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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.

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Sonne war soeben in das Meer gesunken und schien
die in allen Schattirungen von Roth und Gold pran¬
genden Wolken wie in einem Strudel hinter sich her¬
zuziehen. Von dem Punkte, wo sie untergegangen war,
schossen lichte Streifen durch die Wolken nach allen
Seiten bis hoch hinauf in den durchsichtig blauen
Himmel. Die See war nach dem Horinzonte hin ein
Feuermeer, und auf einzelnen höheren Wellen zitterten
die goldenen Funken bis zum Strand herüber. Das
hohe vielfach zerklüftete Kreideufer und der Buchwald,
der es krönte, waren von dem rothen Abendschein,
wie von einer bengalischen Flamme angestrahlt. Rings
umher tiefe feierliche Stille, nur unterbrochen von
dem dumpfen Rauschen der Wogen unten auf den
Kieseln des Strandes, und dann und wann von dem
grellen Schrei einer Möve, die über den erregten
Wassern flatterte.

Die Gesellschaft stand, in Betrachtung des
herrlichen Schauspiels, das mit jedem Augenblicke
wechselte, verloren, gruppenweis da. Oswald, dem die
ewigen Ach's und Oh's, an denen sich besonders die
Baronin und Felix überboten, nachgerade langweilig
wurden, hatte sich etwas von den Uebrigen entfernt
und sich auf die bloß liegende Wurzel einer mächtigen
Buche gesetzt.

Sonne war ſoeben in das Meer geſunken und ſchien
die in allen Schattirungen von Roth und Gold pran¬
genden Wolken wie in einem Strudel hinter ſich her¬
zuziehen. Von dem Punkte, wo ſie untergegangen war,
ſchoſſen lichte Streifen durch die Wolken nach allen
Seiten bis hoch hinauf in den durchſichtig blauen
Himmel. Die See war nach dem Horinzonte hin ein
Feuermeer, und auf einzelnen höheren Wellen zitterten
die goldenen Funken bis zum Strand herüber. Das
hohe vielfach zerklüftete Kreideufer und der Buchwald,
der es krönte, waren von dem rothen Abendſchein,
wie von einer bengaliſchen Flamme angeſtrahlt. Rings
umher tiefe feierliche Stille, nur unterbrochen von
dem dumpfen Rauſchen der Wogen unten auf den
Kieſeln des Strandes, und dann und wann von dem
grellen Schrei einer Möve, die über den erregten
Waſſern flatterte.

Die Geſellſchaft ſtand, in Betrachtung des
herrlichen Schauſpiels, das mit jedem Augenblicke
wechſelte, verloren, gruppenweis da. Oswald, dem die
ewigen Ach's und Oh's, an denen ſich beſonders die
Baronin und Felix überboten, nachgerade langweilig
wurden, hatte ſich etwas von den Uebrigen entfernt
und ſich auf die bloß liegende Wurzel einer mächtigen
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[22/0032] Sonne war ſoeben in das Meer geſunken und ſchien die in allen Schattirungen von Roth und Gold pran¬ genden Wolken wie in einem Strudel hinter ſich her¬ zuziehen. Von dem Punkte, wo ſie untergegangen war, ſchoſſen lichte Streifen durch die Wolken nach allen Seiten bis hoch hinauf in den durchſichtig blauen Himmel. Die See war nach dem Horinzonte hin ein Feuermeer, und auf einzelnen höheren Wellen zitterten die goldenen Funken bis zum Strand herüber. Das hohe vielfach zerklüftete Kreideufer und der Buchwald, der es krönte, waren von dem rothen Abendſchein, wie von einer bengaliſchen Flamme angeſtrahlt. Rings umher tiefe feierliche Stille, nur unterbrochen von dem dumpfen Rauſchen der Wogen unten auf den Kieſeln des Strandes, und dann und wann von dem grellen Schrei einer Möve, die über den erregten Waſſern flatterte. Die Geſellſchaft ſtand, in Betrachtung des herrlichen Schauſpiels, das mit jedem Augenblicke wechſelte, verloren, gruppenweis da. Oswald, dem die ewigen Ach's und Oh's, an denen ſich beſonders die Baronin und Felix überboten, nachgerade langweilig wurden, hatte ſich etwas von den Uebrigen entfernt und ſich auf die bloß liegende Wurzel einer mächtigen Buche geſetzt.

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/32>, abgerufen am 26.04.2024.