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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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Holzkohle und Russ, die Beerenpulpa des Genipapo-Baums (Genipa) und
mehrere Harze liefern Schwarz. Zum Schwärzen der Innenseite der Kürbisschalen
wird Kohle von der Rinde des Buritischaftes genommen.

Der gelbrote bis braunrote Lehm scheint durch den Uruku-Farbstoff ver-
drängt zu sein. Er wurde früher gegessen und wird noch zu schweren Kinder-
puppen geformt, auch noch auf die Ritzwunden eingerieben.

Holzkohle und Russ werden unmittelbar wie das Weiss eingerieben, oder
auch wie das Uruku mit Flüssigkeit angerührt. Entweder nimmt man Oel aus
der Pikifrucht (Caryocar butyrosum) oder den gelben, kautschukhaltigen Extrakt
von einem Baum des Campo cerrado, den die Bakairi Ochogohi nennen und
dessen Rinde geraspelt und mit Wasser ausgezogen wird. Die Farben werden
in einer Kürbisschale oder einem Topf, oder, wo ein hartes Harz mit der Beil-
klinge zerkleinert wird, am bequemsten in der napfförmigen Vertiefung eines
Schemels angerührt. Das Uruku findet sich immer in den Handwerkskörbchen
neben der Hängematte, als Paste in Blättern verpackt.

Die Farbstoffe, die den Eingeborenen zur Verfügung stehen, sind also Weiss,
Schwarz, Rot und Gelb. Das Genipapo-Schwarz ist blauschwarz, das Uruku-Rot
ein Ziegelrot bis Orange, das mit dem gelben Ochogohisaft gemischt von Rot
viel verliert. Blaue und grüne Farbstoffe sind nicht vorhanden.

Die Theorie, dass sich der Farbensinn bei der Menschheit allmählich ent-
wickelt habe, begründet durch die Thatsache, dass die Unterscheidung der Farben
in der Sprache bis zu den hohen Kulturstufen hinauf mangelhaft ist und dass
besonders blau und grün ausserordentlich häufig mit demselben Worte bezeichnet
werden, ist heute verlassen worden. Man hat bei allen Naturvölkern, die man
untersuchte, gefunden, dass sie die verschiedenen Farbeneindrücke mit dem Auge
vortrefflich sondern, dass sie z. B. aus einem Haufen zahlreicher Wollbündelchen
die gleichfarbigen Nuancen mit normaler Sicherheit auswählen, von Farbenblindheit
also keine Rede sein kann, dass aber in der sprachlichen Bezeichnung freilich mit
erstaunlicher Regelmässigkeit blau und grün zusammengeworfen wird. Die richtige
Lösung ist von Ernst Krause (Carus Sterne) angegeben worden. Der Mensch,
nach natürlicher Anlage jederzeit für den energischen Eindruck von Rot am meisten
empfänglich, hat gerade für diese Farbe auch mineralische und vegetabilische
Pigmente am reichlichsten vorgefunden. Der nächsthäufig fertig gebildete Farb-
stoff ausser Schwarz und Weiss ist gelb, während die grünen und blauen Farb-
stoffe erst späte Erzeugnisse der Färbetechnik sind. Entsprechend dem Gebrauch
hat man auch die Farbennamen entwickelt.

Auf ein Blatt meines Tagebuchs hatte mir Wilhelm farbige Flecke ein-
getragen von Ultramarin, Kobaltblau, Smaragdgrün, Saftgrün, Karmin, Rosakrapp,
Zinnober, Orange, Kadmiumgelb, gebrannter Siena, Sepia und Elfenbeinschwarz.
Der Versuch, die Farbennamen durch Vorlegen lebhaft gefärbter Dinge zu er-
halten, schlug gänzlich fehl. Man gab die gegenständlichen Namen oder diese
mit Farbennamen durcheinander, und Nichts stand im Wege, ein ergötzliches Ver-

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Holzkohle und Russ, die Beerenpulpa des Genipapo-Baums (Genipa) und
mehrere Harze liefern Schwarz. Zum Schwärzen der Innenseite der Kürbisschalen
wird Kohle von der Rinde des Buritíschaftes genommen.

Der gelbrote bis braunrote Lehm scheint durch den Urukú-Farbstoff ver-
drängt zu sein. Er wurde früher gegessen und wird noch zu schweren Kinder-
puppen geformt, auch noch auf die Ritzwunden eingerieben.

Holzkohle und Russ werden unmittelbar wie das Weiss eingerieben, oder
auch wie das Urukú mit Flüssigkeit angerührt. Entweder nimmt man Oel aus
der Pikifrucht (Caryocar butyrosum) oder den gelben, kautschukhaltigen Extrakt
von einem Baum des Campo cerrado, den die Bakaïrí Ochogohi nennen und
dessen Rinde geraspelt und mit Wasser ausgezogen wird. Die Farben werden
in einer Kürbisschale oder einem Topf, oder, wo ein hartes Harz mit der Beil-
klinge zerkleinert wird, am bequemsten in der napfförmigen Vertiefung eines
Schemels angerührt. Das Urukú findet sich immer in den Handwerkskörbchen
neben der Hängematte, als Paste in Blättern verpackt.

Die Farbstoffe, die den Eingeborenen zur Verfügung stehen, sind also Weiss,
Schwarz, Rot und Gelb. Das Genipapo-Schwarz ist blauschwarz, das Urukú-Rot
ein Ziegelrot bis Orange, das mit dem gelben Ochogohisaft gemischt von Rot
viel verliert. Blaue und grüne Farbstoffe sind nicht vorhanden.

Die Theorie, dass sich der Farbensinn bei der Menschheit allmählich ent-
wickelt habe, begründet durch die Thatsache, dass die Unterscheidung der Farben
in der Sprache bis zu den hohen Kulturstufen hinauf mangelhaft ist und dass
besonders blau und grün ausserordentlich häufig mit demselben Worte bezeichnet
werden, ist heute verlassen worden. Man hat bei allen Naturvölkern, die man
untersuchte, gefunden, dass sie die verschiedenen Farbeneindrücke mit dem Auge
vortrefflich sondern, dass sie z. B. aus einem Haufen zahlreicher Wollbündelchen
die gleichfarbigen Nuancen mit normaler Sicherheit auswählen, von Farbenblindheit
also keine Rede sein kann, dass aber in der sprachlichen Bezeichnung freilich mit
erstaunlicher Regelmässigkeit blau und grün zusammengeworfen wird. Die richtige
Lösung ist von Ernst Krause (Carus Sterne) angegeben worden. Der Mensch,
nach natürlicher Anlage jederzeit für den energischen Eindruck von Rot am meisten
empfänglich, hat gerade für diese Farbe auch mineralische und vegetabilische
Pigmente am reichlichsten vorgefunden. Der nächsthäufig fertig gebildete Farb-
stoff ausser Schwarz und Weiss ist gelb, während die grünen und blauen Farb-
stoffe erst späte Erzeugnisse der Färbetechnik sind. Entsprechend dem Gebrauch
hat man auch die Farbennamen entwickelt.

Auf ein Blatt meines Tagebuchs hatte mir Wilhelm farbige Flecke ein-
getragen von Ultramarin, Kobaltblau, Smaragdgrün, Saftgrün, Karmin, Rosakrapp,
Zinnober, Orange, Kadmiumgelb, gebrannter Siena, Sepia und Elfenbeinschwarz.
Der Versuch, die Farbennamen durch Vorlegen lebhaft gefärbter Dinge zu er-
halten, schlug gänzlich fehl. Man gab die gegenständlichen Namen oder diese
mit Farbennamen durcheinander, und Nichts stand im Wege, ein ergötzliches Ver-

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[419/0483] Holzkohle und Russ, die Beerenpulpa des Genipapo-Baums (Genipa) und mehrere Harze liefern Schwarz. Zum Schwärzen der Innenseite der Kürbisschalen wird Kohle von der Rinde des Buritíschaftes genommen. Der gelbrote bis braunrote Lehm scheint durch den Urukú-Farbstoff ver- drängt zu sein. Er wurde früher gegessen und wird noch zu schweren Kinder- puppen geformt, auch noch auf die Ritzwunden eingerieben. Holzkohle und Russ werden unmittelbar wie das Weiss eingerieben, oder auch wie das Urukú mit Flüssigkeit angerührt. Entweder nimmt man Oel aus der Pikifrucht (Caryocar butyrosum) oder den gelben, kautschukhaltigen Extrakt von einem Baum des Campo cerrado, den die Bakaïrí Ochogohi nennen und dessen Rinde geraspelt und mit Wasser ausgezogen wird. Die Farben werden in einer Kürbisschale oder einem Topf, oder, wo ein hartes Harz mit der Beil- klinge zerkleinert wird, am bequemsten in der napfförmigen Vertiefung eines Schemels angerührt. Das Urukú findet sich immer in den Handwerkskörbchen neben der Hängematte, als Paste in Blättern verpackt. Die Farbstoffe, die den Eingeborenen zur Verfügung stehen, sind also Weiss, Schwarz, Rot und Gelb. Das Genipapo-Schwarz ist blauschwarz, das Urukú-Rot ein Ziegelrot bis Orange, das mit dem gelben Ochogohisaft gemischt von Rot viel verliert. Blaue und grüne Farbstoffe sind nicht vorhanden. Die Theorie, dass sich der Farbensinn bei der Menschheit allmählich ent- wickelt habe, begründet durch die Thatsache, dass die Unterscheidung der Farben in der Sprache bis zu den hohen Kulturstufen hinauf mangelhaft ist und dass besonders blau und grün ausserordentlich häufig mit demselben Worte bezeichnet werden, ist heute verlassen worden. Man hat bei allen Naturvölkern, die man untersuchte, gefunden, dass sie die verschiedenen Farbeneindrücke mit dem Auge vortrefflich sondern, dass sie z. B. aus einem Haufen zahlreicher Wollbündelchen die gleichfarbigen Nuancen mit normaler Sicherheit auswählen, von Farbenblindheit also keine Rede sein kann, dass aber in der sprachlichen Bezeichnung freilich mit erstaunlicher Regelmässigkeit blau und grün zusammengeworfen wird. Die richtige Lösung ist von Ernst Krause (Carus Sterne) angegeben worden. Der Mensch, nach natürlicher Anlage jederzeit für den energischen Eindruck von Rot am meisten empfänglich, hat gerade für diese Farbe auch mineralische und vegetabilische Pigmente am reichlichsten vorgefunden. Der nächsthäufig fertig gebildete Farb- stoff ausser Schwarz und Weiss ist gelb, während die grünen und blauen Farb- stoffe erst späte Erzeugnisse der Färbetechnik sind. Entsprechend dem Gebrauch hat man auch die Farbennamen entwickelt. Auf ein Blatt meines Tagebuchs hatte mir Wilhelm farbige Flecke ein- getragen von Ultramarin, Kobaltblau, Smaragdgrün, Saftgrün, Karmin, Rosakrapp, Zinnober, Orange, Kadmiumgelb, gebrannter Siena, Sepia und Elfenbeinschwarz. Der Versuch, die Farbennamen durch Vorlegen lebhaft gefärbter Dinge zu er- halten, schlug gänzlich fehl. Man gab die gegenständlichen Namen oder diese mit Farbennamen durcheinander, und Nichts stand im Wege, ein ergötzliches Ver- 27*

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/483>, abgerufen am 26.04.2024.