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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

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Verwaltung gesichert zu haben. Es wäre eine Arbeit von hohem Werthe,
dieß weiter zu verfolgen, wenn auch zunächst nur noch innerhalb der
einzelnen Gebiete. Möchten diese wenigen Worte dafür einen Anstoß
geben!

II. Akademien und wissenschaftliche Gesellschaften.

Die Akademien verdanken ihr Entstehen der Erkenntniß, daß die
Wissenschaft als solche, auch ohne jede unmittelbare Anwendung, einen
wichtigen Theil der Macht und des höhern Lebens der Staaten bilde.
Sie sind im Grunde die Hauptform, in welcher die Verwaltung des
geistigen Lebens der Staaten diesen Satz öffentlich anerkennt; und in
dieser Anerkennung besteht ihr Werth vielmehr als in dem, was
sie leisten. Eben deßhalb sind auch ihre Leistungen darauf berechnet,
nicht so sehr das Streben nach neuen Gebieten des Wissens zu fördern,
als vielmehr das Erstrebte als wissenschaftliche Thatsache festzustellen.
Darauf beruht ihre Einrichtung, vermöge deren sie in bestimmten, mehr
oder weniger glücklich gewählten Abtheilungen das ganze Gebiet des
Wissens umfassen, das Vorherrschen der historischen Kenntnisse, und ihr
höchst geringer Einfluß auf das wissenschaftliche und geistige Leben der
Völker. Ihre Wirkung ist, namentlich den Universitäten und Vereinen
gegenüber, vorzugsweise eine negative; sie bezeichnen die Linie, unter
welche der Stand der Kenntnisse nicht herabgehen darf; und auch dieß
nur in sehr unvollkommener Weise, da sie sich mit den lebendigsten
Fragen, den Fragen des gegenwärtigen Staatslebens, nicht zu beschäf-
tigen vermögen. Je besser die Universitäten, je weniger bedarf die
Wissenschaft der Akademien.

Die zweite große Form, in der dieser Zweck erreicht wird, ist der
der wissenschaftlichen Gesellschaften. Wir müssen diesen Aus-
druck jetzt statt des früheren, der ständischen Epoche angehörenden der
"gelehrten Gesellschaften" nehmen, weil das freie Vereinswesen nicht
mehr bloß die gelehrte, sondern auch die wirthschaftliche Bildung in
seinen Kreis gezogen hat und hier zum Theil mehr wirkt, als in jenen.
Der Unterschied der Akademien von diesen wissenschaftlichen Gesellschaften
besteht nun nur in dem Verhältniß des Staats zu denselben; jene
gehören dem amtlichen, diese dem freien Bildungswesen, und daher hat
der Staat bei jenem Rechte in Beziehung auf die wirthschaftliche Ver-
waltung, dann Pflichten der Unterstützung zu entsprechen. Für beide ist
jedoch die geistige Selbstverwaltung ein Lebensprincip, das sich
namentlich durch den Grundsatz der freien Wahl sowohl der Vorstände
als der Mitglieder und endlich der Leistungen bethätigt. Aber die
Akademien sind stets sehr beschränkter Natur, während die Gesellschaften

Stein, die Verwaltungslehre. VI. 3

Verwaltung geſichert zu haben. Es wäre eine Arbeit von hohem Werthe,
dieß weiter zu verfolgen, wenn auch zunächſt nur noch innerhalb der
einzelnen Gebiete. Möchten dieſe wenigen Worte dafür einen Anſtoß
geben!

II. Akademien und wiſſenſchaftliche Geſellſchaften.

Die Akademien verdanken ihr Entſtehen der Erkenntniß, daß die
Wiſſenſchaft als ſolche, auch ohne jede unmittelbare Anwendung, einen
wichtigen Theil der Macht und des höhern Lebens der Staaten bilde.
Sie ſind im Grunde die Hauptform, in welcher die Verwaltung des
geiſtigen Lebens der Staaten dieſen Satz öffentlich anerkennt; und in
dieſer Anerkennung beſteht ihr Werth vielmehr als in dem, was
ſie leiſten. Eben deßhalb ſind auch ihre Leiſtungen darauf berechnet,
nicht ſo ſehr das Streben nach neuen Gebieten des Wiſſens zu fördern,
als vielmehr das Erſtrebte als wiſſenſchaftliche Thatſache feſtzuſtellen.
Darauf beruht ihre Einrichtung, vermöge deren ſie in beſtimmten, mehr
oder weniger glücklich gewählten Abtheilungen das ganze Gebiet des
Wiſſens umfaſſen, das Vorherrſchen der hiſtoriſchen Kenntniſſe, und ihr
höchſt geringer Einfluß auf das wiſſenſchaftliche und geiſtige Leben der
Völker. Ihre Wirkung iſt, namentlich den Univerſitäten und Vereinen
gegenüber, vorzugsweiſe eine negative; ſie bezeichnen die Linie, unter
welche der Stand der Kenntniſſe nicht herabgehen darf; und auch dieß
nur in ſehr unvollkommener Weiſe, da ſie ſich mit den lebendigſten
Fragen, den Fragen des gegenwärtigen Staatslebens, nicht zu beſchäf-
tigen vermögen. Je beſſer die Univerſitäten, je weniger bedarf die
Wiſſenſchaft der Akademien.

Die zweite große Form, in der dieſer Zweck erreicht wird, iſt der
der wiſſenſchaftlichen Geſellſchaften. Wir müſſen dieſen Aus-
druck jetzt ſtatt des früheren, der ſtändiſchen Epoche angehörenden der
„gelehrten Geſellſchaften“ nehmen, weil das freie Vereinsweſen nicht
mehr bloß die gelehrte, ſondern auch die wirthſchaftliche Bildung in
ſeinen Kreis gezogen hat und hier zum Theil mehr wirkt, als in jenen.
Der Unterſchied der Akademien von dieſen wiſſenſchaftlichen Geſellſchaften
beſteht nun nur in dem Verhältniß des Staats zu denſelben; jene
gehören dem amtlichen, dieſe dem freien Bildungsweſen, und daher hat
der Staat bei jenem Rechte in Beziehung auf die wirthſchaftliche Ver-
waltung, dann Pflichten der Unterſtützung zu entſprechen. Für beide iſt
jedoch die geiſtige Selbſtverwaltung ein Lebensprincip, das ſich
namentlich durch den Grundſatz der freien Wahl ſowohl der Vorſtände
als der Mitglieder und endlich der Leiſtungen bethätigt. Aber die
Akademien ſind ſtets ſehr beſchränkter Natur, während die Geſellſchaften

Stein, die Verwaltungslehre. VI. 3
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[33/0049] Verwaltung geſichert zu haben. Es wäre eine Arbeit von hohem Werthe, dieß weiter zu verfolgen, wenn auch zunächſt nur noch innerhalb der einzelnen Gebiete. Möchten dieſe wenigen Worte dafür einen Anſtoß geben! II. Akademien und wiſſenſchaftliche Geſellſchaften. Die Akademien verdanken ihr Entſtehen der Erkenntniß, daß die Wiſſenſchaft als ſolche, auch ohne jede unmittelbare Anwendung, einen wichtigen Theil der Macht und des höhern Lebens der Staaten bilde. Sie ſind im Grunde die Hauptform, in welcher die Verwaltung des geiſtigen Lebens der Staaten dieſen Satz öffentlich anerkennt; und in dieſer Anerkennung beſteht ihr Werth vielmehr als in dem, was ſie leiſten. Eben deßhalb ſind auch ihre Leiſtungen darauf berechnet, nicht ſo ſehr das Streben nach neuen Gebieten des Wiſſens zu fördern, als vielmehr das Erſtrebte als wiſſenſchaftliche Thatſache feſtzuſtellen. Darauf beruht ihre Einrichtung, vermöge deren ſie in beſtimmten, mehr oder weniger glücklich gewählten Abtheilungen das ganze Gebiet des Wiſſens umfaſſen, das Vorherrſchen der hiſtoriſchen Kenntniſſe, und ihr höchſt geringer Einfluß auf das wiſſenſchaftliche und geiſtige Leben der Völker. Ihre Wirkung iſt, namentlich den Univerſitäten und Vereinen gegenüber, vorzugsweiſe eine negative; ſie bezeichnen die Linie, unter welche der Stand der Kenntniſſe nicht herabgehen darf; und auch dieß nur in ſehr unvollkommener Weiſe, da ſie ſich mit den lebendigſten Fragen, den Fragen des gegenwärtigen Staatslebens, nicht zu beſchäf- tigen vermögen. Je beſſer die Univerſitäten, je weniger bedarf die Wiſſenſchaft der Akademien. Die zweite große Form, in der dieſer Zweck erreicht wird, iſt der der wiſſenſchaftlichen Geſellſchaften. Wir müſſen dieſen Aus- druck jetzt ſtatt des früheren, der ſtändiſchen Epoche angehörenden der „gelehrten Geſellſchaften“ nehmen, weil das freie Vereinsweſen nicht mehr bloß die gelehrte, ſondern auch die wirthſchaftliche Bildung in ſeinen Kreis gezogen hat und hier zum Theil mehr wirkt, als in jenen. Der Unterſchied der Akademien von dieſen wiſſenſchaftlichen Geſellſchaften beſteht nun nur in dem Verhältniß des Staats zu denſelben; jene gehören dem amtlichen, dieſe dem freien Bildungsweſen, und daher hat der Staat bei jenem Rechte in Beziehung auf die wirthſchaftliche Ver- waltung, dann Pflichten der Unterſtützung zu entſprechen. Für beide iſt jedoch die geiſtige Selbſtverwaltung ein Lebensprincip, das ſich namentlich durch den Grundſatz der freien Wahl ſowohl der Vorſtände als der Mitglieder und endlich der Leiſtungen bethätigt. Aber die Akademien ſind ſtets ſehr beſchränkter Natur, während die Geſellſchaften Stein, die Verwaltungslehre. VI. 3

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/49>, abgerufen am 27.04.2024.