Landwirthschaftspflege: Decret vom 28. Sept. 1791 (Code Rurale): Laferriere, Droit adm. I. 1. 5; das Verwaltungsrecht ist hier schon entschieden dem Privat- recht untergeordnet. Preuß. Allgem. Landrecht, Theil I. 8; folgende Ver- ordnung dieses Jahrhunderts bei Nieberding, Anhang. Unterdessen aber halten sowohl das römische Recht als das deutsche Privatrecht an dem Privat- eigenthum fest, und jetzt beginnen sich die Begriffe zu verwirren, da sie nun- mehr durch die neue Bewegung der Gesetzgebung in engste Berührung gesetzt werden. Die Nothwendigkeit einer neuen Auffassung des ganzen Gebietes wird klar, und die gesetzlichen Bestimmungen treten in rascher Folge in allen deut- schen Staaten auf und so entstehen die Elemente des Systems des Wasserrechts unserer Gegenwart, in denen Deutschland entschieden sowohl England als Frank- reich voraus ist.
A. Das Privatwasserrecht.
Um zu einem durchgreifenden Begriff des Privatwasserrechts zu kommen, muß man die Unterscheidung des Wassers als begränzte Substanz und des Wassers als bewegende Kraft oder des fließen- den Wassers zum Grunde legen. Alles Wasser kann in beiden Be- ziehungen Gegenstand des Privateigenthums sein; nur hat das letztere in beiden Fällen einen wesentlich verschiedenen Inhalt.
Die Bedingung dafür, daß das Wasser seiner Substanz nach Privateigenthum sei, ist die, daß es ein begränztes und damit be- stimmtes Quantum bilde. Daher sind von diesem Eigenthum aus- geschlossen nicht bloß die Meere und Seen, sondern auch das fließende Wasser. Ist aber eine bestimmte Wassermenge eine Sache und damit ein Eigenthum, so folgt, daß auf dasselbe ganz einfach alle Grundsätze des Eigenthums angewendet werden. Es gibt für dasselbe Erwerb und Verlust, Besitz und Tradition, Servituten, Pfandrecht, Verjährung und die Grundsätze der Culpa, des Schadens und Schadenersatzes ganz nach der lex Aquilia. Das System dieser Anwendung des Privat- rechts auf das Wasser bildet dann das System des Wassereigen- thumsrechts. Und hier wie im ganzen Eigenthumsrecht ist es das römische Recht, welches die Quelle dieses Rechtssystems zu bilden hat.
Wo aber ein fließendes Wasser vorhanden ist, da ist durch die Natur desselben das Eigenthum an der Substanz ausgeschlossen. Das Objekt des Rechts ist bei fließendem Wasser nur der Gebrauch desselben. Dieser Gebrauch ist ferner naturgemäß nicht ein Recht eines Einzelnen, sondern das Recht kann sich immer nur auf einen bestimm- ten und begränzten Gebrauch beziehen. Es ist kein Zweifel, daß ein solcher Gebrauch auch von einem Einzelnen erworben werden und als Eigenthum desselben angesehen werden kann. Ist das der Fall, so ge- hört ein solcher Gebrauch zu den unbeweglichen Gütern, und es ist
Landwirthſchaftspflege: Decret vom 28. Sept. 1791 (Code Rurale): Laferrière, Droit adm. I. 1. 5; das Verwaltungsrecht iſt hier ſchon entſchieden dem Privat- recht untergeordnet. Preuß. Allgem. Landrecht, Theil I. 8; folgende Ver- ordnung dieſes Jahrhunderts bei Nieberding, Anhang. Unterdeſſen aber halten ſowohl das römiſche Recht als das deutſche Privatrecht an dem Privat- eigenthum feſt, und jetzt beginnen ſich die Begriffe zu verwirren, da ſie nun- mehr durch die neue Bewegung der Geſetzgebung in engſte Berührung geſetzt werden. Die Nothwendigkeit einer neuen Auffaſſung des ganzen Gebietes wird klar, und die geſetzlichen Beſtimmungen treten in raſcher Folge in allen deut- ſchen Staaten auf und ſo entſtehen die Elemente des Syſtems des Waſſerrechts unſerer Gegenwart, in denen Deutſchland entſchieden ſowohl England als Frank- reich voraus iſt.
A. Das Privatwaſſerrecht.
Um zu einem durchgreifenden Begriff des Privatwaſſerrechts zu kommen, muß man die Unterſcheidung des Waſſers als begränzte Subſtanz und des Waſſers als bewegende Kraft oder des fließen- den Waſſers zum Grunde legen. Alles Waſſer kann in beiden Be- ziehungen Gegenſtand des Privateigenthums ſein; nur hat das letztere in beiden Fällen einen weſentlich verſchiedenen Inhalt.
Die Bedingung dafür, daß das Waſſer ſeiner Subſtanz nach Privateigenthum ſei, iſt die, daß es ein begränztes und damit be- ſtimmtes Quantum bilde. Daher ſind von dieſem Eigenthum aus- geſchloſſen nicht bloß die Meere und Seen, ſondern auch das fließende Waſſer. Iſt aber eine beſtimmte Waſſermenge eine Sache und damit ein Eigenthum, ſo folgt, daß auf daſſelbe ganz einfach alle Grundſätze des Eigenthums angewendet werden. Es gibt für daſſelbe Erwerb und Verluſt, Beſitz und Tradition, Servituten, Pfandrecht, Verjährung und die Grundſätze der Culpa, des Schadens und Schadenerſatzes ganz nach der lex Aquilia. Das Syſtem dieſer Anwendung des Privat- rechts auf das Waſſer bildet dann das Syſtem des Waſſereigen- thumsrechts. Und hier wie im ganzen Eigenthumsrecht iſt es das römiſche Recht, welches die Quelle dieſes Rechtsſyſtems zu bilden hat.
Wo aber ein fließendes Waſſer vorhanden iſt, da iſt durch die Natur deſſelben das Eigenthum an der Subſtanz ausgeſchloſſen. Das Objekt des Rechts iſt bei fließendem Waſſer nur der Gebrauch deſſelben. Dieſer Gebrauch iſt ferner naturgemäß nicht ein Recht eines Einzelnen, ſondern das Recht kann ſich immer nur auf einen beſtimm- ten und begränzten Gebrauch beziehen. Es iſt kein Zweifel, daß ein ſolcher Gebrauch auch von einem Einzelnen erworben werden und als Eigenthum deſſelben angeſehen werden kann. Iſt das der Fall, ſo ge- hört ein ſolcher Gebrauch zu den unbeweglichen Gütern, und es iſt
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Landwirthſchaftspflege: Decret vom 28. Sept. 1791 (Code Rurale): Laferrière,
Droit adm. I. 1. 5; das Verwaltungsrecht iſt hier ſchon entſchieden dem Privat-
recht untergeordnet. Preuß. Allgem. Landrecht, Theil I. 8; folgende Ver-
ordnung dieſes Jahrhunderts bei Nieberding, Anhang. Unterdeſſen aber
halten ſowohl das römiſche Recht als das deutſche Privatrecht an dem Privat-
eigenthum feſt, und jetzt beginnen ſich die Begriffe zu verwirren, da ſie nun-
mehr durch die neue Bewegung der Geſetzgebung in engſte Berührung geſetzt
werden. Die Nothwendigkeit einer neuen Auffaſſung des ganzen Gebietes wird
klar, und die geſetzlichen Beſtimmungen treten in raſcher Folge in allen deut-
ſchen Staaten auf und ſo entſtehen die Elemente des Syſtems des Waſſerrechts
unſerer Gegenwart, in denen Deutſchland entſchieden ſowohl England als Frank-
reich voraus iſt.
A. Das Privatwaſſerrecht.
Um zu einem durchgreifenden Begriff des Privatwaſſerrechts zu
kommen, muß man die Unterſcheidung des Waſſers als begränzte
Subſtanz und des Waſſers als bewegende Kraft oder des fließen-
den Waſſers zum Grunde legen. Alles Waſſer kann in beiden Be-
ziehungen Gegenſtand des Privateigenthums ſein; nur hat das letztere
in beiden Fällen einen weſentlich verſchiedenen Inhalt.
Die Bedingung dafür, daß das Waſſer ſeiner Subſtanz nach
Privateigenthum ſei, iſt die, daß es ein begränztes und damit be-
ſtimmtes Quantum bilde. Daher ſind von dieſem Eigenthum aus-
geſchloſſen nicht bloß die Meere und Seen, ſondern auch das fließende
Waſſer. Iſt aber eine beſtimmte Waſſermenge eine Sache und damit
ein Eigenthum, ſo folgt, daß auf daſſelbe ganz einfach alle Grundſätze
des Eigenthums angewendet werden. Es gibt für daſſelbe Erwerb und
Verluſt, Beſitz und Tradition, Servituten, Pfandrecht, Verjährung
und die Grundſätze der Culpa, des Schadens und Schadenerſatzes ganz
nach der lex Aquilia. Das Syſtem dieſer Anwendung des Privat-
rechts auf das Waſſer bildet dann das Syſtem des Waſſereigen-
thumsrechts. Und hier wie im ganzen Eigenthumsrecht iſt es das
römiſche Recht, welches die Quelle dieſes Rechtsſyſtems zu bilden hat.
Wo aber ein fließendes Waſſer vorhanden iſt, da iſt durch die
Natur deſſelben das Eigenthum an der Subſtanz ausgeſchloſſen.
Das Objekt des Rechts iſt bei fließendem Waſſer nur der Gebrauch
deſſelben. Dieſer Gebrauch iſt ferner naturgemäß nicht ein Recht eines
Einzelnen, ſondern das Recht kann ſich immer nur auf einen beſtimm-
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ſolcher Gebrauch auch von einem Einzelnen erworben werden und als
Eigenthum deſſelben angeſehen werden kann. Iſt das der Fall, ſo ge-
hört ein ſolcher Gebrauch zu den unbeweglichen Gütern, und es iſt
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/181>, abgerufen am 27.04.2024.
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