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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
SECTIO XXXIV.
Aufmunterung zum gebet vor einander in unserm
amt. Gericht GOttes durch Babel über unsere kirche/ und
nachmal über Babel. Starcke regung der gemüther
zu neuer hoffnung.

LAsset uns so viel eyffriger immerdar vor einander beten/ als wir wissen/
daß wir in unserm stand vor allen andern christen der brüderlichen vor-
bitte so viel bedörfftiger seynd/ als gefährlicher unser stand/ und in dem-
selben unserer seelen heyl annoch zu erhalten je länger je schwerer ist. Ja so
viel näher uns die längst geweissagte der letzten zeiten trübsalen und schwereste
gerichte GOttes über den häupten schweben/ ja fast bereits in dem ausbruch
stehen. Dann ob wol nach der verheissung des HErrn die hochmüthige Ba-
bel/ so sich wider den HERREN empöret/ endlich gestürtzet werden/ und den
lohn ihrer hurerey und hochmuth empfangen solte/ welches auch der sache aus-
gang endlich werden muß/ so wird doch ohnzweiffelich das gericht von dem
hause des HErren anfahen/ und wie wir in unserer evangelischen kirchen nicht
leugnen können/ daß wir dem HERREN nicht nach gebühr danckbar worden
sind/ möchte der HERR vorhin seiner eigenen feindin zulassen/ daß sie noch
erst ein abtrünniges Jerusalem verstöhre/ und damit vollends das maaß ihrer
sünde erfülle/ folglich sein gericht ihr über den halß ziehe. Jn solcher zeiten
bewandnüß aber mögen wir leicht gedencken/ wie nicht nur der kirchen sondern
besonders unser als dero vorsteher und dienere zustand so gefährlich seyn werde/
und zu seyn anfange. So lasset uns also so viel hertzlicher zu dem HERREN
mit und vor einander ruffen/ daß er uns allezeit seinen rath zu erkennen/ und
demselben uns gemäß zu verhalten/ die gnade verleihe; mit dem übrigen/ und
was den eusserlichen menschen angehet/ gehe es endlich nach seinem heiligsten
wohlgefällen. Was ich hie schreibe/ sind wol nicht mehr aenigmata, sondern
wer ein wenig einsiehet/ was vor consilia von unsern feinden geschmiedet wer-
den/ kan nicht wol daran zweifeln. Doch er ist der HERR/ der macht
zu thun hat/ was ihm wohlgefället. So kan er auch ein wetter wiederum
vertreiben/ da es schon zu blitzen angefangen hatte. Jedoch liegt mir immer im
sinn/ wie schlecht unsere kirche in ihr selbst stehe/ und also wol eine ziemliche
läuterung bedörffen mag. Jedoch thun sich aller orthen mehr und mehr leute
hervor/ welche nach der rechtschaffenen besserung inbrünstig verlangen tragen/

und
Das ſiebende Capitel.
SECTIO XXXIV.
Aufmunterung zum gebet vor einander in unſerm
amt. Gericht GOttes durch Babel uͤber unſere kirche/ und
nachmal uͤber Babel. Starcke regung der gemuͤther
zu neuer hoffnung.

LAſſet uns ſo viel eyffriger immerdar vor einander beten/ als wir wiſſen/
daß wir in unſerm ſtand vor allen andern chriſten der bruͤderlichen vor-
bitte ſo viel bedoͤrfftiger ſeynd/ als gefaͤhrlicher unſer ſtand/ und in dem-
ſelben unſerer ſeelen heyl annoch zu erhalten je laͤnger je ſchwerer iſt. Ja ſo
viel naͤher uns die laͤngſt geweiſſagte der letzten zeiten truͤbſalen und ſchwereſte
gerichte GOttes uͤber den haͤupten ſchweben/ ja faſt bereits in dem ausbruch
ſtehen. Dann ob wol nach der verheiſſung des HErrn die hochmuͤthige Ba-
bel/ ſo ſich wider den HERREN empoͤret/ endlich geſtuͤrtzet werden/ und den
lohn ihrer hurerey und hochmuth empfangen ſolte/ welches auch der ſache aus-
gang endlich werden muß/ ſo wird doch ohnzweiffelich das gericht von dem
hauſe des HErren anfahen/ und wie wir in unſerer evangeliſchen kirchen nicht
leugnen koͤnnen/ daß wir dem HERREN nicht nach gebuͤhr danckbar worden
ſind/ moͤchte der HERR vorhin ſeiner eigenen feindin zulaſſen/ daß ſie noch
erſt ein abtruͤnniges Jeruſalem verſtoͤhre/ und damit vollends das maaß ihrer
ſuͤnde erfuͤlle/ folglich ſein gericht ihr uͤber den halß ziehe. Jn ſolcher zeiten
bewandnuͤß aber moͤgen wir leicht gedencken/ wie nicht nur der kirchen ſondern
beſonders unſer als dero vorſteher und dienere zuſtand ſo gefaͤhrlich ſeyn werde/
und zu ſeyn anfange. So laſſet uns alſo ſo viel hertzlicher zu dem HERREN
mit und vor einander ruffen/ daß er uns allezeit ſeinen rath zu erkennen/ und
demſelben uns gemaͤß zu verhalten/ die gnade verleihe; mit dem uͤbrigen/ und
was den euſſerlichen menſchen angehet/ gehe es endlich nach ſeinem heiligſten
wohlgefaͤllen. Was ich hie ſchreibe/ ſind wol nicht mehr ænigmata, ſondern
wer ein wenig einſiehet/ was vor conſilia von unſern feinden geſchmiedet wer-
den/ kan nicht wol daran zweifeln. Doch er iſt der HERR/ der macht
zu thun hat/ was ihm wohlgefaͤllet. So kan er auch ein wetter wiederum
vertreiben/ da es ſchon zu blitzen angefangen hatte. Jedoch liegt mir immer im
ſinn/ wie ſchlecht unſere kirche in ihr ſelbſt ſtehe/ und alſo wol eine ziemliche
laͤuterung bedoͤrffen mag. Jedoch thun ſich aller orthen mehr und mehr leute
hervor/ welche nach der rechtſchaffenen beſſerung inbruͤnſtig verlangen tragen/

und
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[514/0526] Das ſiebende Capitel. SECTIO XXXIV. Aufmunterung zum gebet vor einander in unſerm amt. Gericht GOttes durch Babel uͤber unſere kirche/ und nachmal uͤber Babel. Starcke regung der gemuͤther zu neuer hoffnung. LAſſet uns ſo viel eyffriger immerdar vor einander beten/ als wir wiſſen/ daß wir in unſerm ſtand vor allen andern chriſten der bruͤderlichen vor- bitte ſo viel bedoͤrfftiger ſeynd/ als gefaͤhrlicher unſer ſtand/ und in dem- ſelben unſerer ſeelen heyl annoch zu erhalten je laͤnger je ſchwerer iſt. Ja ſo viel naͤher uns die laͤngſt geweiſſagte der letzten zeiten truͤbſalen und ſchwereſte gerichte GOttes uͤber den haͤupten ſchweben/ ja faſt bereits in dem ausbruch ſtehen. Dann ob wol nach der verheiſſung des HErrn die hochmuͤthige Ba- bel/ ſo ſich wider den HERREN empoͤret/ endlich geſtuͤrtzet werden/ und den lohn ihrer hurerey und hochmuth empfangen ſolte/ welches auch der ſache aus- gang endlich werden muß/ ſo wird doch ohnzweiffelich das gericht von dem hauſe des HErren anfahen/ und wie wir in unſerer evangeliſchen kirchen nicht leugnen koͤnnen/ daß wir dem HERREN nicht nach gebuͤhr danckbar worden ſind/ moͤchte der HERR vorhin ſeiner eigenen feindin zulaſſen/ daß ſie noch erſt ein abtruͤnniges Jeruſalem verſtoͤhre/ und damit vollends das maaß ihrer ſuͤnde erfuͤlle/ folglich ſein gericht ihr uͤber den halß ziehe. Jn ſolcher zeiten bewandnuͤß aber moͤgen wir leicht gedencken/ wie nicht nur der kirchen ſondern beſonders unſer als dero vorſteher und dienere zuſtand ſo gefaͤhrlich ſeyn werde/ und zu ſeyn anfange. So laſſet uns alſo ſo viel hertzlicher zu dem HERREN mit und vor einander ruffen/ daß er uns allezeit ſeinen rath zu erkennen/ und demſelben uns gemaͤß zu verhalten/ die gnade verleihe; mit dem uͤbrigen/ und was den euſſerlichen menſchen angehet/ gehe es endlich nach ſeinem heiligſten wohlgefaͤllen. Was ich hie ſchreibe/ ſind wol nicht mehr ænigmata, ſondern wer ein wenig einſiehet/ was vor conſilia von unſern feinden geſchmiedet wer- den/ kan nicht wol daran zweifeln. Doch er iſt der HERR/ der macht zu thun hat/ was ihm wohlgefaͤllet. So kan er auch ein wetter wiederum vertreiben/ da es ſchon zu blitzen angefangen hatte. Jedoch liegt mir immer im ſinn/ wie ſchlecht unſere kirche in ihr ſelbſt ſtehe/ und alſo wol eine ziemliche laͤuterung bedoͤrffen mag. Jedoch thun ſich aller orthen mehr und mehr leute hervor/ welche nach der rechtſchaffenen beſſerung inbruͤnſtig verlangen tragen/ und

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/526>, abgerufen am 26.04.2024.