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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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Geschichte der Standesregister zu geben, so dürfte doch die Grundlage
ihrer allmähligen Ausbildung bis zu ihrem gegenwärtigen Standpunkte
weder unklar noch auch ohne Interesse sein.

Man muß als diese Grundlage drei Momente betrachten, die noch
gegenwärtig gültig sind, aber die durch ihre verschiedene Bedeutung in
den verschiedenen Zeiten gewissermaßen drei große Epochen hervorgerufen
haben. Diese drei Momente sind das rein kirchliche, das administrative
und das statistische Element, denen die Epoche der rein kirchlichen, der
administrativen und der statistischen Standesregister entsprechen. Die
Formen, welche diese Momente einerseits und die Epochen der Ent-
wicklung andererseits erzeugt haben, bezeichnen wir wohl am besten als
die der Kirchenbücher, welche die erste Epoche bilden, die Geburts-
und Todtenregister
, welche der zweiten gehören, und der eigentlichen
Standesregister, welche mit der dritten entstehen. Diese Unter-
scheidungen gehören allerdings mehr dem Wesen als der äußern Form
an, sind aber dennoch, wie wir glauben, leicht verständlich, und wohl
auch leicht nachzuweisen.

1) Wir glauben nicht zu irren, wenn wir die Einführung der
ersten Form der Standesregister als der Kirchenbücher auf das Be-
dürfniß zurückführen, durch den Beweis der Vornahme des kirchlichen
Aktes der Taufe und der Trauung den Beweis der Angehörigkeit der
Einzelnen an eine bestimmte Confession hinzustellen, und daß daher
diese Kirchenbücher sich als allgemeines Institut an die Entstehung
der Spaltungen in der katholischen Kirche anschließen. Ob und in wie
weit jedoch nicht schon früher Gemeindekirchenbücher, namentlich
von Stadtpfarrern, geführt worden sind, läßt sich bis jetzt noch schwer
sagen. Gewiß ist nur, daß wir bereits im Beginn des 16. Jahrhun-
derts den ersten, zum Theil großartig angelegten Versuchen in England
und Frankreich begegnen, das Kirchenbücherwesen auf einer gemeinsamen
Grundlage zu ordnen, bis das Tridentiner Concil endlich die Führung
der Kirchenbücher zu einer allgemeinen Pflicht aller Geistlichen machte.
Das Concil. Trident. sess. XXIV, c. 1. de reformat. matrimonii
sagt: "Habeat parochus librum, in quo conjugum et testium nomina
et locum contracti matrimonii describat, quem diligenter apud se
custodiat."
Dann heißt es sess. XXIV. c. 2. de reformat. matr.
"Parochus, antequam ad baptismum conferendum accedat, diligenter
ab iis, ad quos spectabit, sciscitetur, quem vel quos elegerint, ut
baptizatum de sacro fonte suscipiant et eum vel eos tantum ad
illum suscipiendum admittat et in libro eorum nomina describat."

Damit war nun zwar ein großer Schritt geschehen; allein es war doch
nur ein Anfang. Das Kirchenbuch ist anfangs gleichsam nur eine

Geſchichte der Standesregiſter zu geben, ſo dürfte doch die Grundlage
ihrer allmähligen Ausbildung bis zu ihrem gegenwärtigen Standpunkte
weder unklar noch auch ohne Intereſſe ſein.

Man muß als dieſe Grundlage drei Momente betrachten, die noch
gegenwärtig gültig ſind, aber die durch ihre verſchiedene Bedeutung in
den verſchiedenen Zeiten gewiſſermaßen drei große Epochen hervorgerufen
haben. Dieſe drei Momente ſind das rein kirchliche, das adminiſtrative
und das ſtatiſtiſche Element, denen die Epoche der rein kirchlichen, der
adminiſtrativen und der ſtatiſtiſchen Standesregiſter entſprechen. Die
Formen, welche dieſe Momente einerſeits und die Epochen der Ent-
wicklung andererſeits erzeugt haben, bezeichnen wir wohl am beſten als
die der Kirchenbücher, welche die erſte Epoche bilden, die Geburts-
und Todtenregiſter
, welche der zweiten gehören, und der eigentlichen
Standesregiſter, welche mit der dritten entſtehen. Dieſe Unter-
ſcheidungen gehören allerdings mehr dem Weſen als der äußern Form
an, ſind aber dennoch, wie wir glauben, leicht verſtändlich, und wohl
auch leicht nachzuweiſen.

1) Wir glauben nicht zu irren, wenn wir die Einführung der
erſten Form der Standesregiſter als der Kirchenbücher auf das Be-
dürfniß zurückführen, durch den Beweis der Vornahme des kirchlichen
Aktes der Taufe und der Trauung den Beweis der Angehörigkeit der
Einzelnen an eine beſtimmte Confeſſion hinzuſtellen, und daß daher
dieſe Kirchenbücher ſich als allgemeines Inſtitut an die Entſtehung
der Spaltungen in der katholiſchen Kirche anſchließen. Ob und in wie
weit jedoch nicht ſchon früher Gemeindekirchenbücher, namentlich
von Stadtpfarrern, geführt worden ſind, läßt ſich bis jetzt noch ſchwer
ſagen. Gewiß iſt nur, daß wir bereits im Beginn des 16. Jahrhun-
derts den erſten, zum Theil großartig angelegten Verſuchen in England
und Frankreich begegnen, das Kirchenbücherweſen auf einer gemeinſamen
Grundlage zu ordnen, bis das Tridentiner Concil endlich die Führung
der Kirchenbücher zu einer allgemeinen Pflicht aller Geiſtlichen machte.
Das Concil. Trident. sess. XXIV, c. 1. de reformat. matrimonii
ſagt: „Habeat parochus librum, in quo conjugum et testium nomina
et locum contracti matrimonii describat, quem diligenter apud se
custodiat.“
Dann heißt es sess. XXIV. c. 2. de reformat. matr.
„Parochus, antequam ad baptismum conferendum accedat, diligenter
ab iis, ad quos spectabit, sciscitetur, quem vel quos elegerint, ut
baptizatum de sacro fonte suscipiant et eum vel eos tantum ad
illum suscipiendum admittat et in libro eorum nomina describat.“

Damit war nun zwar ein großer Schritt geſchehen; allein es war doch
nur ein Anfang. Das Kirchenbuch iſt anfangs gleichſam nur eine

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[234/0256] Geſchichte der Standesregiſter zu geben, ſo dürfte doch die Grundlage ihrer allmähligen Ausbildung bis zu ihrem gegenwärtigen Standpunkte weder unklar noch auch ohne Intereſſe ſein. Man muß als dieſe Grundlage drei Momente betrachten, die noch gegenwärtig gültig ſind, aber die durch ihre verſchiedene Bedeutung in den verſchiedenen Zeiten gewiſſermaßen drei große Epochen hervorgerufen haben. Dieſe drei Momente ſind das rein kirchliche, das adminiſtrative und das ſtatiſtiſche Element, denen die Epoche der rein kirchlichen, der adminiſtrativen und der ſtatiſtiſchen Standesregiſter entſprechen. Die Formen, welche dieſe Momente einerſeits und die Epochen der Ent- wicklung andererſeits erzeugt haben, bezeichnen wir wohl am beſten als die der Kirchenbücher, welche die erſte Epoche bilden, die Geburts- und Todtenregiſter, welche der zweiten gehören, und der eigentlichen Standesregiſter, welche mit der dritten entſtehen. Dieſe Unter- ſcheidungen gehören allerdings mehr dem Weſen als der äußern Form an, ſind aber dennoch, wie wir glauben, leicht verſtändlich, und wohl auch leicht nachzuweiſen. 1) Wir glauben nicht zu irren, wenn wir die Einführung der erſten Form der Standesregiſter als der Kirchenbücher auf das Be- dürfniß zurückführen, durch den Beweis der Vornahme des kirchlichen Aktes der Taufe und der Trauung den Beweis der Angehörigkeit der Einzelnen an eine beſtimmte Confeſſion hinzuſtellen, und daß daher dieſe Kirchenbücher ſich als allgemeines Inſtitut an die Entſtehung der Spaltungen in der katholiſchen Kirche anſchließen. Ob und in wie weit jedoch nicht ſchon früher Gemeindekirchenbücher, namentlich von Stadtpfarrern, geführt worden ſind, läßt ſich bis jetzt noch ſchwer ſagen. Gewiß iſt nur, daß wir bereits im Beginn des 16. Jahrhun- derts den erſten, zum Theil großartig angelegten Verſuchen in England und Frankreich begegnen, das Kirchenbücherweſen auf einer gemeinſamen Grundlage zu ordnen, bis das Tridentiner Concil endlich die Führung der Kirchenbücher zu einer allgemeinen Pflicht aller Geiſtlichen machte. Das Concil. Trident. sess. XXIV, c. 1. de reformat. matrimonii ſagt: „Habeat parochus librum, in quo conjugum et testium nomina et locum contracti matrimonii describat, quem diligenter apud se custodiat.“ Dann heißt es sess. XXIV. c. 2. de reformat. matr. „Parochus, antequam ad baptismum conferendum accedat, diligenter ab iis, ad quos spectabit, sciscitetur, quem vel quos elegerint, ut baptizatum de sacro fonte suscipiant et eum vel eos tantum ad illum suscipiendum admittat et in libro eorum nomina describat.“ Damit war nun zwar ein großer Schritt geſchehen; allein es war doch nur ein Anfang. Das Kirchenbuch iſt anfangs gleichſam nur eine

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/256>, abgerufen am 26.04.2024.