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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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In diesem Sinne theilen sich nun die Verwaltungsaufgaben in
drei große Gebiete. Dieselben beziehen sich auf das Leben und die körper-
liche und geistige Entwicklung der Persönlichkeit, auf das volks-
wirthschaftliche
Leben und auf die gesellschaftlichen Zustände.
Und diese Grundverhältnisse, welche die ganze Verwaltung organisch
umfassen und erschöpfen, erscheinen daher auch als die Grundlagen des
Systems der Vereine. Wir müssen die Gesammtheit aller Vereine dar-
nach in drei große Gruppen theilen, die wir hier nach ihrem höchsten
Zwecke als die Bildungsvereine, die Erwerbsvereine und die
Hülfsvereine bezeichnen wollen.

Diese sehr einfache Grundlage empfängt nun ihre Mannigfaltigkeit
durch zwei Momente. Zuerst ist jeder jener allgemeinen Zwecke wieder
eine Gesammtheit von einzelnen Zwecken, die eine bestimmte Gestalt
annehmen; dann aber stehen eben jene drei großen Kategorien nicht
eben streng geschieden neben einander, sondern sie greifen so tief in
einander, daß der eine Zweck wieder bald als Mittel für den andern
erscheint, bald mit ihm fast untrennbar verschmilzt, so daß ein und
derselbe Verein oft zweien, ja zuweilen allen drei Kategorien angehört,
und daher nicht strenge nach seinem letzten Erfolge, sondern nach seinem
nächsten Zwecke in das System aufgenommen werden muß. Man wird
daher, um hier überhaupt noch eine feste Ordnung durchführen zu können,
die genauere Bestimmung dieses nächsten und eigentlichen Vereinszweckes
hinzufügen müssen. Denn in der That hat jede Bildung einen wirth-
schaftlichen und gesellschaftlichen Erfolg, jeder wirthschaftliche einen gesell-
schaftlichen und geistigen, und so weiter. Dieser an sich nothwendige
Erfolg liegt daher auch in dem Zwecke des Vereins. Aber dies ist
immer mit dem wesentlichen Unterschiede der Fall, daß dieser entfernte
Erfolg nur durch die Thätigkeit des Vereins vorbereitet, und seine Ver-
wirklichung dem Einzelnen selbst überlassen wird. Daher muß man
sagen, daß die Natur des Vereins nur nach demjenigen bestimmt werden
kann, was er selbst unmittelbar leistet; und nach diesem Gesichtspunkte
ordnen sich nun die Vereine in folgendes einfache System.

I. Die erste große Klasse der Vereine ist die der Bildungsver-
eine
. Die Arten dieser Bildungsvereine bestimmen sich nach den Ge-
bieten des Unterrichts- und Bildungswesens überhaupt. 1) Die erste
Art bezieht sich auf den Unterricht und umfaßt alle auf das Volks-
schulwesen bezüglichen Vereine. Diese erscheinen wieder in den zwei
Hauptgruppen, den Schulvereinen aller Art, die natürlich mit ihrer
Ausdehnung und Bedeutung im umgekehrten Verhältniß zu dem Schul-
wesen des Staats stehen, indem sie um so wichtiger werden, je weniger
entwickelt dasselbe ist, während sie fast verschwinden, wo dieses eine

Stein, die Verwaltungslehre. I. 35

In dieſem Sinne theilen ſich nun die Verwaltungsaufgaben in
drei große Gebiete. Dieſelben beziehen ſich auf das Leben und die körper-
liche und geiſtige Entwicklung der Perſönlichkeit, auf das volks-
wirthſchaftliche
Leben und auf die geſellſchaftlichen Zuſtände.
Und dieſe Grundverhältniſſe, welche die ganze Verwaltung organiſch
umfaſſen und erſchöpfen, erſcheinen daher auch als die Grundlagen des
Syſtems der Vereine. Wir müſſen die Geſammtheit aller Vereine dar-
nach in drei große Gruppen theilen, die wir hier nach ihrem höchſten
Zwecke als die Bildungsvereine, die Erwerbsvereine und die
Hülfsvereine bezeichnen wollen.

Dieſe ſehr einfache Grundlage empfängt nun ihre Mannigfaltigkeit
durch zwei Momente. Zuerſt iſt jeder jener allgemeinen Zwecke wieder
eine Geſammtheit von einzelnen Zwecken, die eine beſtimmte Geſtalt
annehmen; dann aber ſtehen eben jene drei großen Kategorien nicht
eben ſtreng geſchieden neben einander, ſondern ſie greifen ſo tief in
einander, daß der eine Zweck wieder bald als Mittel für den andern
erſcheint, bald mit ihm faſt untrennbar verſchmilzt, ſo daß ein und
derſelbe Verein oft zweien, ja zuweilen allen drei Kategorien angehört,
und daher nicht ſtrenge nach ſeinem letzten Erfolge, ſondern nach ſeinem
nächſten Zwecke in das Syſtem aufgenommen werden muß. Man wird
daher, um hier überhaupt noch eine feſte Ordnung durchführen zu können,
die genauere Beſtimmung dieſes nächſten und eigentlichen Vereinszweckes
hinzufügen müſſen. Denn in der That hat jede Bildung einen wirth-
ſchaftlichen und geſellſchaftlichen Erfolg, jeder wirthſchaftliche einen geſell-
ſchaftlichen und geiſtigen, und ſo weiter. Dieſer an ſich nothwendige
Erfolg liegt daher auch in dem Zwecke des Vereins. Aber dies iſt
immer mit dem weſentlichen Unterſchiede der Fall, daß dieſer entfernte
Erfolg nur durch die Thätigkeit des Vereins vorbereitet, und ſeine Ver-
wirklichung dem Einzelnen ſelbſt überlaſſen wird. Daher muß man
ſagen, daß die Natur des Vereins nur nach demjenigen beſtimmt werden
kann, was er ſelbſt unmittelbar leiſtet; und nach dieſem Geſichtspunkte
ordnen ſich nun die Vereine in folgendes einfache Syſtem.

I. Die erſte große Klaſſe der Vereine iſt die der Bildungsver-
eine
. Die Arten dieſer Bildungsvereine beſtimmen ſich nach den Ge-
bieten des Unterrichts- und Bildungsweſens überhaupt. 1) Die erſte
Art bezieht ſich auf den Unterricht und umfaßt alle auf das Volks-
ſchulweſen bezüglichen Vereine. Dieſe erſcheinen wieder in den zwei
Hauptgruppen, den Schulvereinen aller Art, die natürlich mit ihrer
Ausdehnung und Bedeutung im umgekehrten Verhältniß zu dem Schul-
weſen des Staats ſtehen, indem ſie um ſo wichtiger werden, je weniger
entwickelt daſſelbe iſt, während ſie faſt verſchwinden, wo dieſes eine

Stein, die Verwaltungslehre. I. 35
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[545/0569] In dieſem Sinne theilen ſich nun die Verwaltungsaufgaben in drei große Gebiete. Dieſelben beziehen ſich auf das Leben und die körper- liche und geiſtige Entwicklung der Perſönlichkeit, auf das volks- wirthſchaftliche Leben und auf die geſellſchaftlichen Zuſtände. Und dieſe Grundverhältniſſe, welche die ganze Verwaltung organiſch umfaſſen und erſchöpfen, erſcheinen daher auch als die Grundlagen des Syſtems der Vereine. Wir müſſen die Geſammtheit aller Vereine dar- nach in drei große Gruppen theilen, die wir hier nach ihrem höchſten Zwecke als die Bildungsvereine, die Erwerbsvereine und die Hülfsvereine bezeichnen wollen. Dieſe ſehr einfache Grundlage empfängt nun ihre Mannigfaltigkeit durch zwei Momente. Zuerſt iſt jeder jener allgemeinen Zwecke wieder eine Geſammtheit von einzelnen Zwecken, die eine beſtimmte Geſtalt annehmen; dann aber ſtehen eben jene drei großen Kategorien nicht eben ſtreng geſchieden neben einander, ſondern ſie greifen ſo tief in einander, daß der eine Zweck wieder bald als Mittel für den andern erſcheint, bald mit ihm faſt untrennbar verſchmilzt, ſo daß ein und derſelbe Verein oft zweien, ja zuweilen allen drei Kategorien angehört, und daher nicht ſtrenge nach ſeinem letzten Erfolge, ſondern nach ſeinem nächſten Zwecke in das Syſtem aufgenommen werden muß. Man wird daher, um hier überhaupt noch eine feſte Ordnung durchführen zu können, die genauere Beſtimmung dieſes nächſten und eigentlichen Vereinszweckes hinzufügen müſſen. Denn in der That hat jede Bildung einen wirth- ſchaftlichen und geſellſchaftlichen Erfolg, jeder wirthſchaftliche einen geſell- ſchaftlichen und geiſtigen, und ſo weiter. Dieſer an ſich nothwendige Erfolg liegt daher auch in dem Zwecke des Vereins. Aber dies iſt immer mit dem weſentlichen Unterſchiede der Fall, daß dieſer entfernte Erfolg nur durch die Thätigkeit des Vereins vorbereitet, und ſeine Ver- wirklichung dem Einzelnen ſelbſt überlaſſen wird. Daher muß man ſagen, daß die Natur des Vereins nur nach demjenigen beſtimmt werden kann, was er ſelbſt unmittelbar leiſtet; und nach dieſem Geſichtspunkte ordnen ſich nun die Vereine in folgendes einfache Syſtem. I. Die erſte große Klaſſe der Vereine iſt die der Bildungsver- eine. Die Arten dieſer Bildungsvereine beſtimmen ſich nach den Ge- bieten des Unterrichts- und Bildungsweſens überhaupt. 1) Die erſte Art bezieht ſich auf den Unterricht und umfaßt alle auf das Volks- ſchulweſen bezüglichen Vereine. Dieſe erſcheinen wieder in den zwei Hauptgruppen, den Schulvereinen aller Art, die natürlich mit ihrer Ausdehnung und Bedeutung im umgekehrten Verhältniß zu dem Schul- weſen des Staats ſtehen, indem ſie um ſo wichtiger werden, je weniger entwickelt daſſelbe iſt, während ſie faſt verſchwinden, wo dieſes eine Stein, die Verwaltungslehre. I. 35

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/569>, abgerufen am 26.04.2024.