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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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bestimmten Organs, das dieser Aufgabe entsprechen muß, um sie lösen
zu können. Die Vielheit und Besonderheit dieser Organe liegt daher
nicht im Begriffe der Regierung, sondern im Begriffe und dem Wesen
dieser Aufgaben. Dennoch sind alle auf diese Weise entstehenden
Organe der Regierung wieder gleichartig; sie haben in aller Verschieden-
heit und Besonderheit immer den einheitlichen Willen des Staats zu
vertreten. Und aus dem Zusammenwirken dieser beiden Elemente
ergibt sich nun das, was wir als das einzelne Organ der Regierung
bezeichneten.

Da, wo die Aufgabe des Staats eine einzelne und der Sache nach
vorübergehende ist, kann die Regierung die Vollziehung ihres Willens
durch einen Auftrag an einen Einzelnen oder an Mehrere erwirken
(Commission). Mit der Erfüllung des Auftrages ist dann das Verhält-
niß zwischen dem Staat und seinem Mandatar zu Ende. Die Rechte,
welche den Inhalt dieses Mandats bilden, sind alsdann durch die Natur
des Objekts bedingt, eben so die Dauer des Mandats. Die Thätigkeit
des Mandators ist in solchem Falle durch genaue Vorschriften (In-
struktionen) bestimmt. Es ist die privatrechtliche Form eines öffentlich-
rechtlichen Verhältnisses. Der Auftrag gehört daher nicht in den Orga-
nismus der Regierung, sondern nur in ihre wirkliche Thätigkeit.

Da, wo diese Aufgabe eine dauernde ist, kann sie wiederum der-
artig beschaffen sein, daß sie nur der mechanischen Thätigkeit des per-
sönlichen Staatslebens angehört, und nicht die Vollziehung des Staats-
willens, sondern nur die Herstellung der rein äußerlichen Bedingungen
dieser Vollziehung betrifft. Dieß Verhältniß nennen wir den Dienst
-- nicht des Staates, sondern den Dienst im Staate oder genauer
in der Regierung, und die betreffenden Personen begreifen wir als
das Dienst- oder Hülfspersonal. Ein solcher Dienst beginnt schon
an der höchsten Stelle des Staatslebens bei dem Staatsoberhaupt, und
erscheint dann auf allen Stufen des Staatsorganismus bis zum untersten
Hülfspersonal der Regierung. Der höchste Dienst nimmt dabei die For-
men des Amts und oft die Ehren und Rechte der Staatswürden an;
aber in allen Gestalten unterscheidet er sich vom Amtswesen dadurch,
daß er nie eine selbständige Bethätigung des Staatswillens, sondern
nur den persönlichen Dienst eines Organes des letzteren enthält. Er
beruht nicht auf den inneren Forderungen, sondern auf den äußeren
Bedürfnissen, und keine äußere Ehre und keine Höhe des Entgeltes kann
diesen Charakter ändern. Daraus geht auch das Rechtsprincip dieses
Dienstwesens hervor. Es erzeugt dasselbe nie ein Verhalten zur Regie-
rungsgewalt als solcher, sondern nur zu derjenigen Person in der Re-
gierung, welche den Dienst fordert und bestellt. Einen Antheil an den

beſtimmten Organs, das dieſer Aufgabe entſprechen muß, um ſie löſen
zu können. Die Vielheit und Beſonderheit dieſer Organe liegt daher
nicht im Begriffe der Regierung, ſondern im Begriffe und dem Weſen
dieſer Aufgaben. Dennoch ſind alle auf dieſe Weiſe entſtehenden
Organe der Regierung wieder gleichartig; ſie haben in aller Verſchieden-
heit und Beſonderheit immer den einheitlichen Willen des Staats zu
vertreten. Und aus dem Zuſammenwirken dieſer beiden Elemente
ergibt ſich nun das, was wir als das einzelne Organ der Regierung
bezeichneten.

Da, wo die Aufgabe des Staats eine einzelne und der Sache nach
vorübergehende iſt, kann die Regierung die Vollziehung ihres Willens
durch einen Auftrag an einen Einzelnen oder an Mehrere erwirken
(Commiſſion). Mit der Erfüllung des Auftrages iſt dann das Verhält-
niß zwiſchen dem Staat und ſeinem Mandatar zu Ende. Die Rechte,
welche den Inhalt dieſes Mandats bilden, ſind alsdann durch die Natur
des Objekts bedingt, eben ſo die Dauer des Mandats. Die Thätigkeit
des Mandators iſt in ſolchem Falle durch genaue Vorſchriften (In-
ſtruktionen) beſtimmt. Es iſt die privatrechtliche Form eines öffentlich-
rechtlichen Verhältniſſes. Der Auftrag gehört daher nicht in den Orga-
nismus der Regierung, ſondern nur in ihre wirkliche Thätigkeit.

Da, wo dieſe Aufgabe eine dauernde iſt, kann ſie wiederum der-
artig beſchaffen ſein, daß ſie nur der mechaniſchen Thätigkeit des per-
ſönlichen Staatslebens angehört, und nicht die Vollziehung des Staats-
willens, ſondern nur die Herſtellung der rein äußerlichen Bedingungen
dieſer Vollziehung betrifft. Dieß Verhältniß nennen wir den Dienſt
— nicht des Staates, ſondern den Dienſt im Staate oder genauer
in der Regierung, und die betreffenden Perſonen begreifen wir als
das Dienſt- oder Hülfsperſonal. Ein ſolcher Dienſt beginnt ſchon
an der höchſten Stelle des Staatslebens bei dem Staatsoberhaupt, und
erſcheint dann auf allen Stufen des Staatsorganismus bis zum unterſten
Hülfsperſonal der Regierung. Der höchſte Dienſt nimmt dabei die For-
men des Amts und oft die Ehren und Rechte der Staatswürden an;
aber in allen Geſtalten unterſcheidet er ſich vom Amtsweſen dadurch,
daß er nie eine ſelbſtändige Bethätigung des Staatswillens, ſondern
nur den perſönlichen Dienſt eines Organes des letzteren enthält. Er
beruht nicht auf den inneren Forderungen, ſondern auf den äußeren
Bedürfniſſen, und keine äußere Ehre und keine Höhe des Entgeltes kann
dieſen Charakter ändern. Daraus geht auch das Rechtsprincip dieſes
Dienſtweſens hervor. Es erzeugt daſſelbe nie ein Verhalten zur Regie-
rungsgewalt als ſolcher, ſondern nur zu derjenigen Perſon in der Re-
gierung, welche den Dienſt fordert und beſtellt. Einen Antheil an den

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[282/0306] beſtimmten Organs, das dieſer Aufgabe entſprechen muß, um ſie löſen zu können. Die Vielheit und Beſonderheit dieſer Organe liegt daher nicht im Begriffe der Regierung, ſondern im Begriffe und dem Weſen dieſer Aufgaben. Dennoch ſind alle auf dieſe Weiſe entſtehenden Organe der Regierung wieder gleichartig; ſie haben in aller Verſchieden- heit und Beſonderheit immer den einheitlichen Willen des Staats zu vertreten. Und aus dem Zuſammenwirken dieſer beiden Elemente ergibt ſich nun das, was wir als das einzelne Organ der Regierung bezeichneten. Da, wo die Aufgabe des Staats eine einzelne und der Sache nach vorübergehende iſt, kann die Regierung die Vollziehung ihres Willens durch einen Auftrag an einen Einzelnen oder an Mehrere erwirken (Commiſſion). Mit der Erfüllung des Auftrages iſt dann das Verhält- niß zwiſchen dem Staat und ſeinem Mandatar zu Ende. Die Rechte, welche den Inhalt dieſes Mandats bilden, ſind alsdann durch die Natur des Objekts bedingt, eben ſo die Dauer des Mandats. Die Thätigkeit des Mandators iſt in ſolchem Falle durch genaue Vorſchriften (In- ſtruktionen) beſtimmt. Es iſt die privatrechtliche Form eines öffentlich- rechtlichen Verhältniſſes. Der Auftrag gehört daher nicht in den Orga- nismus der Regierung, ſondern nur in ihre wirkliche Thätigkeit. Da, wo dieſe Aufgabe eine dauernde iſt, kann ſie wiederum der- artig beſchaffen ſein, daß ſie nur der mechaniſchen Thätigkeit des per- ſönlichen Staatslebens angehört, und nicht die Vollziehung des Staats- willens, ſondern nur die Herſtellung der rein äußerlichen Bedingungen dieſer Vollziehung betrifft. Dieß Verhältniß nennen wir den Dienſt — nicht des Staates, ſondern den Dienſt im Staate oder genauer in der Regierung, und die betreffenden Perſonen begreifen wir als das Dienſt- oder Hülfsperſonal. Ein ſolcher Dienſt beginnt ſchon an der höchſten Stelle des Staatslebens bei dem Staatsoberhaupt, und erſcheint dann auf allen Stufen des Staatsorganismus bis zum unterſten Hülfsperſonal der Regierung. Der höchſte Dienſt nimmt dabei die For- men des Amts und oft die Ehren und Rechte der Staatswürden an; aber in allen Geſtalten unterſcheidet er ſich vom Amtsweſen dadurch, daß er nie eine ſelbſtändige Bethätigung des Staatswillens, ſondern nur den perſönlichen Dienſt eines Organes des letzteren enthält. Er beruht nicht auf den inneren Forderungen, ſondern auf den äußeren Bedürfniſſen, und keine äußere Ehre und keine Höhe des Entgeltes kann dieſen Charakter ändern. Daraus geht auch das Rechtsprincip dieſes Dienſtweſens hervor. Es erzeugt daſſelbe nie ein Verhalten zur Regie- rungsgewalt als ſolcher, ſondern nur zu derjenigen Perſon in der Re- gierung, welche den Dienſt fordert und beſtellt. Einen Antheil an den

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/306>, abgerufen am 10.05.2024.