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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Kalmia.

4. Die Saftdecke ist zugleich das Saftmaal. Denn die
Krone ist roth, jene Haare aber sind weiß.

Daß Linne von der Gattung Kalmia sich einen unrichti-
gen Begriff gemacht hat, deshalb kann man ihm mit Recht keine
Vorwürfe machen, da er dieselbe nur aus getrockneten Exemplaren
gekannt hat, welches aus dem dem Gattungsnamen beygesetzten
Kreuz erhellt. Zu diesem unrichtigen Begriff gehört erstens, daß
er sagt, die Staubgefäße stehen aufrecht. Denn dies ist nicht
ihre natürliche Stellung, sondern sie sind bogenförmig gekrümmt,
und ihre Antheren stecken in den Höhlen der Krone, welche er
Safthörner nennt. Die aufrechte Stellung erhalten sie erst,
wenn sie von einem Insekt sind berührt worden. In den getrock-
neten Blumen, welche Linne untersucht hat, steckten sie nicht
mehr in den Höhlen. Aus diesem ersten Irrthum entstand der
zweyte, nemlich daß er die Höhlen der Krone für Saftbehältnisse
hielt. Dies würde er nicht gethan haben, wenn er gesehen hätte,
daß die Antheren in diesen Höhlen stecken. Denn daß Antheren
im Safthalter stecken, wird man in keiner einzigen Blume finden,
weil es eine wahre Ungereimtheit seyn würde. Denn der Anthe-
renstaub und der Saft würden sich einander gegenseitig verderben;
jener würde diesen den Insekten ungenießbar, und dieser jenen
zur Befruchtung untauglich machen. Mich wundert also, daß
Medikus, welcher die frischen Blumen der Kalmia latifolia
und angustifolia beobachtet hat, diesen Irrthum nicht entdeckt,
wenigstens nicht angezeigt hat. Gezweifelt scheint er daran zu
haben, daß diese Höhlen Saft enthalten, indem er S. 128. sagt:
"Die zehn Höhlen, welche der Herr von Linne Nektarhöhlen
"nennt etc." Sobald ich die gegenwärtige Art erblickte, schloß
ich aus dem Saftmaal und der Saftdecke, daß der Saft sich im
Grunde der Kronenröhre befinden müsse.

Diese Blume verdient nebst ihren Gattungsverwandten so
sehr, als irgend eine andere, für ein Wunder der Natur gehalten
zu werden, wegen der besonderen Einrichtung ihrer Staubgefäße.
Kölreuter hat dieselbe zuerst bemerkt, und dem Medikus
gezeigt. Die zehn Staubgefäße stecken nemlich mit den Anthe-
ren in eben so vielen Höhlen, welche der Kronensaum hat. Da
nun die Filamente länger sind, als der Abstand dieser Höhlen
von der Oeffnung der Kronenröhre, so müssen sie natürlicherweise
bogenförmig gekrümmt seyn. Berührt man nun ein Staubgefäß
ein wenig, so springt es aus der Höhle heraus, fährt in die Höhe,
und steht grade. Dies haben die beiden genannten Männer für
Reizbarkeit gehalten; es ist aber weiter nichts als Elasticität.
Solange die Antheren in den Höhlen stecken, können sie nichts
von ihrem Staube verlieren. Denn eine jede besteht aus zwey
Bälgen, welche bloß an der Spitze eine Oeffnung haben; diese
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Kalmia. Ledum. Arbutus.
Oeffnungen werden von den Höhlen der Krone, in welchen sie
dicht anliegen, verschlossen. Besucht aber ein Insekt die Blume,
so muß es nothwendig, indem es den Saft aus der Kronenröhre
herausholt, mit den Beinen ein Staubgefäß nach dem andern
berühren. Die berührten Staubgefäße fahren in die Höhe, und
schleudern den Staub aus den Antheren heraus, von welchem
nothwendig ein Theil auf das Stigma fallen muß.

Wenn Medikus S. 139. sagt, daß die Staubgefäße nicht
bloß reizbar, sondern auch, wie er es nennt, wandernd sind,
oder, daß sie sich auch von selbst aus den Höhlen begeben, sich
aber in diesem Fall nur ganz langsam dem Pistill nähern: so ist
Letzteres vermuthlich nur von den Staubgefäßen einer alten und
dem Verblühen nahen Blume zu verstehen. Denn wann die
Staubgefäße anfangen welk zu werden und einzuschrumpfen, so
können sie sich leicht von selbst aus den Höhlen begeben; sie haben
aber auch alsdenn keine Elasticität mehr, und können folglich
nicht mit Gewalt in die Höhe und an das Pistill hinanspringen.

Ich fand die Blumen am 12. May des vergangenen Jahres
in der Tegelschen Plantage, doch nur in geringer Anzahl, an
zwey kleinen Sträuchern. Die Antheren steckten insgesamt noch
in den Höhlen der Krone; folglich waren die Blumen noch von
keinem Insekt besucht worden. Vielleicht hält sich dasjenige,
welches zur Befruchtung der Blume bestimmt ist, hier zu Lande
nicht auf, oder vielleicht kennen unsere Insekten diesen Fremd-
ling noch nicht.

Ledum.

Ledum palustre. Gleditsch (Forstwissenschaft.
1. B. S. 318.) sagt, daß die Blumen einen sehr angenehmen,
dabey aber höchst durchdringenden Geruch haben, und daß sie
von den Bienen sehr gesucht werden. Es ist also wahrscheinlich,
daß sie Saftblumen sind. Wenn er aber hernach sagt, daß die
Stiele der Früchte, wann diese reif sind, sich nach unten zu bie-
gen, damit die Samenkörner herausfallen können: so muß es
grade umgekehrt heißen, damit sie nicht herausfallen können,
sondern durch den Wind herausgeworfen und weit verstreuet wer-
den. Denn die Samenkapseln bekommen an der Basis Oeff-
nungen, welche also, wann die Stiele sich abwärts gebogen ha-
ben, oben stehen.

Arbutus.

Arbutus Vnedo. Erdbeerbaum. Tab. XIII. 28. Die
vergrösserte Blume. Tab. XIV. 2--7.

2. Dieselbe, von unten gesehen.

3. Die-
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Kalmia.

4. Die Saftdecke iſt zugleich das Saftmaal. Denn die
Krone iſt roth, jene Haare aber ſind weiß.

Daß Linné von der Gattung Kalmia ſich einen unrichti-
gen Begriff gemacht hat, deshalb kann man ihm mit Recht keine
Vorwuͤrfe machen, da er dieſelbe nur aus getrockneten Exemplaren
gekannt hat, welches aus dem dem Gattungsnamen beygeſetzten
Kreuz erhellt. Zu dieſem unrichtigen Begriff gehoͤrt erſtens, daß
er ſagt, die Staubgefaͤße ſtehen aufrecht. Denn dies iſt nicht
ihre natuͤrliche Stellung, ſondern ſie ſind bogenfoͤrmig gekruͤmmt,
und ihre Antheren ſtecken in den Hoͤhlen der Krone, welche er
Safthoͤrner nennt. Die aufrechte Stellung erhalten ſie erſt,
wenn ſie von einem Inſekt ſind beruͤhrt worden. In den getrock-
neten Blumen, welche Linné unterſucht hat, ſteckten ſie nicht
mehr in den Hoͤhlen. Aus dieſem erſten Irrthum entſtand der
zweyte, nemlich daß er die Hoͤhlen der Krone fuͤr Saftbehaͤltniſſe
hielt. Dies wuͤrde er nicht gethan haben, wenn er geſehen haͤtte,
daß die Antheren in dieſen Hoͤhlen ſtecken. Denn daß Antheren
im Safthalter ſtecken, wird man in keiner einzigen Blume finden,
weil es eine wahre Ungereimtheit ſeyn wuͤrde. Denn der Anthe-
renſtaub und der Saft wuͤrden ſich einander gegenſeitig verderben;
jener wuͤrde dieſen den Inſekten ungenießbar, und dieſer jenen
zur Befruchtung untauglich machen. Mich wundert alſo, daß
Medikus, welcher die friſchen Blumen der Kalmia latifolia
und anguſtifolia beobachtet hat, dieſen Irrthum nicht entdeckt,
wenigſtens nicht angezeigt hat. Gezweifelt ſcheint er daran zu
haben, daß dieſe Hoͤhlen Saft enthalten, indem er S. 128. ſagt:
„Die zehn Hoͤhlen, welche der Herr von Linné Nektarhoͤhlen
„nennt ꝛc.“ Sobald ich die gegenwaͤrtige Art erblickte, ſchloß
ich aus dem Saftmaal und der Saftdecke, daß der Saft ſich im
Grunde der Kronenroͤhre befinden muͤſſe.

Dieſe Blume verdient nebſt ihren Gattungsverwandten ſo
ſehr, als irgend eine andere, fuͤr ein Wunder der Natur gehalten
zu werden, wegen der beſonderen Einrichtung ihrer Staubgefaͤße.
Koͤlreuter hat dieſelbe zuerſt bemerkt, und dem Medikus
gezeigt. Die zehn Staubgefaͤße ſtecken nemlich mit den Anthe-
ren in eben ſo vielen Hoͤhlen, welche der Kronenſaum hat. Da
nun die Filamente laͤnger ſind, als der Abſtand dieſer Hoͤhlen
von der Oeffnung der Kronenroͤhre, ſo muͤſſen ſie natuͤrlicherweiſe
bogenfoͤrmig gekruͤmmt ſeyn. Beruͤhrt man nun ein Staubgefaͤß
ein wenig, ſo ſpringt es aus der Hoͤhle heraus, faͤhrt in die Hoͤhe,
und ſteht grade. Dies haben die beiden genannten Maͤnner fuͤr
Reizbarkeit gehalten; es iſt aber weiter nichts als Elaſticitaͤt.
Solange die Antheren in den Hoͤhlen ſtecken, koͤnnen ſie nichts
von ihrem Staube verlieren. Denn eine jede beſteht aus zwey
Baͤlgen, welche bloß an der Spitze eine Oeffnung haben; dieſe
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Kalmia. Ledum. Arbutus.
Oeffnungen werden von den Hoͤhlen der Krone, in welchen ſie
dicht anliegen, verſchloſſen. Beſucht aber ein Inſekt die Blume,
ſo muß es nothwendig, indem es den Saft aus der Kronenroͤhre
herausholt, mit den Beinen ein Staubgefaͤß nach dem andern
beruͤhren. Die beruͤhrten Staubgefaͤße fahren in die Hoͤhe, und
ſchleudern den Staub aus den Antheren heraus, von welchem
nothwendig ein Theil auf das Stigma fallen muß.

Wenn Medikus S. 139. ſagt, daß die Staubgefaͤße nicht
bloß reizbar, ſondern auch, wie er es nennt, wandernd ſind,
oder, daß ſie ſich auch von ſelbſt aus den Hoͤhlen begeben, ſich
aber in dieſem Fall nur ganz langſam dem Piſtill naͤhern: ſo iſt
Letzteres vermuthlich nur von den Staubgefaͤßen einer alten und
dem Verbluͤhen nahen Blume zu verſtehen. Denn wann die
Staubgefaͤße anfangen welk zu werden und einzuſchrumpfen, ſo
koͤnnen ſie ſich leicht von ſelbſt aus den Hoͤhlen begeben; ſie haben
aber auch alsdenn keine Elaſticitaͤt mehr, und koͤnnen folglich
nicht mit Gewalt in die Hoͤhe und an das Piſtill hinanſpringen.

Ich fand die Blumen am 12. May des vergangenen Jahres
in der Tegelſchen Plantage, doch nur in geringer Anzahl, an
zwey kleinen Straͤuchern. Die Antheren ſteckten insgeſamt noch
in den Hoͤhlen der Krone; folglich waren die Blumen noch von
keinem Inſekt beſucht worden. Vielleicht haͤlt ſich dasjenige,
welches zur Befruchtung der Blume beſtimmt iſt, hier zu Lande
nicht auf, oder vielleicht kennen unſere Inſekten dieſen Fremd-
ling noch nicht.

Ledum.

Ledum paluſtre. Gleditſch (Forſtwiſſenſchaft.
1. B. S. 318.) ſagt, daß die Blumen einen ſehr angenehmen,
dabey aber hoͤchſt durchdringenden Geruch haben, und daß ſie
von den Bienen ſehr geſucht werden. Es iſt alſo wahrſcheinlich,
daß ſie Saftblumen ſind. Wenn er aber hernach ſagt, daß die
Stiele der Fruͤchte, wann dieſe reif ſind, ſich nach unten zu bie-
gen, damit die Samenkoͤrner herausfallen koͤnnen: ſo muß es
grade umgekehrt heißen, damit ſie nicht herausfallen koͤnnen,
ſondern durch den Wind herausgeworfen und weit verſtreuet wer-
den. Denn die Samenkapſeln bekommen an der Baſis Oeff-
nungen, welche alſo, wann die Stiele ſich abwaͤrts gebogen ha-
ben, oben ſtehen.

Arbutus.

Arbutus Vnedo. Erdbeerbaum. Tab. XIII. 28. Die
vergroͤſſerte Blume. Tab. XIV. 2—7.

2. Dieſelbe, von unten geſehen.

3. Die-
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Dies wuͤrde er nicht gethan haben, wenn er geſehen haͤtte, daß die Antheren in dieſen Hoͤhlen ſtecken. Denn daß Antheren im Safthalter ſtecken, wird man in keiner einzigen Blume finden, weil es eine wahre Ungereimtheit ſeyn wuͤrde. Denn der Anthe- renſtaub und der Saft wuͤrden ſich einander gegenſeitig verderben; jener wuͤrde dieſen den Inſekten ungenießbar, und dieſer jenen zur Befruchtung untauglich machen. Mich wundert alſo, daß Medikus, welcher die friſchen Blumen der Kalmia latifolia und anguſtifolia beobachtet hat, dieſen Irrthum nicht entdeckt, wenigſtens nicht angezeigt hat. Gezweifelt ſcheint er daran zu haben, daß dieſe Hoͤhlen Saft enthalten, indem er S. 128. ſagt: „Die zehn Hoͤhlen, welche der Herr von Linné Nektarhoͤhlen „nennt ꝛc.“ Sobald ich die gegenwaͤrtige Art erblickte, ſchloß ich aus dem Saftmaal und der Saftdecke, daß der Saft ſich im Grunde der Kronenroͤhre befinden muͤſſe. Dieſe Blume verdient nebſt ihren Gattungsverwandten ſo ſehr, als irgend eine andere, fuͤr ein Wunder der Natur gehalten zu werden, wegen der beſonderen Einrichtung ihrer Staubgefaͤße. Koͤlreuter hat dieſelbe zuerſt bemerkt, und dem Medikus gezeigt. Die zehn Staubgefaͤße ſtecken nemlich mit den Anthe- ren in eben ſo vielen Hoͤhlen, welche der Kronenſaum hat. Da nun die Filamente laͤnger ſind, als der Abſtand dieſer Hoͤhlen von der Oeffnung der Kronenroͤhre, ſo muͤſſen ſie natuͤrlicherweiſe bogenfoͤrmig gekruͤmmt ſeyn. Beruͤhrt man nun ein Staubgefaͤß ein wenig, ſo ſpringt es aus der Hoͤhle heraus, faͤhrt in die Hoͤhe, und ſteht grade. Dies haben die beiden genannten Maͤnner fuͤr Reizbarkeit gehalten; es iſt aber weiter nichts als Elaſticitaͤt. Solange die Antheren in den Hoͤhlen ſtecken, koͤnnen ſie nichts von ihrem Staube verlieren. Denn eine jede beſteht aus zwey Baͤlgen, welche bloß an der Spitze eine Oeffnung haben; dieſe Oeffnungen werden von den Hoͤhlen der Krone, in welchen ſie dicht anliegen, verſchloſſen. Beſucht aber ein Inſekt die Blume, ſo muß es nothwendig, indem es den Saft aus der Kronenroͤhre herausholt, mit den Beinen ein Staubgefaͤß nach dem andern beruͤhren. Die beruͤhrten Staubgefaͤße fahren in die Hoͤhe, und ſchleudern den Staub aus den Antheren heraus, von welchem nothwendig ein Theil auf das Stigma fallen muß. Wenn Medikus S. 139. ſagt, daß die Staubgefaͤße nicht bloß reizbar, ſondern auch, wie er es nennt, wandernd ſind, oder, daß ſie ſich auch von ſelbſt aus den Hoͤhlen begeben, ſich aber in dieſem Fall nur ganz langſam dem Piſtill naͤhern: ſo iſt Letzteres vermuthlich nur von den Staubgefaͤßen einer alten und dem Verbluͤhen nahen Blume zu verſtehen. Denn wann die Staubgefaͤße anfangen welk zu werden und einzuſchrumpfen, ſo koͤnnen ſie ſich leicht von ſelbſt aus den Hoͤhlen begeben; ſie haben aber auch alsdenn keine Elaſticitaͤt mehr, und koͤnnen folglich nicht mit Gewalt in die Hoͤhe und an das Piſtill hinanſpringen. Ich fand die Blumen am 12. May des vergangenen Jahres in der Tegelſchen Plantage, doch nur in geringer Anzahl, an zwey kleinen Straͤuchern. Die Antheren ſteckten insgeſamt noch in den Hoͤhlen der Krone; folglich waren die Blumen noch von keinem Inſekt beſucht worden. Vielleicht haͤlt ſich dasjenige, welches zur Befruchtung der Blume beſtimmt iſt, hier zu Lande nicht auf, oder vielleicht kennen unſere Inſekten dieſen Fremd- ling noch nicht. Ledum. Ledum paluſtre. Gleditſch (Forſtwiſſenſchaft. 1. B. S. 318.) ſagt, daß die Blumen einen ſehr angenehmen, dabey aber hoͤchſt durchdringenden Geruch haben, und daß ſie von den Bienen ſehr geſucht werden. Es iſt alſo wahrſcheinlich, daß ſie Saftblumen ſind. Wenn er aber hernach ſagt, daß die Stiele der Fruͤchte, wann dieſe reif ſind, ſich nach unten zu bie- gen, damit die Samenkoͤrner herausfallen koͤnnen: ſo muß es grade umgekehrt heißen, damit ſie nicht herausfallen koͤnnen, ſondern durch den Wind herausgeworfen und weit verſtreuet wer- den. Denn die Samenkapſeln bekommen an der Baſis Oeff- nungen, welche alſo, wann die Stiele ſich abwaͤrts gebogen ha- ben, oben ſtehen. Arbutus. Arbutus Vnedo. Erdbeerbaum. Tab. XIII. 28. Die vergroͤſſerte Blume. Tab. XIV. 2—7. 2. Dieſelbe, von unten geſehen. 3. Die-

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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [132]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/132>, abgerufen am 26.04.2024.