Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Starck, Johann Friedrich: Tägliches Hand-Buch in guten und bösen Tagen. Frankfurt/Leipzig, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Sterbende verzeihet,
Gesang.
Mel. Freu dich sehr, o meine Seele.

1.
ICh wil jederman verzeihen, der da mich be-
leidigt hat: Ach GOtt! laß mir angedeyen
diese unverdiente Gnad, daß ich, dein versöhntes
Kind, bey dir neue Gnade find; ich verzeih von
Hertzens-Grunde, und versprech es mit dem
Munde.

2. Mein Verlangen und mein Sehnen ist,
mein Vater! diß allein, daß ich mög mit allen
denen völlig ausgesöhnet seyn, die mir sind von
Hertzen feind, ich hingegen bleib ihr Freund; wü-
sten sie doch, wies mich kräncke, wenn ich an mein
Unrecht dencke.

3. Ach! verzeiht mir, liebste Freunde, wenn ich
euch erzürnet hab, bleibet doch nicht meine Fein-
de; seht, ich schicke mich zum Grab: ach! hab ich
mit Werck und Wort, euch betrübet da und dort,
ach! das wollen wir aufheben, ach! ihr wollets
mir vergeben!

4. Ich wil auch nicht mehr gedencken, was ihr
wider mich gethan, laßt es uns einander schencken,
nehmet meine Abbitt an, denckt, ach dencket nim-
mer nicht, was ich böses angericht, alles sey hiemit
verziehen, laßt uns alle Feindschafft fliehen.

5. Grosser GOtt! da diß geschehen, komm
ich nun versöhnt zu dir, ach laß mich dein Antlitz
sehen, grosser GOtt! verzeih auch mir, nimm

weg
Der Sterbende verzeihet,
Geſang.
Mel. Freu dich ſehr, o meine Seele.

1.
ICh wil jederman verzeihen, der da mich be-
leidigt hat: Ach GOtt! laß mir angedeyen
dieſe unverdiente Gnad, daß ich, dein verſoͤhntes
Kind, bey dir neue Gnade find; ich verzeih von
Hertzens-Grunde, und verſprech es mit dem
Munde.

2. Mein Verlangen und mein Sehnen iſt,
mein Vater! diß allein, daß ich moͤg mit allen
denen voͤllig ausgeſoͤhnet ſeyn, die mir ſind von
Hertzen feind, ich hingegen bleib ihr Freund; wuͤ-
ſten ſie doch, wies mich kraͤncke, wenn ich an mein
Unrecht dencke.

3. Ach! verzeiht mir, liebſte Freunde, wenn ich
euch erzuͤrnet hab, bleibet doch nicht meine Fein-
de; ſeht, ich ſchicke mich zum Grab: ach! hab ich
mit Werck und Wort, euch betruͤbet da und dort,
ach! das wollen wir aufheben, ach! ihr wollets
mir vergeben!

4. Ich wil auch nicht mehr gedencken, was ihr
wider mich gethan, laßt es uns einander ſchencken,
nehmet meine Abbitt an, denckt, ach dencket nim-
mer nicht, was ich boͤſes angericht, alles ſey hiemit
verziehen, laßt uns alle Feindſchafft fliehen.

5. Groſſer GOtt! da diß geſchehen, komm
ich nun verſoͤhnt zu dir, ach laß mich dein Antlitz
ſehen, groſſer GOtt! verzeih auch mir, nimm

weg
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0566" n="536"/>
          <fw place="top" type="header">Der Sterbende verzeihet,</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#fr">Ge&#x017F;ang.</hi><lb/>
Mel. Freu dich &#x017F;ehr, o meine Seele.</head><lb/>
            <p>1.<lb/><hi rendition="#in">I</hi>Ch wil jederman verzeihen, der da mich be-<lb/>
leidigt hat: Ach GOtt! laß mir angedeyen<lb/>
die&#x017F;e unverdiente Gnad, daß ich, dein ver&#x017F;o&#x0364;hntes<lb/>
Kind, bey dir neue Gnade find; ich verzeih von<lb/>
Hertzens-Grunde, und ver&#x017F;prech es mit dem<lb/>
Munde.</p><lb/>
            <p>2. Mein Verlangen und mein Sehnen i&#x017F;t,<lb/>
mein Vater! diß allein, daß ich mo&#x0364;g mit allen<lb/>
denen vo&#x0364;llig ausge&#x017F;o&#x0364;hnet &#x017F;eyn, die mir &#x017F;ind von<lb/>
Hertzen feind, ich hingegen bleib ihr Freund; wu&#x0364;-<lb/>
&#x017F;ten &#x017F;ie doch, wies mich kra&#x0364;ncke, wenn ich an mein<lb/>
Unrecht dencke.</p><lb/>
            <p>3. Ach! verzeiht mir, lieb&#x017F;te Freunde, wenn ich<lb/>
euch erzu&#x0364;rnet hab, bleibet doch nicht meine Fein-<lb/>
de; &#x017F;eht, ich &#x017F;chicke mich zum Grab: ach! hab ich<lb/>
mit Werck und Wort, euch betru&#x0364;bet da und dort,<lb/>
ach! das wollen wir aufheben, ach! ihr wollets<lb/>
mir vergeben!</p><lb/>
            <p>4. Ich wil auch nicht mehr gedencken, was ihr<lb/>
wider mich gethan, laßt es uns einander &#x017F;chencken,<lb/>
nehmet meine Abbitt an, denckt, ach dencket nim-<lb/>
mer nicht, was ich bo&#x0364;&#x017F;es angericht, alles &#x017F;ey hiemit<lb/>
verziehen, laßt uns alle Feind&#x017F;chafft fliehen.</p><lb/>
            <p>5. Gro&#x017F;&#x017F;er GOtt! da diß ge&#x017F;chehen, komm<lb/>
ich nun ver&#x017F;o&#x0364;hnt zu dir, ach laß mich dein Antlitz<lb/>
&#x017F;ehen, gro&#x017F;&#x017F;er GOtt! verzeih auch mir, nimm<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">weg</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[536/0566] Der Sterbende verzeihet, Geſang. Mel. Freu dich ſehr, o meine Seele. 1. ICh wil jederman verzeihen, der da mich be- leidigt hat: Ach GOtt! laß mir angedeyen dieſe unverdiente Gnad, daß ich, dein verſoͤhntes Kind, bey dir neue Gnade find; ich verzeih von Hertzens-Grunde, und verſprech es mit dem Munde. 2. Mein Verlangen und mein Sehnen iſt, mein Vater! diß allein, daß ich moͤg mit allen denen voͤllig ausgeſoͤhnet ſeyn, die mir ſind von Hertzen feind, ich hingegen bleib ihr Freund; wuͤ- ſten ſie doch, wies mich kraͤncke, wenn ich an mein Unrecht dencke. 3. Ach! verzeiht mir, liebſte Freunde, wenn ich euch erzuͤrnet hab, bleibet doch nicht meine Fein- de; ſeht, ich ſchicke mich zum Grab: ach! hab ich mit Werck und Wort, euch betruͤbet da und dort, ach! das wollen wir aufheben, ach! ihr wollets mir vergeben! 4. Ich wil auch nicht mehr gedencken, was ihr wider mich gethan, laßt es uns einander ſchencken, nehmet meine Abbitt an, denckt, ach dencket nim- mer nicht, was ich boͤſes angericht, alles ſey hiemit verziehen, laßt uns alle Feindſchafft fliehen. 5. Groſſer GOtt! da diß geſchehen, komm ich nun verſoͤhnt zu dir, ach laß mich dein Antlitz ſehen, groſſer GOtt! verzeih auch mir, nimm weg

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Auflagennummer hier erschlossen und nicht gesiche… [mehr]

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-05-24T12:24:22Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/starck_handbuch_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/starck_handbuch_1749/566
Zitationshilfe: Starck, Johann Friedrich: Tägliches Hand-Buch in guten und bösen Tagen. Frankfurt/Leipzig, 1749, S. 536. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/starck_handbuch_1749/566>, abgerufen am 09.05.2024.