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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Orchis.
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Zwanzigste Klasse. Gynandria.

Zwitterblumen, deren Staubgefäße auf dem Pistill sitzen.

[Spaltenumbruch]
Orchis.

Orchis latifolia (folio maculato). Tab. XXI. 31.
36--39.

38. Die vergrösserte Blume in natürlicher Stellung, von
vorne gesehen. Neben dieser Figur a ein Staubkölbchen.

39. Dieselbe, von der Seite gesehen.

31. Dieselbe, nachdem die Unterlippe nebst der vordersten
Hälfte des Horns weggeschnitten worden.

36. Dient zur Erläuterung der 31. und 38. Figur. a b und
g sind die Fächer, in welchen die beiden Staubkölbchen verbor-
gen und vor dem Regen wohl verwahrt liegen. Ein solches
Staubkölbchen besteht aus dem Kölbchen selbst, einem Kügelchen,
und einem Faden, welcher beide mit einander verbindet, Fig.
38. a. Das Fach a b hat sein Staubkölbchen noch, und das Kü-
gelchen b ragt aus demselben hervor. Daß dieses hier, nicht aber
in Fig. 31. und 38. gesehen wird, kömmt daher, daß hier das
kleine Kläppchen f umgeschlagen worden ist, welches in jenen Fi-
guren in seiner natürlichen Stellung sich befindet, und die beiden
Kügelchen verdeckt. Das andere Fach g hat sein Staubkölbchen
verloren. Dasselbe klebt an dem mit einer klebrichten Feuchtigkeit
überzogenen Stigma b h c i rechter Hand, und e ist sein Kü-
gelchen.

37. Die Blume, von der Seite gesehen, nachdem die vor-
derste Hälfte derselben weggeschnitten worden. a b ist das noch
vorhandene Fach, und b das Kügelchen. Das ganze Kläppchen
ist weggeschnitten. Was zwischen b und c punktirt ist, ist die
Hälfte des Stigma. d ist das Innere des Fruchtknotens, wel-
ches mit den jungen Samenkörnern angefüllt ist. Man sieht,
daß dasselbe mit dem Stigma in Verbindung steht, und daß bey
e die Oeffnung ist, durch welche das befruchtende Wesen des
Staubes in das Ouarium dringt.

Gegenwärtige Art hat mir zuerst Gelegenheit gegeben, die
eigentliche Struktur der Orchisblumen zu entdecken, welche man
bisher so wenig gekannt hat, daß man auch nicht einmal gewußt
hat, was das Stigma ist. Linne hat nemlich das kleine Kläpp-
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Orchis.
[Spaltenumbruch] chen f Fig. 36. für das Stigma gehalten *). Was Kölreuter
für das Stigma gehalten habe, wird in der Folge gesagt werden.
Den Theil b h c i hatte ich sonst für die Saftdrüse gehalten,
weil er mit einer gewissen Feuchtigkeit überzogen ist. Schon der
einzige Umstand, daß diese Feuchtigkeit klebricht ist, hätte mich auf
andere Gedanken bringen sollen. Indem ich nun diesen Theil
einstmals genau betrachte, so sehe ich, daß ein Staubkölbchen in
Gestalt eines körnichten Weisens an demselben klebt. Ich durch-
suche die beiden Fächer, und finde, daß das eine von den Staub-
kölbchen fehlt, welches also eben dasjenige war, welches auf der
klebrichten Stelle saß. Nachdem ich ein ähnliches in mehreren
Blumen gefunden habe, so mache ich den Schluß, daß diese
klebrichte Stelle das wahre Stigma sey. Aber wie kommen denn
die Staubkölbchen auf dieses Stigma? frage ich mich selbst.
Denn daß sie von selbst aus ihren Fächern sollten herausfallen
können, oder daß der Wind sie sollte herauswehen können, daran
ist nicht zu denken. Ich nehme also einen dünnen Grashalm,
oder was es sonst war, berühre damit das unterste Ende der bei-
den Fächer, und sehe voller Verwunderung, daß ich damit ein
kleines Kläppchen zurückstoße, und ein Staubkölbchen heraushole.
Ein solches Kölbchen liegt zwar in seinem Fach wohl verschlossen;
es ist aber nirgends angewachsen, sondern ganz isolirt. Eine An-
there ist es zwar; einen Staubbeutel aber kann man es nicht nennen,
da es nicht eine Haut um sich hat, sondern aus lauter Staube be-
steht. Es hängt an einem Faden, und dieser Faden wieder an
einem Kügelchen, welches nicht im Fach eingeschlossen liegt, son-
dern sich außerhalb desselben befindet, aber dennoch nicht in die
Augen fällt, weil es von dem Kläppchen verdeckt wird. So wie
ich also mit dem Grashalm dies Kläppchen zurückgestoßen hatte,
so war das Kügelchen von jenem berührt worden, und war an
demselben kleben geblieben; folglich mußte, als ich mit dem Gras-
halm eine kleine Bewegung machte, das Staubkölbchen aus dem
Fach herauskommen.

*) Ich wüßte wenigstens nicht, was er sonst sollte durch sein
Stigma verstanden haben. Bey der Serapias aber kann ich sein
Stigma gar nicht finden.
C c 2
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Orchis.
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Zwanzigſte Klaſſe. Gynandria.

Zwitterblumen, deren Staubgefaͤße auf dem Piſtill ſitzen.

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Orchis.

Orchis latifolia (folio maculato). Tab. XXI. 31.
36—39.

38. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung, von
vorne geſehen. Neben dieſer Figur a ein Staubkoͤlbchen.

39. Dieſelbe, von der Seite geſehen.

31. Dieſelbe, nachdem die Unterlippe nebſt der vorderſten
Haͤlfte des Horns weggeſchnitten worden.

36. Dient zur Erlaͤuterung der 31. und 38. Figur. a b und
g ſind die Faͤcher, in welchen die beiden Staubkoͤlbchen verbor-
gen und vor dem Regen wohl verwahrt liegen. Ein ſolches
Staubkoͤlbchen beſteht aus dem Koͤlbchen ſelbſt, einem Kuͤgelchen,
und einem Faden, welcher beide mit einander verbindet, Fig.
38. a. Das Fach a b hat ſein Staubkoͤlbchen noch, und das Kuͤ-
gelchen b ragt aus demſelben hervor. Daß dieſes hier, nicht aber
in Fig. 31. und 38. geſehen wird, koͤmmt daher, daß hier das
kleine Klaͤppchen f umgeſchlagen worden iſt, welches in jenen Fi-
guren in ſeiner natuͤrlichen Stellung ſich befindet, und die beiden
Kuͤgelchen verdeckt. Das andere Fach g hat ſein Staubkoͤlbchen
verloren. Daſſelbe klebt an dem mit einer klebrichten Feuchtigkeit
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gelchen.

37. Die Blume, von der Seite geſehen, nachdem die vor-
derſte Haͤlfte derſelben weggeſchnitten worden. a b iſt das noch
vorhandene Fach, und b das Kuͤgelchen. Das ganze Klaͤppchen
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Haͤlfte des Stigma. d iſt das Innere des Fruchtknotens, wel-
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daß daſſelbe mit dem Stigma in Verbindung ſteht, und daß bey
e die Oeffnung iſt, durch welche das befruchtende Weſen des
Staubes in das Ouarium dringt.

Gegenwaͤrtige Art hat mir zuerſt Gelegenheit gegeben, die
eigentliche Struktur der Orchisblumen zu entdecken, welche man
bisher ſo wenig gekannt hat, daß man auch nicht einmal gewußt
hat, was das Stigma iſt. Linné hat nemlich das kleine Klaͤpp-
[Spaltenumbruch]

Orchis.
[Spaltenumbruch] chen f Fig. 36. fuͤr das Stigma gehalten *). Was Koͤlreuter
fuͤr das Stigma gehalten habe, wird in der Folge geſagt werden.
Den Theil b h c i hatte ich ſonſt fuͤr die Saftdruͤſe gehalten,
weil er mit einer gewiſſen Feuchtigkeit uͤberzogen iſt. Schon der
einzige Umſtand, daß dieſe Feuchtigkeit klebricht iſt, haͤtte mich auf
andere Gedanken bringen ſollen. Indem ich nun dieſen Theil
einſtmals genau betrachte, ſo ſehe ich, daß ein Staubkoͤlbchen in
Geſtalt eines koͤrnichten Weiſens an demſelben klebt. Ich durch-
ſuche die beiden Faͤcher, und finde, daß das eine von den Staub-
koͤlbchen fehlt, welches alſo eben dasjenige war, welches auf der
klebrichten Stelle ſaß. Nachdem ich ein aͤhnliches in mehreren
Blumen gefunden habe, ſo mache ich den Schluß, daß dieſe
klebrichte Stelle das wahre Stigma ſey. Aber wie kommen denn
die Staubkoͤlbchen auf dieſes Stigma? frage ich mich ſelbſt.
Denn daß ſie von ſelbſt aus ihren Faͤchern ſollten herausfallen
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iſt nicht zu denken. Ich nehme alſo einen duͤnnen Grashalm,
oder was es ſonſt war, beruͤhre damit das unterſte Ende der bei-
den Faͤcher, und ſehe voller Verwunderung, daß ich damit ein
kleines Klaͤppchen zuruͤckſtoße, und ein Staubkoͤlbchen heraushole.
Ein ſolches Koͤlbchen liegt zwar in ſeinem Fach wohl verſchloſſen;
es iſt aber nirgends angewachſen, ſondern ganz iſolirt. Eine An-
there iſt es zwar; einen Staubbeutel aber kann man es nicht nennen,
da es nicht eine Haut um ſich hat, ſondern aus lauter Staube be-
ſteht. Es haͤngt an einem Faden, und dieſer Faden wieder an
einem Kuͤgelchen, welches nicht im Fach eingeſchloſſen liegt, ſon-
dern ſich außerhalb deſſelben befindet, aber dennoch nicht in die
Augen faͤllt, weil es von dem Klaͤppchen verdeckt wird. So wie
ich alſo mit dem Grashalm dies Klaͤppchen zuruͤckgeſtoßen hatte,
ſo war das Kuͤgelchen von jenem beruͤhrt worden, und war an
demſelben kleben geblieben; folglich mußte, als ich mit dem Gras-
halm eine kleine Bewegung machte, das Staubkoͤlbchen aus dem
Fach herauskommen.

*) Ich wuͤßte wenigſtens nicht, was er ſonſt ſollte durch ſein
Stigma verſtanden haben. Bey der Serapias aber kann ich ſein
Stigma gar nicht finden.
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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [213]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/213>, abgerufen am 26.04.2024.