Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Der innerliche und geistliche Friede. Frankfurt (Main), 1686.

Bild:
<< vorherige Seite

mag nun das erste mittel seyn die bußfer-
tige reue
über die sünde. Zwar solte diese
dem frieden vielmehr entgegen zuseyn schei-
nen/ als daß sie ein mittel dazu wäre: gleich-
wie aber in dem natürlichen die außsaube-
rung der wunden/ welche etwa mit gros-
sen schmertzen/ und damit dem menschen
weher geschicht/ als ihm die wunde selbs
nicht gethan hätte/ ein mittel ist/ zu folgen-
der linderung und heilung der schmertzen/ so
müssen in dem geistlichen die buß und reue
die jenige seyn/ welche unsere wunden einiger
massen außsäubern und außwaschen/ da-
mit nichts unerkantes böses also stecken
bleibe/ das wo obenhin geheilet wird/
nachmal die wunde unterkötigt machte/
und neue noch schwehrere schmertzen ver-
ursachte. Jst also nöthig/ daß man in
seiner buß seiner ja nicht selbsten schone/
sondern sein wesen fleissig untersuche/ und
was sündlich vorhanden ist/ so wol erken-
ne/ und fich leyd seyn lafse/ alsvornehm-
lich mit ernstlichem vorsatz von sich ablege.
Ein solches hertz/ welches keine solche sünde
mehr in sich hat/ die es nicht angreiffen/
sondern derselben schonen wolte/ ist alsdann
erst recht fähig des innerlichen friedens und

der

mag nun das erſte mittel ſeyn die bußfer-
tige reue
uͤber die ſuͤnde. Zwar ſolte dieſe
dem frieden vielmehr entgegen zuſeyn ſchei-
nen/ als daß ſie ein mittel dazu waͤre: gleich-
wie aber in dem natuͤrlichen die außſaube-
rung der wunden/ welche etwa mit groſ-
ſen ſchmertzen/ und damit dem menſchen
weher geſchicht/ als ihm die wunde ſelbs
nicht gethan haͤtte/ ein mittel iſt/ zu folgen-
der linderung und heilung der ſchmertzen/ ſo
muͤſſen in dem geiſtlichen die buß und reue
die jenige ſeyn/ welche unſere wunden einiger
maſſen außſaͤubern und außwaſchen/ da-
mit nichts unerkantes boͤſes alſo ſtecken
bleibe/ das wo obenhin geheilet wird/
nachmal die wunde unterkoͤtigt machte/
und neue noch ſchwehrere ſchmertzen ver-
urſachte. Jſt alſo noͤthig/ daß man in
ſeiner buß ſeiner ja nicht ſelbſten ſchone/
ſondern ſein weſen fleiſſig unterſuche/ und
was ſuͤndlich vorhanden iſt/ ſo wol erken-
ne/ und fich leyd ſeyn lafſe/ alsvornehm-
lich mit ernſtlichem vorſatz von ſich ablege.
Ein ſolches hertz/ welches keine ſolche ſuͤnde
mehr in ſich hat/ die es nicht angreiffen/
ſondern derſelben ſchonen wolte/ iſt alsdann
erſt recht faͤhig des innerlichen friedens und

der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0056" n="44"/>
mag nun das er&#x017F;te mittel &#x017F;eyn die <hi rendition="#fr">bußfer-<lb/>
tige reue</hi> u&#x0364;ber die &#x017F;u&#x0364;nde. Zwar &#x017F;olte die&#x017F;e<lb/>
dem frieden vielmehr entgegen zu&#x017F;eyn &#x017F;chei-<lb/>
nen/ als daß &#x017F;ie ein mittel dazu wa&#x0364;re: gleich-<lb/>
wie aber in dem natu&#x0364;rlichen die auß&#x017F;aube-<lb/>
rung der wunden/ welche etwa mit gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en &#x017F;chmertzen/ und damit dem men&#x017F;chen<lb/>
weher ge&#x017F;chicht/ als ihm die wunde &#x017F;elbs<lb/>
nicht gethan ha&#x0364;tte/ ein mittel i&#x017F;t/ zu folgen-<lb/>
der linderung und heilung der &#x017F;chmertzen/ &#x017F;o<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en in dem gei&#x017F;tlichen die buß und reue<lb/>
die jenige &#x017F;eyn/ welche un&#x017F;ere wunden einiger<lb/>
ma&#x017F;&#x017F;en auß&#x017F;a&#x0364;ubern und außwa&#x017F;chen/ da-<lb/>
mit nichts unerkantes bo&#x0364;&#x017F;es al&#x017F;o &#x017F;tecken<lb/>
bleibe/ das wo obenhin geheilet wird/<lb/>
nachmal die wunde unterko&#x0364;tigt machte/<lb/>
und neue noch &#x017F;chwehrere &#x017F;chmertzen ver-<lb/>
ur&#x017F;achte. J&#x017F;t al&#x017F;o no&#x0364;thig/ daß man in<lb/>
&#x017F;einer buß &#x017F;einer ja nicht &#x017F;elb&#x017F;ten &#x017F;chone/<lb/>
&#x017F;ondern &#x017F;ein we&#x017F;en flei&#x017F;&#x017F;ig unter&#x017F;uche/ und<lb/>
was &#x017F;u&#x0364;ndlich vorhanden i&#x017F;t/ &#x017F;o wol erken-<lb/>
ne/ und fich leyd &#x017F;eyn laf&#x017F;e/ alsvornehm-<lb/>
lich mit ern&#x017F;tlichem vor&#x017F;atz von &#x017F;ich ablege.<lb/>
Ein &#x017F;olches hertz/ welches keine &#x017F;olche &#x017F;u&#x0364;nde<lb/>
mehr in &#x017F;ich hat/ die es nicht angreiffen/<lb/>
&#x017F;ondern der&#x017F;elben &#x017F;chonen wolte/ i&#x017F;t alsdann<lb/>
er&#x017F;t recht fa&#x0364;hig des innerlichen friedens und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[44/0056] mag nun das erſte mittel ſeyn die bußfer- tige reue uͤber die ſuͤnde. Zwar ſolte dieſe dem frieden vielmehr entgegen zuſeyn ſchei- nen/ als daß ſie ein mittel dazu waͤre: gleich- wie aber in dem natuͤrlichen die außſaube- rung der wunden/ welche etwa mit groſ- ſen ſchmertzen/ und damit dem menſchen weher geſchicht/ als ihm die wunde ſelbs nicht gethan haͤtte/ ein mittel iſt/ zu folgen- der linderung und heilung der ſchmertzen/ ſo muͤſſen in dem geiſtlichen die buß und reue die jenige ſeyn/ welche unſere wunden einiger maſſen außſaͤubern und außwaſchen/ da- mit nichts unerkantes boͤſes alſo ſtecken bleibe/ das wo obenhin geheilet wird/ nachmal die wunde unterkoͤtigt machte/ und neue noch ſchwehrere ſchmertzen ver- urſachte. Jſt alſo noͤthig/ daß man in ſeiner buß ſeiner ja nicht ſelbſten ſchone/ ſondern ſein weſen fleiſſig unterſuche/ und was ſuͤndlich vorhanden iſt/ ſo wol erken- ne/ und fich leyd ſeyn lafſe/ alsvornehm- lich mit ernſtlichem vorſatz von ſich ablege. Ein ſolches hertz/ welches keine ſolche ſuͤnde mehr in ſich hat/ die es nicht angreiffen/ ſondern derſelben ſchonen wolte/ iſt alsdann erſt recht faͤhig des innerlichen friedens und der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_friede_1686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_friede_1686/56
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Der innerliche und geistliche Friede. Frankfurt (Main), 1686, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_friede_1686/56>, abgerufen am 27.04.2024.