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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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wirthschaflicher Kräfte in dem Leben der Verwaltung nachzuweisen, sie
ist es, welche die Macht und die Aufgabe und damit die Geschichte der
großen elementaren Faktoren des menschlichen Daseins auch hier zu
verfolgen und die unendliche Vielfältigkeit und den nie ruhenden Wechsel
der Gestaltungen, des Rechts und der Rechtsbildung als ein Ganzes
zusammenzufassen hat. So lange es keine solche, organisch das Ver-
waltungsleben als Theil des Staatslebens begreifende, wir möchten
sagen ihrer selbst gewisse Verwaltungslehre gibt, so lange kennen wir
das innerste Dasein des Staates nicht
. Seit Jahrtausenden
ist der Staat Gegenstand unendlich mannichfacher, tiefer und umfas-
sender Beobachtungen und Gedanken; seit Jahrtausenden arbeitet die
Menschheit an dem Verständniß und an der Bildung der großartigsten
Gestaltung des persönlichen Lebens, die wir den Staat nennen; alle
Gebiete desselben sind durchforscht; alle sind als selbständige Einheit be-
griffen und verstanden; nur die Verwaltung nicht. Wir haben die
Gründe dargelegt, weßhalb das bisher nicht geschah. Es wird uns jetzt
verstattet sein, die Aufgabe zu bestimmen, die vor uns liegt. Unser
Jahrhundert wird das Jahrhundert der Verwaltungslehre in der Staats-
wissenschaft werden; es wird das Alte, Gewesene und Ueberwundene
in seinem Verhältniß zur Gegenwart zu erkennen und zu würdigen
suchen; es wird das Gegenwärtige in seiner organischen Einheit ent-
wickeln, und es wird damit die Thore der Zukunft öffnen, die in einer
noch unbekannten Ferne vor uns liegt, noch auf keinem Punkte eine
feste Gestalt hat, und dennoch schon als gewaltige Thatsache in unsere
Zeit hineingreift, die Zukunft der socialen Verwaltung, der Ver-
waltung der socialen Gesellschaftsordnung, welche der gegenwärtigen
staatsbürgerlichen zu folgen bestimmt ist. Die Verwaltungslehre wird
daher nicht bloß die Codification des Verwaltungsrechts ersetzen, und
nicht bloß mit der Wahrheit und Berechtigung desselben auch seine Einheit
geben. Sie ist bestimmt, der noch fast unbekannten, wenigstens noch fast
ganz unverarbeiteten Wissenschaft der Zukunft, der Gesellschaftswissenschaft,
dasjenige zu verleihen, was ihr in unserm Jahrhundert nicht fehlen darf,
um ihre Geltung zu sichern, ihre praktische Anwendung und Bedeu-
tung
für das wirkliche Leben, sein Recht und seine positive Entwicklung. --
Und in diesem Sinne haben wir die folgende schwere Arbeit übernommen.

Anhang.
Die Idee des internationalen Verwaltungsrechts.

Bei der bisherigen Darstellung sind wir auf allen Punkten davon
ausgegangen, daß der Staat als einzelne selbständige Persönlichkeit sein

wirthſchaflicher Kräfte in dem Leben der Verwaltung nachzuweiſen, ſie
iſt es, welche die Macht und die Aufgabe und damit die Geſchichte der
großen elementaren Faktoren des menſchlichen Daſeins auch hier zu
verfolgen und die unendliche Vielfältigkeit und den nie ruhenden Wechſel
der Geſtaltungen, des Rechts und der Rechtsbildung als ein Ganzes
zuſammenzufaſſen hat. So lange es keine ſolche, organiſch das Ver-
waltungsleben als Theil des Staatslebens begreifende, wir möchten
ſagen ihrer ſelbſt gewiſſe Verwaltungslehre gibt, ſo lange kennen wir
das innerſte Daſein des Staates nicht
. Seit Jahrtauſenden
iſt der Staat Gegenſtand unendlich mannichfacher, tiefer und umfaſ-
ſender Beobachtungen und Gedanken; ſeit Jahrtauſenden arbeitet die
Menſchheit an dem Verſtändniß und an der Bildung der großartigſten
Geſtaltung des perſönlichen Lebens, die wir den Staat nennen; alle
Gebiete deſſelben ſind durchforſcht; alle ſind als ſelbſtändige Einheit be-
griffen und verſtanden; nur die Verwaltung nicht. Wir haben die
Gründe dargelegt, weßhalb das bisher nicht geſchah. Es wird uns jetzt
verſtattet ſein, die Aufgabe zu beſtimmen, die vor uns liegt. Unſer
Jahrhundert wird das Jahrhundert der Verwaltungslehre in der Staats-
wiſſenſchaft werden; es wird das Alte, Geweſene und Ueberwundene
in ſeinem Verhältniß zur Gegenwart zu erkennen und zu würdigen
ſuchen; es wird das Gegenwärtige in ſeiner organiſchen Einheit ent-
wickeln, und es wird damit die Thore der Zukunft öffnen, die in einer
noch unbekannten Ferne vor uns liegt, noch auf keinem Punkte eine
feſte Geſtalt hat, und dennoch ſchon als gewaltige Thatſache in unſere
Zeit hineingreift, die Zukunft der ſocialen Verwaltung, der Ver-
waltung der ſocialen Geſellſchaftsordnung, welche der gegenwärtigen
ſtaatsbürgerlichen zu folgen beſtimmt iſt. Die Verwaltungslehre wird
daher nicht bloß die Codification des Verwaltungsrechts erſetzen, und
nicht bloß mit der Wahrheit und Berechtigung deſſelben auch ſeine Einheit
geben. Sie iſt beſtimmt, der noch faſt unbekannten, wenigſtens noch faſt
ganz unverarbeiteten Wiſſenſchaft der Zukunft, der Geſellſchaftswiſſenſchaft,
dasjenige zu verleihen, was ihr in unſerm Jahrhundert nicht fehlen darf,
um ihre Geltung zu ſichern, ihre praktiſche Anwendung und Bedeu-
tung
für das wirkliche Leben, ſein Recht und ſeine poſitive Entwicklung. —
Und in dieſem Sinne haben wir die folgende ſchwere Arbeit übernommen.

Anhang.
Die Idee des internationalen Verwaltungsrechts.

Bei der bisherigen Darſtellung ſind wir auf allen Punkten davon
ausgegangen, daß der Staat als einzelne ſelbſtändige Perſönlichkeit ſein

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[94/0116] wirthſchaflicher Kräfte in dem Leben der Verwaltung nachzuweiſen, ſie iſt es, welche die Macht und die Aufgabe und damit die Geſchichte der großen elementaren Faktoren des menſchlichen Daſeins auch hier zu verfolgen und die unendliche Vielfältigkeit und den nie ruhenden Wechſel der Geſtaltungen, des Rechts und der Rechtsbildung als ein Ganzes zuſammenzufaſſen hat. So lange es keine ſolche, organiſch das Ver- waltungsleben als Theil des Staatslebens begreifende, wir möchten ſagen ihrer ſelbſt gewiſſe Verwaltungslehre gibt, ſo lange kennen wir das innerſte Daſein des Staates nicht. Seit Jahrtauſenden iſt der Staat Gegenſtand unendlich mannichfacher, tiefer und umfaſ- ſender Beobachtungen und Gedanken; ſeit Jahrtauſenden arbeitet die Menſchheit an dem Verſtändniß und an der Bildung der großartigſten Geſtaltung des perſönlichen Lebens, die wir den Staat nennen; alle Gebiete deſſelben ſind durchforſcht; alle ſind als ſelbſtändige Einheit be- griffen und verſtanden; nur die Verwaltung nicht. Wir haben die Gründe dargelegt, weßhalb das bisher nicht geſchah. Es wird uns jetzt verſtattet ſein, die Aufgabe zu beſtimmen, die vor uns liegt. Unſer Jahrhundert wird das Jahrhundert der Verwaltungslehre in der Staats- wiſſenſchaft werden; es wird das Alte, Geweſene und Ueberwundene in ſeinem Verhältniß zur Gegenwart zu erkennen und zu würdigen ſuchen; es wird das Gegenwärtige in ſeiner organiſchen Einheit ent- wickeln, und es wird damit die Thore der Zukunft öffnen, die in einer noch unbekannten Ferne vor uns liegt, noch auf keinem Punkte eine feſte Geſtalt hat, und dennoch ſchon als gewaltige Thatſache in unſere Zeit hineingreift, die Zukunft der ſocialen Verwaltung, der Ver- waltung der ſocialen Geſellſchaftsordnung, welche der gegenwärtigen ſtaatsbürgerlichen zu folgen beſtimmt iſt. Die Verwaltungslehre wird daher nicht bloß die Codification des Verwaltungsrechts erſetzen, und nicht bloß mit der Wahrheit und Berechtigung deſſelben auch ſeine Einheit geben. Sie iſt beſtimmt, der noch faſt unbekannten, wenigſtens noch faſt ganz unverarbeiteten Wiſſenſchaft der Zukunft, der Geſellſchaftswiſſenſchaft, dasjenige zu verleihen, was ihr in unſerm Jahrhundert nicht fehlen darf, um ihre Geltung zu ſichern, ihre praktiſche Anwendung und Bedeu- tung für das wirkliche Leben, ſein Recht und ſeine poſitive Entwicklung. — Und in dieſem Sinne haben wir die folgende ſchwere Arbeit übernommen. Anhang. Die Idee des internationalen Verwaltungsrechts. Bei der bisherigen Darſtellung ſind wir auf allen Punkten davon ausgegangen, daß der Staat als einzelne ſelbſtändige Perſönlichkeit ſein

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/116>, abgerufen am 19.03.2024.