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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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Constituirung, die Auflösung desselben nach der letzteren eintreten kann.
Jenes entspricht der Suspendirung, dieses der Schließung. Die Auf-
lösung des Vereins hat daher auch keineswegs die Aufhebung der be-
reits eingegangen Verbindlichkeiten, und zwar weder der Vereinsorgane
gegen den Verein, noch des Vereins gegen Dritte zur Folge; im Gegen-
theil müssen dieselben erst alle auf dem bürgerlichen Rechtswege wie
bei einer Concursmasse abgewickelt werden. Zu dem Ende kann ein
Curator bestellt werden, wenn man nicht die wirthschaftlichen Ange-
stellten des Vereins dazu benutzen kann und will, wobei dann alle
Grundsätze der Curatel eintreten.

Während diese Grundsätze für den Verein gelten, läßt sich eine
Anwendung derselben auf Gesellschaften nicht denken, selbst da nicht,
wo dieselben auf Aktien gegründet sind. Hier hat der Staat vielmehr
im Interesse des Publikums andere Pflichten. Er muß bei Aktiengesell-
schaften, welche durch ihre Verwaltung Gefahr erzeugen, daß das
Interesse des Publikums ernstlich beeinträchtigt werde, entweder schon in
den Statuten die Bestimmungen festsetzen, unter denen die Auflösung
der Gesellschaft geschehen muß, und die sich namentlich an ein gewisses
Maß des Verlustes des Unternehmungskapitals anschließen, oder er
muß diese wirthschaftliche Auflösung selbst in die Hand nehmen, und
als obervormundschaftliche Behörde dieselbe leiten. Hier ist das Gebiet,
in welchem wieder das Handelsrecht als das Verwaltungsrecht des Ge-
sellschaftswesens eintritt, und wo die Lehre des Handelsrechts beginnt.

Die Vereinsgesetze haben fast durchgehend nicht das Verhältniß des Ver-
bots der Vereine im Ganzen im Auge, sondern vielmehr nur die Schließungen
der einzelnen Versammlungen derselben, was mit dem Gesichtspunkt der polizei-
lichen Ueberwachung der politischen Vereine eng zusammenhängt (s. oben). Die
meisten Vereinsgesetzgebungen verbieten ausdrücklich jede Verbindung der Ver-
eine unter einander, was natürlich wieder nur auf politische Vereine bezogen
werden kann, da es bei nicht politischen keinen Grund hat, und zum Theil
gar nicht ausführbar ist, für die meisten Gesellschaften aber ein direkter Wider-
spruch mit ihrer Aufgabe wäre. In England existiren solche Verbote natürlich
nicht; hier sind dagegen die Bestimmungen über die Auflösung der Gesell-
schaften
genau normirt, indem die Winding-up-Acts in den Gesellschafts-
gesetzen aufgenommen sind (s. Gneist II, §. 125). In Frankreich ist das
Verbot der Affiliation schon in der Constitution von 1791 und in dem all-
gemeinen Gesetze vom 10. April 1834 enthalten. Uebrigens ist, so viel wir
sehen, nur in Frankreich das Recht des Verbots mit Rücksicht auf den Unter-
schied zwischen Gesellschaft und Verein klar durchgeführt. Schon das Dekret
vom 16. August 1790 gab der police municipale das Recht der surveillance,
aber nur auf politische Vereine. Nach der jurisprudence administrative hat
die Polizei daher auch jetzt nur das Recht dieser surveillance und eventuell

Conſtituirung, die Auflöſung deſſelben nach der letzteren eintreten kann.
Jenes entſpricht der Suſpendirung, dieſes der Schließung. Die Auf-
löſung des Vereins hat daher auch keineswegs die Aufhebung der be-
reits eingegangen Verbindlichkeiten, und zwar weder der Vereinsorgane
gegen den Verein, noch des Vereins gegen Dritte zur Folge; im Gegen-
theil müſſen dieſelben erſt alle auf dem bürgerlichen Rechtswege wie
bei einer Concursmaſſe abgewickelt werden. Zu dem Ende kann ein
Curator beſtellt werden, wenn man nicht die wirthſchaftlichen Ange-
ſtellten des Vereins dazu benutzen kann und will, wobei dann alle
Grundſätze der Curatel eintreten.

Während dieſe Grundſätze für den Verein gelten, läßt ſich eine
Anwendung derſelben auf Geſellſchaften nicht denken, ſelbſt da nicht,
wo dieſelben auf Aktien gegründet ſind. Hier hat der Staat vielmehr
im Intereſſe des Publikums andere Pflichten. Er muß bei Aktiengeſell-
ſchaften, welche durch ihre Verwaltung Gefahr erzeugen, daß das
Intereſſe des Publikums ernſtlich beeinträchtigt werde, entweder ſchon in
den Statuten die Beſtimmungen feſtſetzen, unter denen die Auflöſung
der Geſellſchaft geſchehen muß, und die ſich namentlich an ein gewiſſes
Maß des Verluſtes des Unternehmungskapitals anſchließen, oder er
muß dieſe wirthſchaftliche Auflöſung ſelbſt in die Hand nehmen, und
als obervormundſchaftliche Behörde dieſelbe leiten. Hier iſt das Gebiet,
in welchem wieder das Handelsrecht als das Verwaltungsrecht des Ge-
ſellſchaftsweſens eintritt, und wo die Lehre des Handelsrechts beginnt.

Die Vereinsgeſetze haben faſt durchgehend nicht das Verhältniß des Ver-
bots der Vereine im Ganzen im Auge, ſondern vielmehr nur die Schließungen
der einzelnen Verſammlungen derſelben, was mit dem Geſichtspunkt der polizei-
lichen Ueberwachung der politiſchen Vereine eng zuſammenhängt (ſ. oben). Die
meiſten Vereinsgeſetzgebungen verbieten ausdrücklich jede Verbindung der Ver-
eine unter einander, was natürlich wieder nur auf politiſche Vereine bezogen
werden kann, da es bei nicht politiſchen keinen Grund hat, und zum Theil
gar nicht ausführbar iſt, für die meiſten Geſellſchaften aber ein direkter Wider-
ſpruch mit ihrer Aufgabe wäre. In England exiſtiren ſolche Verbote natürlich
nicht; hier ſind dagegen die Beſtimmungen über die Auflöſung der Geſell-
ſchaften
genau normirt, indem die Winding-up-Acts in den Geſellſchafts-
geſetzen aufgenommen ſind (ſ. Gneiſt II, §. 125). In Frankreich iſt das
Verbot der Affiliation ſchon in der Conſtitution von 1791 und in dem all-
gemeinen Geſetze vom 10. April 1834 enthalten. Uebrigens iſt, ſo viel wir
ſehen, nur in Frankreich das Recht des Verbots mit Rückſicht auf den Unter-
ſchied zwiſchen Geſellſchaft und Verein klar durchgeführt. Schon das Dekret
vom 16. Auguſt 1790 gab der police municipale das Recht der surveillance,
aber nur auf politiſche Vereine. Nach der jurisprudence administrative hat
die Polizei daher auch jetzt nur das Recht dieſer surveillance und eventuell

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[645/0669] Conſtituirung, die Auflöſung deſſelben nach der letzteren eintreten kann. Jenes entſpricht der Suſpendirung, dieſes der Schließung. Die Auf- löſung des Vereins hat daher auch keineswegs die Aufhebung der be- reits eingegangen Verbindlichkeiten, und zwar weder der Vereinsorgane gegen den Verein, noch des Vereins gegen Dritte zur Folge; im Gegen- theil müſſen dieſelben erſt alle auf dem bürgerlichen Rechtswege wie bei einer Concursmaſſe abgewickelt werden. Zu dem Ende kann ein Curator beſtellt werden, wenn man nicht die wirthſchaftlichen Ange- ſtellten des Vereins dazu benutzen kann und will, wobei dann alle Grundſätze der Curatel eintreten. Während dieſe Grundſätze für den Verein gelten, läßt ſich eine Anwendung derſelben auf Geſellſchaften nicht denken, ſelbſt da nicht, wo dieſelben auf Aktien gegründet ſind. Hier hat der Staat vielmehr im Intereſſe des Publikums andere Pflichten. Er muß bei Aktiengeſell- ſchaften, welche durch ihre Verwaltung Gefahr erzeugen, daß das Intereſſe des Publikums ernſtlich beeinträchtigt werde, entweder ſchon in den Statuten die Beſtimmungen feſtſetzen, unter denen die Auflöſung der Geſellſchaft geſchehen muß, und die ſich namentlich an ein gewiſſes Maß des Verluſtes des Unternehmungskapitals anſchließen, oder er muß dieſe wirthſchaftliche Auflöſung ſelbſt in die Hand nehmen, und als obervormundſchaftliche Behörde dieſelbe leiten. Hier iſt das Gebiet, in welchem wieder das Handelsrecht als das Verwaltungsrecht des Ge- ſellſchaftsweſens eintritt, und wo die Lehre des Handelsrechts beginnt. Die Vereinsgeſetze haben faſt durchgehend nicht das Verhältniß des Ver- bots der Vereine im Ganzen im Auge, ſondern vielmehr nur die Schließungen der einzelnen Verſammlungen derſelben, was mit dem Geſichtspunkt der polizei- lichen Ueberwachung der politiſchen Vereine eng zuſammenhängt (ſ. oben). Die meiſten Vereinsgeſetzgebungen verbieten ausdrücklich jede Verbindung der Ver- eine unter einander, was natürlich wieder nur auf politiſche Vereine bezogen werden kann, da es bei nicht politiſchen keinen Grund hat, und zum Theil gar nicht ausführbar iſt, für die meiſten Geſellſchaften aber ein direkter Wider- ſpruch mit ihrer Aufgabe wäre. In England exiſtiren ſolche Verbote natürlich nicht; hier ſind dagegen die Beſtimmungen über die Auflöſung der Geſell- ſchaften genau normirt, indem die Winding-up-Acts in den Geſellſchafts- geſetzen aufgenommen ſind (ſ. Gneiſt II, §. 125). In Frankreich iſt das Verbot der Affiliation ſchon in der Conſtitution von 1791 und in dem all- gemeinen Geſetze vom 10. April 1834 enthalten. Uebrigens iſt, ſo viel wir ſehen, nur in Frankreich das Recht des Verbots mit Rückſicht auf den Unter- ſchied zwiſchen Geſellſchaft und Verein klar durchgeführt. Schon das Dekret vom 16. Auguſt 1790 gab der police municipale das Recht der surveillance, aber nur auf politiſche Vereine. Nach der jurisprudence administrative hat die Polizei daher auch jetzt nur das Recht dieſer surveillance und eventuell

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 645. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/669>, abgerufen am 26.04.2024.