich lassen angelegen seyn/
würdiglich zu wandeln dem beruff/ dazu er gesetzet ist/ und ihm damit eine
gute stuffe zu erwerben/ und sonderlich in seinem gantzen leben nicht so
wohl auf die exempel derjenigen/ welche er meistentheils unter der zahl derer/ so
mit göttlichem wort umgehen nach der welt gesinnet/ und nach ihrer weise lebend/
das ist/ der ehren/ des reichthums/ der wollusten dieses lebens begierig/ warneh-
men wird/ aber billig dieselbe nicht anders als mit besänfftigung ansehen solle/ als
die von dem HErrn selbs seinen Christen/ und sonderlich seinen dienern vorgeschrie-
bene/ auch mit seinem eigenen vorgang und der apostel exempel bekräfftigte regel zu
sehen: auch zu glauben/ ob er auch niemand unter unsern mitbrüdern sehe nach
solchen regeln zu wandeln/ das doch ja GOtt verhüten wolle/ so solle doch er sich
nicht daher freyheit nehmen/ dergleichen zu thun/ sondern anderer nachläßigkeit/
und was sie wider die heiligkeit ihres amts begehen/ mit seiner treuen nachfolge
seines heilandes beschämen. Wer sich diesen vorsatz in dem HErrn nimmet/
den wird er nicht verlassen. Nechst dem erfreue ich mich hertzlich/ daß er selbs
bezeuget/ er befleißige sich in seinen predigten der einfalt/ und führe die leute auf
die Praxin. Ach lieber bruder/ dieses halte er sein lebtage vor seine grösseste kunst/
wo er ohne einige menschliche kunst in einer göttlichen einfalt der wahrheit diejenige
wohlfahrt vorträgt/ welche alle/ die in der furcht des HErrn acht geben wollen/
wol fassen können/ und daß er ja sein lebelang keine zeit ihme selbs oder seinen
zuhörern verderbe mit einführung solcher dinge/ welche allein ad ostentationem
eruditionis
oder eine verwunderung des volcks zu erwecken dienen/ und dahin ge-
meinet sind/ hingegen keinen nutzen einer stärckung des glaubens oder beförderung
dessen früchte mit sich bringen. Denn solche sachen sind nicht nur unnütz/ sondern
bey recht christlichen seelen erwecken sie eine hertzliche betrübnüß/ solche dinge an
des HErrn stätte zu hören/ welche nicht aus GOtt oder zu seiner ehre gerichtet
sind; daher bey ihnen auch das übrige nützlich vorgetragene fast etwas nachtheil
leidet/ und nicht so wol erbauet/ weil es von einem menschen kommet/ dessen eiteln
sinn sie auch aus andern haben kennen lernen. Was die controversien anlanget/ ist
derselben vortrag nicht zu verachten/ sonderlich/ wo es des auditorii nothdurfft er-
fordert/ und der text mit sich bringet/ thun diejenige wol/ welchen GOtt solche ga-
ben/ und die nöthige erudition (ohne die die abhandelung solcher materien fast

schlecht
l l l 3.
ARTIC. IV SECTIO XVI.
SECTIO XVI.
Aufmunterung an einen prediger. Leben. Einfalt
in predigen. Controverſien. Praxis das vornehmſte/
ſonderlich des glaubens.

JCh will nicht zweifeln/ er werde ſelbs ſich ernſtlich laſſen angelegen ſeyn/
wuͤrdiglich zu wandeln dem beruff/ dazu er geſetzet iſt/ und ihm damit eine
gute ſtuffe zu erwerben/ und ſonderlich in ſeinem gantzen leben nicht ſo
wohl auf die exempel derjenigen/ welche er meiſtentheils unter der zahl derer/ ſo
mit goͤttlichem wort umgehen nach der welt geſinnet/ und nach ihrer weiſe lebend/
das iſt/ der ehren/ des reichthums/ der wolluſten dieſes lebens begierig/ warneh-
men wird/ aber billig dieſelbe nicht anders als mit beſaͤnfftigung anſehen ſolle/ als
die von dem HErrn ſelbs ſeinen Chriſten/ und ſonderlich ſeinen dienern vorgeſchrie-
bene/ auch mit ſeinem eigenen vorgang und der apoſtel exempel bekraͤfftigte regel zu
ſehen: auch zu glauben/ ob er auch niemand unter unſern mitbruͤdern ſehe nach
ſolchen regeln zu wandeln/ das doch ja GOtt verhuͤten wolle/ ſo ſolle doch er ſich
nicht daher freyheit nehmen/ dergleichen zu thun/ ſondern anderer nachlaͤßigkeit/
und was ſie wider die heiligkeit ihres amts begehen/ mit ſeiner treuen nachfolge
ſeines heilandes beſchaͤmen. Wer ſich dieſen vorſatz in dem HErrn nimmet/
den wird er nicht verlaſſen. Nechſt dem erfreue ich mich hertzlich/ daß er ſelbs
bezeuget/ er befleißige ſich in ſeinen predigten der einfalt/ und fuͤhre die leute auf
die Praxin. Ach lieber bruder/ dieſes halte er ſein lebtage vor ſeine groͤſſeſte kunſt/
wo er ohne einige menſchliche kunſt in einer goͤttlichen einfalt der wahrheit diejenige
wohlfahrt vortraͤgt/ welche alle/ die in der furcht des HErrn acht geben wollen/
wol faſſen koͤnnen/ und daß er ja ſein lebelang keine zeit ihme ſelbs oder ſeinen
zuhoͤrern verderbe mit einfuͤhrung ſolcher dinge/ welche allein ad oſtentationem
eruditionis
oder eine verwunderung des volcks zu erwecken dienen/ und dahin ge-
meinet ſind/ hingegen keinen nutzen einer ſtaͤrckung des glaubens oder befoͤrderung
deſſen fruͤchte mit ſich bringen. Denn ſolche ſachen ſind nicht nur unnuͤtz/ ſondern
bey recht chriſtlichen ſeelen erwecken ſie eine hertzliche betruͤbnuͤß/ ſolche dinge an
des HErrn ſtaͤtte zu hoͤren/ welche nicht aus GOtt oder zu ſeiner ehre gerichtet
ſind; daher bey ihnen auch das uͤbrige nuͤtzlich vorgetragene faſt etwas nachtheil
leidet/ und nicht ſo wol erbauet/ weil es von einem menſchen kommet/ deſſen eiteln
ſinn ſie auch aus andern haben kennen lernen. Was die controverſien anlanget/ iſt
derſelben vortrag nicht zu verachten/ ſonderlich/ wo es des auditorii nothdurfft er-
fordert/ und der text mit ſich bringet/ thun diejenige wol/ welchen GOtt ſolche ga-
ben/ und die noͤthige erudition (ohne die die abhandelung ſolcher materien faſt

ſchlecht
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[453/0465] ARTIC. IV SECTIO XVI. SECTIO XVI. Aufmunterung an einen prediger. Leben. Einfalt in predigen. Controverſien. Praxis das vornehmſte/ ſonderlich des glaubens. JCh will nicht zweifeln/ er werde ſelbs ſich ernſtlich laſſen angelegen ſeyn/ wuͤrdiglich zu wandeln dem beruff/ dazu er geſetzet iſt/ und ihm damit eine gute ſtuffe zu erwerben/ und ſonderlich in ſeinem gantzen leben nicht ſo wohl auf die exempel derjenigen/ welche er meiſtentheils unter der zahl derer/ ſo mit goͤttlichem wort umgehen nach der welt geſinnet/ und nach ihrer weiſe lebend/ das iſt/ der ehren/ des reichthums/ der wolluſten dieſes lebens begierig/ warneh- men wird/ aber billig dieſelbe nicht anders als mit beſaͤnfftigung anſehen ſolle/ als die von dem HErrn ſelbs ſeinen Chriſten/ und ſonderlich ſeinen dienern vorgeſchrie- bene/ auch mit ſeinem eigenen vorgang und der apoſtel exempel bekraͤfftigte regel zu ſehen: auch zu glauben/ ob er auch niemand unter unſern mitbruͤdern ſehe nach ſolchen regeln zu wandeln/ das doch ja GOtt verhuͤten wolle/ ſo ſolle doch er ſich nicht daher freyheit nehmen/ dergleichen zu thun/ ſondern anderer nachlaͤßigkeit/ und was ſie wider die heiligkeit ihres amts begehen/ mit ſeiner treuen nachfolge ſeines heilandes beſchaͤmen. Wer ſich dieſen vorſatz in dem HErrn nimmet/ den wird er nicht verlaſſen. Nechſt dem erfreue ich mich hertzlich/ daß er ſelbs bezeuget/ er befleißige ſich in ſeinen predigten der einfalt/ und fuͤhre die leute auf die Praxin. Ach lieber bruder/ dieſes halte er ſein lebtage vor ſeine groͤſſeſte kunſt/ wo er ohne einige menſchliche kunſt in einer goͤttlichen einfalt der wahrheit diejenige wohlfahrt vortraͤgt/ welche alle/ die in der furcht des HErrn acht geben wollen/ wol faſſen koͤnnen/ und daß er ja ſein lebelang keine zeit ihme ſelbs oder ſeinen zuhoͤrern verderbe mit einfuͤhrung ſolcher dinge/ welche allein ad oſtentationem eruditionis oder eine verwunderung des volcks zu erwecken dienen/ und dahin ge- meinet ſind/ hingegen keinen nutzen einer ſtaͤrckung des glaubens oder befoͤrderung deſſen fruͤchte mit ſich bringen. Denn ſolche ſachen ſind nicht nur unnuͤtz/ ſondern bey recht chriſtlichen ſeelen erwecken ſie eine hertzliche betruͤbnuͤß/ ſolche dinge an des HErrn ſtaͤtte zu hoͤren/ welche nicht aus GOtt oder zu ſeiner ehre gerichtet ſind; daher bey ihnen auch das uͤbrige nuͤtzlich vorgetragene faſt etwas nachtheil leidet/ und nicht ſo wol erbauet/ weil es von einem menſchen kommet/ deſſen eiteln ſinn ſie auch aus andern haben kennen lernen. Was die controverſien anlanget/ iſt derſelben vortrag nicht zu verachten/ ſonderlich/ wo es des auditorii nothdurfft er- fordert/ und der text mit ſich bringet/ thun diejenige wol/ welchen GOtt ſolche ga- ben/ und die noͤthige erudition (ohne die die abhandelung ſolcher materien faſt ſchlecht l l l 3.

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/465>, abgerufen am 26.04.2024.