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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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Organisirung des bürgerlichen Belagerungszustandes datirt erst von dem
Decret vom 24. December 1811, mit Einführung der militärischen
Gerichtsbarkeit (Arrete vom 30. Juni 1832). Streit durch Constitution
vom 24. Juni 1848, Art. 106, namentlich wer den Belagerungs-
zustand erklären darf. Constitution von 1852, Art. 12: Recht des
Kaisers; Gesetz vom 9. August 1849: Nur die juridiction criminelle
geht über an die militärische Gerichtsbarkeit. Laferriere Dr. adm. I.
art. II.
Mittermaier a. a. O. S. 34 ff. -- Oesterreich: Die Er-
klärung steht dem Landeschef zu; das Standrecht wird verkündet. Bildung
des Standgerichts durch den Vorsteher des Gerichtshofes; das
Ganze ist wesentlich Gegenstand der Strafproceßordnung (§. 396 u. ff.)
Diese §§. haben es nur mit dem bürgerlichen Belagerungszustand zu
thun, für den sie den Namen des "Standrechts" festhalten; Bestim-
mungen über den Kriegszustand fehlen. Militärische Bestimmungen sind
von 1803; modificirt durch Hofdecret vom 10. Februar 1816. Kund-
machung vom 24. November 1849 und 22. Februar 1848. (Stuben-
rauch
, Verwaltungsgesetzkunde I. §. 209. Mittermaier a. a. O.
S. 42.) -- Preußen: Recht der Verfassungsurkunde von 1848, §. 109.
(Mittermaier a. a. O. S. 43.) Diese allgemeine Bestimmung wird
erst ausgeführt durch die Verfassungsurkunde von 1850. Die Grund-
lage des preußischen Rechts ist die strenge Unterscheidung zwischen dem
Kriegszustand und dem bürgerlichen Belagerungsrecht, indem nach dem
oben bezeichneten französischen Vorgange der erste sich auf einen feind-
lichen Angriff, speziell auf Festungen bezieht, und daher auch vom
Festungscommandanten ausgesprochen werden kann, während den bürger-
lichen Belagerungszustand nur das Staatsministerium erklären darf.
Art. 111 der Verfassungsurkunde von 1850 stellte nämlich den Grund-
satz fest, daß die Regierung das Recht habe, bei Gefahr für die öffent-
liche Sicherheit gewisse verfassungsmäßige Rechte zu beschränken, und ver-
sprach ein eigenes Gesetz. Dieses erschien: Gesetz vom 4. Juni 1851
über den Belagerungszustand, das ausführlichste unter allen existi-
renden Gesetzen, hart, aber klar. Erklärung des, vom militärischen
(§. 1) geschiedenen bürgerlichen Belagerungszustandes durch das Staats-
ministerium; öffentliche Bekanntmachung; Uebergang der gesammten
vollziehenden Gewalt an die militärische; dagegen ist die spezielle
Suspension der einzelnen bürgerlichen verfassungsmäßigen Rechte noth-
wendig. Dabei Verpflichtung zur Anzeige an die Volksvertretung.
Rönne, Staatsrecht I. 47, §. 101. Bayern: Ohne eigenes Gesetz; das
Recht des Aufruhrs ist hier wie in Oesterreich Theil des Strafgesetz-
buches (1813, Art. 441). (Pözl, Verfassungsrecht §. 161.) -- In den
übrigen deutschen Staaten nach Vorgang der Reichsverfassung vom

Organiſirung des bürgerlichen Belagerungszuſtandes datirt erſt von dem
Decret vom 24. December 1811, mit Einführung der militäriſchen
Gerichtsbarkeit (Arrêté vom 30. Juni 1832). Streit durch Conſtitution
vom 24. Juni 1848, Art. 106, namentlich wer den Belagerungs-
zuſtand erklären darf. Conſtitution von 1852, Art. 12: Recht des
Kaiſers; Geſetz vom 9. Auguſt 1849: Nur die juridiction criminelle
geht über an die militäriſche Gerichtsbarkeit. Laferrière Dr. adm. I.
art. II.
Mittermaier a. a. O. S. 34 ff. — Oeſterreich: Die Er-
klärung ſteht dem Landeschef zu; das Standrecht wird verkündet. Bildung
des Standgerichts durch den Vorſteher des Gerichtshofes; das
Ganze iſt weſentlich Gegenſtand der Strafproceßordnung (§. 396 u. ff.)
Dieſe §§. haben es nur mit dem bürgerlichen Belagerungszuſtand zu
thun, für den ſie den Namen des „Standrechts“ feſthalten; Beſtim-
mungen über den Kriegszuſtand fehlen. Militäriſche Beſtimmungen ſind
von 1803; modificirt durch Hofdecret vom 10. Februar 1816. Kund-
machung vom 24. November 1849 und 22. Februar 1848. (Stuben-
rauch
, Verwaltungsgeſetzkunde I. §. 209. Mittermaier a. a. O.
S. 42.) — Preußen: Recht der Verfaſſungsurkunde von 1848, §. 109.
(Mittermaier a. a. O. S. 43.) Dieſe allgemeine Beſtimmung wird
erſt ausgeführt durch die Verfaſſungsurkunde von 1850. Die Grund-
lage des preußiſchen Rechts iſt die ſtrenge Unterſcheidung zwiſchen dem
Kriegszuſtand und dem bürgerlichen Belagerungsrecht, indem nach dem
oben bezeichneten franzöſiſchen Vorgange der erſte ſich auf einen feind-
lichen Angriff, ſpeziell auf Feſtungen bezieht, und daher auch vom
Feſtungscommandanten ausgeſprochen werden kann, während den bürger-
lichen Belagerungszuſtand nur das Staatsminiſterium erklären darf.
Art. 111 der Verfaſſungsurkunde von 1850 ſtellte nämlich den Grund-
ſatz feſt, daß die Regierung das Recht habe, bei Gefahr für die öffent-
liche Sicherheit gewiſſe verfaſſungsmäßige Rechte zu beſchränken, und ver-
ſprach ein eigenes Geſetz. Dieſes erſchien: Geſetz vom 4. Juni 1851
über den Belagerungszuſtand, das ausführlichſte unter allen exiſti-
renden Geſetzen, hart, aber klar. Erklärung des, vom militäriſchen
(§. 1) geſchiedenen bürgerlichen Belagerungszuſtandes durch das Staats-
miniſterium; öffentliche Bekanntmachung; Uebergang der geſammten
vollziehenden Gewalt an die militäriſche; dagegen iſt die ſpezielle
Suſpenſion der einzelnen bürgerlichen verfaſſungsmäßigen Rechte noth-
wendig. Dabei Verpflichtung zur Anzeige an die Volksvertretung.
Rönne, Staatsrecht I. 47, §. 101. Bayern: Ohne eigenes Geſetz; das
Recht des Aufruhrs iſt hier wie in Oeſterreich Theil des Strafgeſetz-
buches (1813, Art. 441). (Pözl, Verfaſſungsrecht §. 161.) — In den
übrigen deutſchen Staaten nach Vorgang der Reichsverfaſſung vom

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[131/0153] Organiſirung des bürgerlichen Belagerungszuſtandes datirt erſt von dem Decret vom 24. December 1811, mit Einführung der militäriſchen Gerichtsbarkeit (Arrêté vom 30. Juni 1832). Streit durch Conſtitution vom 24. Juni 1848, Art. 106, namentlich wer den Belagerungs- zuſtand erklären darf. Conſtitution von 1852, Art. 12: Recht des Kaiſers; Geſetz vom 9. Auguſt 1849: Nur die juridiction criminelle geht über an die militäriſche Gerichtsbarkeit. Laferrière Dr. adm. I. art. II. Mittermaier a. a. O. S. 34 ff. — Oeſterreich: Die Er- klärung ſteht dem Landeschef zu; das Standrecht wird verkündet. Bildung des Standgerichts durch den Vorſteher des Gerichtshofes; das Ganze iſt weſentlich Gegenſtand der Strafproceßordnung (§. 396 u. ff.) Dieſe §§. haben es nur mit dem bürgerlichen Belagerungszuſtand zu thun, für den ſie den Namen des „Standrechts“ feſthalten; Beſtim- mungen über den Kriegszuſtand fehlen. Militäriſche Beſtimmungen ſind von 1803; modificirt durch Hofdecret vom 10. Februar 1816. Kund- machung vom 24. November 1849 und 22. Februar 1848. (Stuben- rauch, Verwaltungsgeſetzkunde I. §. 209. Mittermaier a. a. O. S. 42.) — Preußen: Recht der Verfaſſungsurkunde von 1848, §. 109. (Mittermaier a. a. O. S. 43.) Dieſe allgemeine Beſtimmung wird erſt ausgeführt durch die Verfaſſungsurkunde von 1850. Die Grund- lage des preußiſchen Rechts iſt die ſtrenge Unterſcheidung zwiſchen dem Kriegszuſtand und dem bürgerlichen Belagerungsrecht, indem nach dem oben bezeichneten franzöſiſchen Vorgange der erſte ſich auf einen feind- lichen Angriff, ſpeziell auf Feſtungen bezieht, und daher auch vom Feſtungscommandanten ausgeſprochen werden kann, während den bürger- lichen Belagerungszuſtand nur das Staatsminiſterium erklären darf. Art. 111 der Verfaſſungsurkunde von 1850 ſtellte nämlich den Grund- ſatz feſt, daß die Regierung das Recht habe, bei Gefahr für die öffent- liche Sicherheit gewiſſe verfaſſungsmäßige Rechte zu beſchränken, und ver- ſprach ein eigenes Geſetz. Dieſes erſchien: Geſetz vom 4. Juni 1851 über den Belagerungszuſtand, das ausführlichſte unter allen exiſti- renden Geſetzen, hart, aber klar. Erklärung des, vom militäriſchen (§. 1) geſchiedenen bürgerlichen Belagerungszuſtandes durch das Staats- miniſterium; öffentliche Bekanntmachung; Uebergang der geſammten vollziehenden Gewalt an die militäriſche; dagegen iſt die ſpezielle Suſpenſion der einzelnen bürgerlichen verfaſſungsmäßigen Rechte noth- wendig. Dabei Verpflichtung zur Anzeige an die Volksvertretung. Rönne, Staatsrecht I. 47, §. 101. Bayern: Ohne eigenes Geſetz; das Recht des Aufruhrs iſt hier wie in Oeſterreich Theil des Strafgeſetz- buches (1813, Art. 441). (Pözl, Verfaſſungsrecht §. 161.) — In den übrigen deutſchen Staaten nach Vorgang der Reichsverfaſſung vom

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/153>, abgerufen am 26.04.2024.