Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

Bild:
<< vorherige Seite

Das siebende Capitel.
also gesinnter, und hierzu geschickter freunde zusammen zu finden, aufs wenigste sor-
ge ich sehr, die meiste derjenigen, welche um solche zeit zu spatzieren verlangen, ha-
ben nicht den zweck, solche tage mit erbaulicher conversation zu heiligen, sondern sich
allein, weil sie ausser der feyertage die zeit von ihren geschäfften abzubrechen zu theu-
er achten, leiblicher weiß zu erfrischen und zu erlustiren. Ob dann ein und andermal
auch ein geistliches wort mit darunter geredet werden solte, wird doch schwerlich
der zweck erhalten werden; daher man sich lieber dergleichen gelegenheit zu entschla-
gen hat: andern theils achte auch, daß aus dem obgemeldeten nicht weniger aller
schein des bösen vermeidet werden solle: daher, weil undisputirlich, daß die meiste
gesellschaften, welche in grosser anzahl ihres orts auf solche andere tage der feste aus-
zufahren pflegen, warhaftig nicht nur einen weltlichen zweck der leiblichen ergötzung
einig und allein vor sich haben, sondern wol gar viele excesse dabey vorgehen, wolte
ich lieber davor halten, daß rechtschaffene christen, welche auf eine gute art auch also
ausfahren, und die zeit warhaftig unter sich heiligen könten, eben deßwegen sich dan-
noch hüten solten, daß sie nicht mit ihrem exempel, so jene vor sich anführen würden,
dieselbe bestärckten, sondern um ihrentwillen, auf daß auch andere gottselige sich an
ihnen, da sie sich scheinen der welt gleich zu stellen, nicht ärgern möchten, lieber die
sache zu solcher zeit unterlassen, gedenckende, was der apostel sagt: 1. Cor. 10, 23.
Jch habe es zwar alles macht, aber es frommet nicht alles. Jch habe es
alles macht, aber es bessert nicht alles.
Der Herr gebe auch hierinnen den Geist
der weißheit und seiner furcht, allezeit und in allem zu erkennen, was das beste und
unserm gewissen das unanstößigste seye.

SECTIO XIIX.
Ungemach und schaden der rechts-processe. Freu-
de über den ernst einiger Prediger.

DJeses ist mir in der entschuldigung sonderlich leid gewesen, von einigem pro-
ess
zu hören, mit dem mein vielgeliebter Herr sich eine zeitlang verunruhi-
gen müssen, der ich davor halte, daß rechts-processe von den allerschwersten
ungemachen zu achten sind, welche einem christen aus Gottes verhängnüß begegnen
können: nicht als wenn ich der obrigkeit amt verachtete, oder bloß unrecht glaubte zu
seyn, daß man sich dero hülffe zu erlangung seines rechten gebrauchte, sondern weil
ich weiß, wie weitläufftig unsre auch best eingerichtete processe sind, darinnen in
gewisser maaß andere vor barbarisch gehaltene völcker einen vorzug haben, und die
streitigkeiten kürtzer ausmachen. Weil ich auch so offt aus anderer klagen erfah-
ren müssen, wie wenig gewissen bey vielen leuten, so mit willen das recht widerfechten,

und

Das ſiebende Capitel.
alſo geſinnter, und hierzu geſchickter freunde zuſammen zu finden, aufs wenigſte ſor-
ge ich ſehr, die meiſte derjenigen, welche um ſolche zeit zu ſpatzieren verlangen, ha-
ben nicht den zweck, ſolche tage mit eꝛbaulicheꝛ converſation zu heiligen, ſondeꝛn ſich
allein, weil ſie auſſer der feyertage die zeit von ihren geſchaͤfften abzubrechen zu theu-
er achten, leiblicher weiß zu erfriſchen und zu erluſtiren. Ob dann ein und andermal
auch ein geiſtliches wort mit darunter geredet werden ſolte, wird doch ſchwerlich
der zweck erhalten werden; daher man ſich lieber dergleichen gelegenheit zu entſchla-
gen hat: andern theils achte auch, daß aus dem obgemeldeten nicht weniger aller
ſchein des boͤſen vermeidet werden ſolle: daher, weil undiſputirlich, daß die meiſte
geſellſchaften, welche in groſſer anzahl ihres orts auf ſolche andere tage der feſte aus-
zufahren pflegen, warhaftig nicht nur einen weltlichen zweck der leiblichen ergoͤtzung
einig und allein vor ſich haben, ſondern wol gar viele exceſſe dabey vorgehen, wolte
ich lieber davor halten, daß rechtſchaffene chriſten, welche auf eine gute art auch alſo
ausfahren, und die zeit warhaftig unter ſich heiligen koͤnten, eben deßwegen ſich dan-
noch huͤten ſolten, daß ſie nicht mit ihrem exempel, ſo jene vor ſich anfuͤhren wuͤrden,
dieſelbe beſtaͤrckten, ſondern um ihrentwillen, auf daß auch andere gottſelige ſich an
ihnen, da ſie ſich ſcheinen der welt gleich zu ſtellen, nicht aͤrgern moͤchten, lieber die
ſache zu ſolcher zeit unterlaſſen, gedenckende, was der apoſtel ſagt: 1. Cor. 10, 23.
Jch habe es zwar alles macht, aber es frommet nicht alles. Jch habe es
alles macht, aber es beſſert nicht alles.
Der Herr gebe auch hierinnen den Geiſt
der weißheit und ſeiner furcht, allezeit und in allem zu erkennen, was das beſte und
unſerm gewiſſen das unanſtoͤßigſte ſeye.

SECTIO XIIX.
Ungemach und ſchaden der rechts-proceſſe. Freu-
de uͤber den ernſt einiger Prediger.

DJeſes iſt mir in deꝛ entſchuldigung ſondeꝛlich leid geweſen, von einigem pro-
eſſ
zu hoͤren, mit dem mein vielgeliebter Herr ſich eine zeitlang verunruhi-
gen muͤſſen, der ich davor halte, daß rechts-proceſſe von den alleꝛſchwerſten
ungemachen zu achten ſind, welche einem chriſten aus Gottes verhaͤngnuͤß begegnen
koͤnnen: nicht als wenn ich der obrigkeit amt verachtete, oder bloß unrecht glaubte zu
ſeyn, daß man ſich dero huͤlffe zu erlangung ſeines rechten gebrauchte, ſondern weil
ich weiß, wie weitlaͤufftig unſre auch beſt eingerichtete proceſſe ſind, darinnen in
gewiſſer maaß andere vor barbariſch gehaltene voͤlcker einen vorzug haben, und die
ſtreitigkeiten kuͤrtzer ausmachen. Weil ich auch ſo offt aus anderer klagen erfah-
ꝛen muͤſſen, wie wenig gewiſſen bey vielen leuten, ſo mit willen das recht wideꝛfechten,

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0596" n="584"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das &#x017F;iebende Capitel.</hi></fw><lb/>
al&#x017F;o ge&#x017F;innter, und hierzu ge&#x017F;chickter freunde zu&#x017F;ammen zu finden, aufs wenig&#x017F;te &#x017F;or-<lb/>
ge ich &#x017F;ehr, die mei&#x017F;te derjenigen, welche um &#x017F;olche zeit zu &#x017F;patzieren verlangen, ha-<lb/>
ben nicht den zweck, &#x017F;olche tage mit e&#xA75B;bauliche&#xA75B; <hi rendition="#aq">conver&#x017F;ation</hi> zu heiligen, &#x017F;onde&#xA75B;n &#x017F;ich<lb/>
allein, weil &#x017F;ie au&#x017F;&#x017F;er der feyertage die zeit von ihren ge&#x017F;cha&#x0364;fften abzubrechen zu theu-<lb/>
er achten, leiblicher weiß zu erfri&#x017F;chen und zu erlu&#x017F;tiren. Ob dann ein und andermal<lb/>
auch ein gei&#x017F;tliches wort mit darunter geredet werden &#x017F;olte, wird doch &#x017F;chwerlich<lb/>
der zweck erhalten werden; daher man &#x017F;ich lieber dergleichen gelegenheit zu ent&#x017F;chla-<lb/>
gen hat: andern theils achte auch, daß aus dem obgemeldeten nicht weniger aller<lb/>
&#x017F;chein des bo&#x0364;&#x017F;en vermeidet werden &#x017F;olle: daher, weil un<hi rendition="#aq">di&#x017F;puti</hi>rlich, daß die mei&#x017F;te<lb/>
ge&#x017F;ell&#x017F;chaften, welche in gro&#x017F;&#x017F;er anzahl ihres orts auf &#x017F;olche andere tage der fe&#x017F;te aus-<lb/>
zufahren pflegen, warhaftig nicht nur einen weltlichen zweck der leiblichen ergo&#x0364;tzung<lb/>
einig und allein vor &#x017F;ich haben, &#x017F;ondern wol gar viele <hi rendition="#aq">exce&#x017F;&#x017F;e</hi> dabey vorgehen, wolte<lb/>
ich lieber davor halten, daß recht&#x017F;chaffene chri&#x017F;ten, welche auf eine gute art auch al&#x017F;o<lb/>
ausfahren, und die zeit warhaftig unter &#x017F;ich heiligen ko&#x0364;nten, eben deßwegen &#x017F;ich dan-<lb/>
noch hu&#x0364;ten &#x017F;olten, daß &#x017F;ie nicht mit ihrem exempel, &#x017F;o jene vor &#x017F;ich anfu&#x0364;hren wu&#x0364;rden,<lb/>
die&#x017F;elbe be&#x017F;ta&#x0364;rckten, &#x017F;ondern um ihrentwillen, auf daß auch andere gott&#x017F;elige &#x017F;ich an<lb/>
ihnen, da &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;cheinen der welt gleich zu &#x017F;tellen, nicht a&#x0364;rgern mo&#x0364;chten, lieber die<lb/>
&#x017F;ache zu &#x017F;olcher zeit unterla&#x017F;&#x017F;en, gedenckende, was der apo&#x017F;tel &#x017F;agt: 1. Cor. 10, 23.<lb/><hi rendition="#fr">Jch habe es zwar alles macht, aber es frommet nicht alles. Jch habe es<lb/>
alles macht, aber es be&#x017F;&#x017F;ert nicht alles.</hi> Der Herr gebe auch hierinnen den Gei&#x017F;t<lb/>
der weißheit und &#x017F;einer furcht, allezeit und in allem zu erkennen, was das be&#x017F;te und<lb/>
un&#x017F;erm gewi&#x017F;&#x017F;en das unan&#x017F;to&#x0364;ßig&#x017F;te &#x017F;eye.</p>
            <dateline>28. Maji. 1688.</dateline>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO</hi> XIIX.</hi><lb/>
Ungemach und &#x017F;chaden der rechts-<hi rendition="#aq">proce&#x017F;&#x017F;e.</hi> Freu-<lb/>
de u&#x0364;ber den ern&#x017F;t einiger Prediger.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">D</hi>Je&#x017F;es i&#x017F;t mir in de&#xA75B; ent&#x017F;chuldigung &#x017F;onde&#xA75B;lich leid gewe&#x017F;en, von einigem <hi rendition="#aq">pro-<lb/>
e&#x017F;&#x017F;</hi> zu ho&#x0364;ren, mit dem mein vielgeliebter Herr &#x017F;ich eine zeitlang verunruhi-<lb/>
gen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, der ich davor halte, daß rechts-<hi rendition="#aq">proce&#x017F;&#x017F;e</hi> von den alle&#xA75B;&#x017F;chwer&#x017F;ten<lb/>
ungemachen zu achten &#x017F;ind, welche einem chri&#x017F;ten aus Gottes verha&#x0364;ngnu&#x0364;ß begegnen<lb/>
ko&#x0364;nnen: nicht als wenn ich der obrigkeit amt verachtete, oder bloß unrecht glaubte zu<lb/>
&#x017F;eyn, daß man &#x017F;ich dero hu&#x0364;lffe zu erlangung &#x017F;eines rechten gebrauchte, &#x017F;ondern weil<lb/>
ich weiß, wie weitla&#x0364;ufftig un&#x017F;re auch be&#x017F;t eingerichtete <hi rendition="#aq">proce&#x017F;&#x017F;e</hi> &#x017F;ind, darinnen in<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;er maaß andere vor barbari&#x017F;ch gehaltene vo&#x0364;lcker einen vorzug haben, und die<lb/>
&#x017F;treitigkeiten ku&#x0364;rtzer ausmachen. Weil ich auch &#x017F;o offt aus anderer klagen erfah-<lb/>
&#xA75B;en mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, wie wenig gewi&#x017F;&#x017F;en bey vielen leuten, &#x017F;o mit willen das recht wide&#xA75B;fechten,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[584/0596] Das ſiebende Capitel. alſo geſinnter, und hierzu geſchickter freunde zuſammen zu finden, aufs wenigſte ſor- ge ich ſehr, die meiſte derjenigen, welche um ſolche zeit zu ſpatzieren verlangen, ha- ben nicht den zweck, ſolche tage mit eꝛbaulicheꝛ converſation zu heiligen, ſondeꝛn ſich allein, weil ſie auſſer der feyertage die zeit von ihren geſchaͤfften abzubrechen zu theu- er achten, leiblicher weiß zu erfriſchen und zu erluſtiren. Ob dann ein und andermal auch ein geiſtliches wort mit darunter geredet werden ſolte, wird doch ſchwerlich der zweck erhalten werden; daher man ſich lieber dergleichen gelegenheit zu entſchla- gen hat: andern theils achte auch, daß aus dem obgemeldeten nicht weniger aller ſchein des boͤſen vermeidet werden ſolle: daher, weil undiſputirlich, daß die meiſte geſellſchaften, welche in groſſer anzahl ihres orts auf ſolche andere tage der feſte aus- zufahren pflegen, warhaftig nicht nur einen weltlichen zweck der leiblichen ergoͤtzung einig und allein vor ſich haben, ſondern wol gar viele exceſſe dabey vorgehen, wolte ich lieber davor halten, daß rechtſchaffene chriſten, welche auf eine gute art auch alſo ausfahren, und die zeit warhaftig unter ſich heiligen koͤnten, eben deßwegen ſich dan- noch huͤten ſolten, daß ſie nicht mit ihrem exempel, ſo jene vor ſich anfuͤhren wuͤrden, dieſelbe beſtaͤrckten, ſondern um ihrentwillen, auf daß auch andere gottſelige ſich an ihnen, da ſie ſich ſcheinen der welt gleich zu ſtellen, nicht aͤrgern moͤchten, lieber die ſache zu ſolcher zeit unterlaſſen, gedenckende, was der apoſtel ſagt: 1. Cor. 10, 23. Jch habe es zwar alles macht, aber es frommet nicht alles. Jch habe es alles macht, aber es beſſert nicht alles. Der Herr gebe auch hierinnen den Geiſt der weißheit und ſeiner furcht, allezeit und in allem zu erkennen, was das beſte und unſerm gewiſſen das unanſtoͤßigſte ſeye. 28. Maji. 1688. SECTIO XIIX. Ungemach und ſchaden der rechts-proceſſe. Freu- de uͤber den ernſt einiger Prediger. DJeſes iſt mir in deꝛ entſchuldigung ſondeꝛlich leid geweſen, von einigem pro- eſſ zu hoͤren, mit dem mein vielgeliebter Herr ſich eine zeitlang verunruhi- gen muͤſſen, der ich davor halte, daß rechts-proceſſe von den alleꝛſchwerſten ungemachen zu achten ſind, welche einem chriſten aus Gottes verhaͤngnuͤß begegnen koͤnnen: nicht als wenn ich der obrigkeit amt verachtete, oder bloß unrecht glaubte zu ſeyn, daß man ſich dero huͤlffe zu erlangung ſeines rechten gebrauchte, ſondern weil ich weiß, wie weitlaͤufftig unſre auch beſt eingerichtete proceſſe ſind, darinnen in gewiſſer maaß andere vor barbariſch gehaltene voͤlcker einen vorzug haben, und die ſtreitigkeiten kuͤrtzer ausmachen. Weil ich auch ſo offt aus anderer klagen erfah- ꝛen muͤſſen, wie wenig gewiſſen bey vielen leuten, ſo mit willen das recht wideꝛfechten, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/596
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 584. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/596>, abgerufen am 27.04.2024.