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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Papauer. Nymphaea.
von dieser Art S. 241., und vom Papauer dubium und Rhoeas
S. 202. bloß, daß sie den Bienen Stoff zu Wachs geben, hat
also so wenig, als ich, Saft in denselben gefunden. Auf dem
Papauer dubium und somniferum habe ich Bienen angetroffen.

Papauer dubium. Daß diese Blume nicht vom Winde,
sondern von den Bienen befruchtet werde, ist sehr wahrscheinlich.
Denn nicht nur verhindern die Kronenblätter, daß der Wind den
Staub von den Antheren wehen kann, sondern dieser Staub
sitzt auch ziemlich fest, und läßt sich keinesweges leicht wegbla-
len, und die Blume ist in diesem Stück völlig den Saftblumen,
keinesweges aber denjenigen ähnlich, welche auf eine mechanische
Art befruchtet werden. Ich habe verschiedene jüngere Blumen
genau besehen, und zwar zu einer Zeit, da der Wind wehete,
und nicht Ein Staubkörnchen auf dem Stigma gefunden, da im
Gegentheil das Stigma der älteren Blumen bestäubt war. Dies
läßt sich nicht anders erklären, als so, daß eine Biene die letzteren
besucht und ihr Stigma bestäubt habe, die ersteren aber damals
noch nicht sich geöffnet gehabt haben.

Nymphaea.

Nymphaea lutea. Tab. XXIII. 5. 6. 7. 10.

5. Die Blume in natürlicher Grösse, von oben gesehen.
Auf dem Stigma kriecht ein Blumenkäfer.

10. Dieselbe in natürlicher Stellung im Durchschnitt.

6. Ein Saftblatt von oben.

7. Dasselbe von unten.

Die Linneische Beschreibung der Gattung stimmt zwar
mit der Nymphaea alba, keinesweges aber mit dieser Art überein.
Die fünf äußeren großen Blätter nennt er Kelch, die vielen inne-
ren kleineren Krone. Daß dies irrig sey, läßt sich schon a priori
beweisen. Denn da die Krone einer Blume dazu dient, dieselbe,
als eine Saftblume, den Insekten von weitem bemerkbar zu
machen, und zu diesem Ende so groß als möglich seyn muß, der
Kelch hingegen, wenn er nicht zugleich auch die Krone ist, bloß
dazu dient, die noch nicht aufgebrochene Blume zu beschützen,
wann aber dieselbe blühet, mehrentheils keinen Nutzen stiftet,
und folglich so klein als möglich seyn muß: so würde die Natur
in dem Bau dieser Blume einen Fehler begangen haben, wenn
Linne Recht hätte, weil der Kelch weit grösser seyn würde, als
die Krone. So wie es nun aber an und für sich wahrscheinlicher
ist, daß sich Linne geirrt, als daß die Natur einen Fehler be-
gangen habe: so wird diese Wahrscheinlichkeit zur Gewißheit, so
bald man weiß, daß der Linneische Kelch zugleich die Krone,
die Linneischen Kronenblätter aber die Saftdrüsen sind. Die
fünf großen Blätter sind nemlich, ehe sie sich geöffnet haben, auf
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Nymphaea.
der äußeren Seite, und zwar, soweit sie nicht über einander lie-
gen, sondern der Luft ausgesetzt sind, grün, wie ein Kelch seyn
muß, auf der inneren Seite hingegen, und selbst auf denjenigen
Theilen der äußeren Seite, welche vorher über einander lagen,
gelb, also gefärbt, wie eine Krone seyn muß. Was aber die in-
neren kleineren Blätter betrifft, so sind dieselben theils fleischicht,
theils zwar auf der oberen Seite runzlicht, auf der unteren hinge-
gen eben und glatt, Fig. 7. Und auf dieser Seite sondern sie den
Saft ab. Dieser Saft ist gegen den Regen völlig gesichert,
weil die Saftblätter an den Kronen- oder Kelchblättern dicht an-
liegen.

Daß nun die Blume den Saft zu ihrem eigenen Besten her-
vorbringt, indem sie von den Insekten, welche sich von demselben
ernähren, befruchtet wird, ist sehr wahrscheinlich. Vielleicht ge-
schieht die Befruchtung durch ein anderes mir noch unbekanntes
Insekt, vielleicht aber auch durch die Blumenkäfer, welche ich
häufig in den Blumen gefunden habe. Diese Käfer traf ich theils
beym Saft, theils auf allen übrigen Theilen der Blume an. Nun
liegen die Staubgefäße, deren Antheren noch nicht blühen, dicht
an dem Pistill, diejenigen aber, welche blühen, haben sich von
dem Stigma abwärts und nach den Saftblättern zu herumgebogen,
und die nun obere Seite der Antheren ist staubicht, Fig. 10. Indem
also die Blumenkäfer allenthalben umherkriechen, so schleppen
sie den Staub der Antheren auf das mit einer klebrichten Feuch-
tigkeit überzogene Stigma.

Daß die Blume ein so großes Stigma und eine so große An-
zahl von Antheren hat, läßt sich aus der angegebenen Art der
Befruchtung sehr wohl erklären, und eben dadurch wird dieselbe
desto wahrscheinlicher. Zu dem Ende wollen wir sie mit der auf
eben dieser Kupfertafel in Fig. 9. abgebildeten Stachys syluatica
vergleichen. Diese hat nur vier Antheren und ein kleines Stigma.
Sie wird von einer Hummel besucht, welche, indem sie ihren
Saugerüssel in den Safthalter steckt, nothwendig den Staub der
Antheren der jüngeren Blume mit ihrem haarichten Kopf abstrei-
fen, und denselben eben so nothwendig auf das Stigma der äl-
teren Blume wieder absetzen muß. Hier sind also vier Antheren
und ein kleines Stigma zur Befruchtung vollkommen hinlänglich.
Bey der Nymphaea hingegen ist es ein bloßer Zufall, daß die
Blumenkäfer den Antherenstaub auf das Stigma schleppen.
Hätte sie also nur vier Antheren und ein kleines Stigma, so würde
es sich nur selten fügen, daß ein Käfer zuerst auf die Antheren,
und hernach auf das Stigma kröche, und die wenigsten Blumen
würden befruchtet werden. Es mußte also, was dieser Zufall un-
gewisses an sich hat, durch die Menge der Antheren und die Grösse
des Stigma ersetzt und aufgehoben werden.

S

[Spaltenumbruch]

Papauer. Nymphaea.
von dieſer Art S. 241., und vom Papauer dubium und Rhoeas
S. 202. bloß, daß ſie den Bienen Stoff zu Wachs geben, hat
alſo ſo wenig, als ich, Saft in denſelben gefunden. Auf dem
Papauer dubium und ſomniferum habe ich Bienen angetroffen.

Papauer dubium. Daß dieſe Blume nicht vom Winde,
ſondern von den Bienen befruchtet werde, iſt ſehr wahrſcheinlich.
Denn nicht nur verhindern die Kronenblaͤtter, daß der Wind den
Staub von den Antheren wehen kann, ſondern dieſer Staub
ſitzt auch ziemlich feſt, und laͤßt ſich keinesweges leicht wegbla-
len, und die Blume iſt in dieſem Stuͤck voͤllig den Saftblumen,
keinesweges aber denjenigen aͤhnlich, welche auf eine mechaniſche
Art befruchtet werden. Ich habe verſchiedene juͤngere Blumen
genau beſehen, und zwar zu einer Zeit, da der Wind wehete,
und nicht Ein Staubkoͤrnchen auf dem Stigma gefunden, da im
Gegentheil das Stigma der aͤlteren Blumen beſtaͤubt war. Dies
laͤßt ſich nicht anders erklaͤren, als ſo, daß eine Biene die letzteren
beſucht und ihr Stigma beſtaͤubt habe, die erſteren aber damals
noch nicht ſich geoͤffnet gehabt haben.

Nymphaea.

Nymphaea lutea. Tab. XXIII. 5. 6. 7. 10.

5. Die Blume in natuͤrlicher Groͤſſe, von oben geſehen.
Auf dem Stigma kriecht ein Blumenkaͤfer.

10. Dieſelbe in natuͤrlicher Stellung im Durchſchnitt.

6. Ein Saftblatt von oben.

7. Daſſelbe von unten.

Die Linnéiſche Beſchreibung der Gattung ſtimmt zwar
mit der Nymphaea alba, keinesweges aber mit dieſer Art uͤberein.
Die fuͤnf aͤußeren großen Blaͤtter nennt er Kelch, die vielen inne-
ren kleineren Krone. Daß dies irrig ſey, laͤßt ſich ſchon a priori
beweiſen. Denn da die Krone einer Blume dazu dient, dieſelbe,
als eine Saftblume, den Inſekten von weitem bemerkbar zu
machen, und zu dieſem Ende ſo groß als moͤglich ſeyn muß, der
Kelch hingegen, wenn er nicht zugleich auch die Krone iſt, bloß
dazu dient, die noch nicht aufgebrochene Blume zu beſchuͤtzen,
wann aber dieſelbe bluͤhet, mehrentheils keinen Nutzen ſtiftet,
und folglich ſo klein als moͤglich ſeyn muß: ſo wuͤrde die Natur
in dem Bau dieſer Blume einen Fehler begangen haben, wenn
Linné Recht haͤtte, weil der Kelch weit groͤſſer ſeyn wuͤrde, als
die Krone. So wie es nun aber an und fuͤr ſich wahrſcheinlicher
iſt, daß ſich Linné geirrt, als daß die Natur einen Fehler be-
gangen habe: ſo wird dieſe Wahrſcheinlichkeit zur Gewißheit, ſo
bald man weiß, daß der Linnéiſche Kelch zugleich die Krone,
die Linnéiſchen Kronenblaͤtter aber die Saftdruͤſen ſind. Die
fuͤnf großen Blaͤtter ſind nemlich, ehe ſie ſich geoͤffnet haben, auf
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Nymphaea.
der aͤußeren Seite, und zwar, ſoweit ſie nicht uͤber einander lie-
gen, ſondern der Luft ausgeſetzt ſind, gruͤn, wie ein Kelch ſeyn
muß, auf der inneren Seite hingegen, und ſelbſt auf denjenigen
Theilen der aͤußeren Seite, welche vorher uͤber einander lagen,
gelb, alſo gefaͤrbt, wie eine Krone ſeyn muß. Was aber die in-
neren kleineren Blaͤtter betrifft, ſo ſind dieſelben theils fleiſchicht,
theils zwar auf der oberen Seite runzlicht, auf der unteren hinge-
gen eben und glatt, Fig. 7. Und auf dieſer Seite ſondern ſie den
Saft ab. Dieſer Saft iſt gegen den Regen voͤllig geſichert,
weil die Saftblaͤtter an den Kronen- oder Kelchblaͤttern dicht an-
liegen.

Daß nun die Blume den Saft zu ihrem eigenen Beſten her-
vorbringt, indem ſie von den Inſekten, welche ſich von demſelben
ernaͤhren, befruchtet wird, iſt ſehr wahrſcheinlich. Vielleicht ge-
ſchieht die Befruchtung durch ein anderes mir noch unbekanntes
Inſekt, vielleicht aber auch durch die Blumenkaͤfer, welche ich
haͤufig in den Blumen gefunden habe. Dieſe Kaͤfer traf ich theils
beym Saft, theils auf allen uͤbrigen Theilen der Blume an. Nun
liegen die Staubgefaͤße, deren Antheren noch nicht bluͤhen, dicht
an dem Piſtill, diejenigen aber, welche bluͤhen, haben ſich von
dem Stigma abwaͤrts und nach den Saftblaͤttern zu herumgebogen,
und die nun obere Seite der Antheren iſt ſtaubicht, Fig. 10. Indem
alſo die Blumenkaͤfer allenthalben umherkriechen, ſo ſchleppen
ſie den Staub der Antheren auf das mit einer klebrichten Feuch-
tigkeit uͤberzogene Stigma.

Daß die Blume ein ſo großes Stigma und eine ſo große An-
zahl von Antheren hat, laͤßt ſich aus der angegebenen Art der
Befruchtung ſehr wohl erklaͤren, und eben dadurch wird dieſelbe
deſto wahrſcheinlicher. Zu dem Ende wollen wir ſie mit der auf
eben dieſer Kupfertafel in Fig. 9. abgebildeten Stachys ſyluatica
vergleichen. Dieſe hat nur vier Antheren und ein kleines Stigma.
Sie wird von einer Hummel beſucht, welche, indem ſie ihren
Saugeruͤſſel in den Safthalter ſteckt, nothwendig den Staub der
Antheren der juͤngeren Blume mit ihrem haarichten Kopf abſtrei-
fen, und denſelben eben ſo nothwendig auf das Stigma der aͤl-
teren Blume wieder abſetzen muß. Hier ſind alſo vier Antheren
und ein kleines Stigma zur Befruchtung vollkommen hinlaͤnglich.
Bey der Nymphaea hingegen iſt es ein bloßer Zufall, daß die
Blumenkaͤfer den Antherenſtaub auf das Stigma ſchleppen.
Haͤtte ſie alſo nur vier Antheren und ein kleines Stigma, ſo wuͤrde
es ſich nur ſelten fuͤgen, daß ein Kaͤfer zuerſt auf die Antheren,
und hernach auf das Stigma kroͤche, und die wenigſten Blumen
wuͤrden befruchtet werden. Es mußte alſo, was dieſer Zufall un-
gewiſſes an ſich hat, durch die Menge der Antheren und die Groͤſſe
des Stigma erſetzt und aufgehoben werden.

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[[149]/0149] Papauer. Nymphaea. Nymphaea. von dieſer Art S. 241., und vom Papauer dubium und Rhoeas S. 202. bloß, daß ſie den Bienen Stoff zu Wachs geben, hat alſo ſo wenig, als ich, Saft in denſelben gefunden. Auf dem Papauer dubium und ſomniferum habe ich Bienen angetroffen. Papauer dubium. Daß dieſe Blume nicht vom Winde, ſondern von den Bienen befruchtet werde, iſt ſehr wahrſcheinlich. Denn nicht nur verhindern die Kronenblaͤtter, daß der Wind den Staub von den Antheren wehen kann, ſondern dieſer Staub ſitzt auch ziemlich feſt, und laͤßt ſich keinesweges leicht wegbla- len, und die Blume iſt in dieſem Stuͤck voͤllig den Saftblumen, keinesweges aber denjenigen aͤhnlich, welche auf eine mechaniſche Art befruchtet werden. Ich habe verſchiedene juͤngere Blumen genau beſehen, und zwar zu einer Zeit, da der Wind wehete, und nicht Ein Staubkoͤrnchen auf dem Stigma gefunden, da im Gegentheil das Stigma der aͤlteren Blumen beſtaͤubt war. Dies laͤßt ſich nicht anders erklaͤren, als ſo, daß eine Biene die letzteren beſucht und ihr Stigma beſtaͤubt habe, die erſteren aber damals noch nicht ſich geoͤffnet gehabt haben. Nymphaea. Nymphaea lutea. Tab. XXIII. 5. 6. 7. 10. 5. Die Blume in natuͤrlicher Groͤſſe, von oben geſehen. Auf dem Stigma kriecht ein Blumenkaͤfer. 10. Dieſelbe in natuͤrlicher Stellung im Durchſchnitt. 6. Ein Saftblatt von oben. 7. Daſſelbe von unten. Die Linnéiſche Beſchreibung der Gattung ſtimmt zwar mit der Nymphaea alba, keinesweges aber mit dieſer Art uͤberein. Die fuͤnf aͤußeren großen Blaͤtter nennt er Kelch, die vielen inne- ren kleineren Krone. Daß dies irrig ſey, laͤßt ſich ſchon a priori beweiſen. Denn da die Krone einer Blume dazu dient, dieſelbe, als eine Saftblume, den Inſekten von weitem bemerkbar zu machen, und zu dieſem Ende ſo groß als moͤglich ſeyn muß, der Kelch hingegen, wenn er nicht zugleich auch die Krone iſt, bloß dazu dient, die noch nicht aufgebrochene Blume zu beſchuͤtzen, wann aber dieſelbe bluͤhet, mehrentheils keinen Nutzen ſtiftet, und folglich ſo klein als moͤglich ſeyn muß: ſo wuͤrde die Natur in dem Bau dieſer Blume einen Fehler begangen haben, wenn Linné Recht haͤtte, weil der Kelch weit groͤſſer ſeyn wuͤrde, als die Krone. So wie es nun aber an und fuͤr ſich wahrſcheinlicher iſt, daß ſich Linné geirrt, als daß die Natur einen Fehler be- gangen habe: ſo wird dieſe Wahrſcheinlichkeit zur Gewißheit, ſo bald man weiß, daß der Linnéiſche Kelch zugleich die Krone, die Linnéiſchen Kronenblaͤtter aber die Saftdruͤſen ſind. Die fuͤnf großen Blaͤtter ſind nemlich, ehe ſie ſich geoͤffnet haben, auf der aͤußeren Seite, und zwar, ſoweit ſie nicht uͤber einander lie- gen, ſondern der Luft ausgeſetzt ſind, gruͤn, wie ein Kelch ſeyn muß, auf der inneren Seite hingegen, und ſelbſt auf denjenigen Theilen der aͤußeren Seite, welche vorher uͤber einander lagen, gelb, alſo gefaͤrbt, wie eine Krone ſeyn muß. Was aber die in- neren kleineren Blaͤtter betrifft, ſo ſind dieſelben theils fleiſchicht, theils zwar auf der oberen Seite runzlicht, auf der unteren hinge- gen eben und glatt, Fig. 7. Und auf dieſer Seite ſondern ſie den Saft ab. Dieſer Saft iſt gegen den Regen voͤllig geſichert, weil die Saftblaͤtter an den Kronen- oder Kelchblaͤttern dicht an- liegen. Daß nun die Blume den Saft zu ihrem eigenen Beſten her- vorbringt, indem ſie von den Inſekten, welche ſich von demſelben ernaͤhren, befruchtet wird, iſt ſehr wahrſcheinlich. Vielleicht ge- ſchieht die Befruchtung durch ein anderes mir noch unbekanntes Inſekt, vielleicht aber auch durch die Blumenkaͤfer, welche ich haͤufig in den Blumen gefunden habe. Dieſe Kaͤfer traf ich theils beym Saft, theils auf allen uͤbrigen Theilen der Blume an. Nun liegen die Staubgefaͤße, deren Antheren noch nicht bluͤhen, dicht an dem Piſtill, diejenigen aber, welche bluͤhen, haben ſich von dem Stigma abwaͤrts und nach den Saftblaͤttern zu herumgebogen, und die nun obere Seite der Antheren iſt ſtaubicht, Fig. 10. Indem alſo die Blumenkaͤfer allenthalben umherkriechen, ſo ſchleppen ſie den Staub der Antheren auf das mit einer klebrichten Feuch- tigkeit uͤberzogene Stigma. Daß die Blume ein ſo großes Stigma und eine ſo große An- zahl von Antheren hat, laͤßt ſich aus der angegebenen Art der Befruchtung ſehr wohl erklaͤren, und eben dadurch wird dieſelbe deſto wahrſcheinlicher. Zu dem Ende wollen wir ſie mit der auf eben dieſer Kupfertafel in Fig. 9. abgebildeten Stachys ſyluatica vergleichen. Dieſe hat nur vier Antheren und ein kleines Stigma. Sie wird von einer Hummel beſucht, welche, indem ſie ihren Saugeruͤſſel in den Safthalter ſteckt, nothwendig den Staub der Antheren der juͤngeren Blume mit ihrem haarichten Kopf abſtrei- fen, und denſelben eben ſo nothwendig auf das Stigma der aͤl- teren Blume wieder abſetzen muß. Hier ſind alſo vier Antheren und ein kleines Stigma zur Befruchtung vollkommen hinlaͤnglich. Bey der Nymphaea hingegen iſt es ein bloßer Zufall, daß die Blumenkaͤfer den Antherenſtaub auf das Stigma ſchleppen. Haͤtte ſie alſo nur vier Antheren und ein kleines Stigma, ſo wuͤrde es ſich nur ſelten fuͤgen, daß ein Kaͤfer zuerſt auf die Antheren, und hernach auf das Stigma kroͤche, und die wenigſten Blumen wuͤrden befruchtet werden. Es mußte alſo, was dieſer Zufall un- gewiſſes an ſich hat, durch die Menge der Antheren und die Groͤſſe des Stigma erſetzt und aufgehoben werden. S

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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [149]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/149>, abgerufen am 26.04.2024.