Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

meines Lebens schon zu decken. Hierauf reiste ich von
dem Danke und von den wärmsten Wünschen für
mein Wohl von der Schwester und dem Schwager
begleitet wieder in die Stadt ab."

"In derselben begann ich jezt ein sehr zurückgezo¬
genes Leben zu führen. Ich hatte mir so viel erspart,
daß ich nur einen kleinen Theil meiner Zeit zum Un¬
terrichtgeben verwenden mußte. Die übrige wendete
ich für mich an, und verlegte mich auf Naturwissen¬
schaften auf Geschichte und Staatswissenschaften. Mei¬
nen eigentlichen Beruf ließ ich etwas außer Acht. Die
Wissenschaften und die Kunst, deren Vergnügen ich
nie entsagte, füllten mein Herz aus. Ich suchte jezt
weniger als je die Gesellschaft von Menschen auf.
Die Nothwendigkeit, die Zeit der Vorbereitung zu
meinem Berufe recht zu benuzen, und mir außerdem
noch meinen Lebensunterhalt zu erwerben, hatte mich
schon in früheren Jahren fast nur auf mich allein zu¬
rückgewiesen, und ich sezte jezt dies Leben fort."

"Allein es dauerte nicht lange in dieser Art. Schon
nach einem halben Jahre, als ich das Grab der Mut¬
ter verlassen hatte, kam mir von meinem Schwager
die Nachricht zu, daß zu den zwei Gräbern des Vaters
und der Mutter auf unserer Familienbegräbnißstätte

meines Lebens ſchon zu decken. Hierauf reiſte ich von
dem Danke und von den wärmſten Wünſchen für
mein Wohl von der Schweſter und dem Schwager
begleitet wieder in die Stadt ab.“

„In derſelben begann ich jezt ein ſehr zurückgezo¬
genes Leben zu führen. Ich hatte mir ſo viel erſpart,
daß ich nur einen kleinen Theil meiner Zeit zum Un¬
terrichtgeben verwenden mußte. Die übrige wendete
ich für mich an, und verlegte mich auf Naturwiſſen¬
ſchaften auf Geſchichte und Staatswiſſenſchaften. Mei¬
nen eigentlichen Beruf ließ ich etwas außer Acht. Die
Wiſſenſchaften und die Kunſt, deren Vergnügen ich
nie entſagte, füllten mein Herz aus. Ich ſuchte jezt
weniger als je die Geſellſchaft von Menſchen auf.
Die Nothwendigkeit, die Zeit der Vorbereitung zu
meinem Berufe recht zu benuzen, und mir außerdem
noch meinen Lebensunterhalt zu erwerben, hatte mich
ſchon in früheren Jahren faſt nur auf mich allein zu¬
rückgewieſen, und ich ſezte jezt dies Leben fort.“

„Allein es dauerte nicht lange in dieſer Art. Schon
nach einem halben Jahre, als ich das Grab der Mut¬
ter verlaſſen hatte, kam mir von meinem Schwager
die Nachricht zu, daß zu den zwei Gräbern des Vaters
und der Mutter auf unſerer Familienbegräbnißſtätte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0265" n="251"/>
meines Lebens &#x017F;chon zu decken. Hierauf rei&#x017F;te ich von<lb/>
dem Danke und von den wärm&#x017F;ten Wün&#x017F;chen für<lb/>
mein Wohl von der Schwe&#x017F;ter und dem Schwager<lb/>
begleitet wieder in die Stadt ab.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;In der&#x017F;elben begann ich jezt ein &#x017F;ehr zurückgezo¬<lb/>
genes Leben zu führen. Ich hatte mir &#x017F;o viel er&#x017F;part,<lb/>
daß ich nur einen kleinen Theil meiner Zeit zum Un¬<lb/>
terrichtgeben verwenden mußte. Die übrige wendete<lb/>
ich für mich an, und verlegte mich auf Naturwi&#x017F;&#x017F;en¬<lb/>
&#x017F;chaften auf Ge&#x017F;chichte und Staatswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften. Mei¬<lb/>
nen eigentlichen Beruf ließ ich etwas außer Acht. Die<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften und die Kun&#x017F;t, deren Vergnügen ich<lb/>
nie ent&#x017F;agte, füllten mein Herz aus. Ich &#x017F;uchte jezt<lb/>
weniger als je die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft von Men&#x017F;chen auf.<lb/>
Die Nothwendigkeit, die Zeit der Vorbereitung zu<lb/>
meinem Berufe recht zu benuzen, und mir außerdem<lb/>
noch meinen Lebensunterhalt zu erwerben, hatte mich<lb/>
&#x017F;chon in früheren Jahren fa&#x017F;t nur auf mich allein zu¬<lb/>
rückgewie&#x017F;en, und ich &#x017F;ezte jezt dies Leben fort.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Allein es dauerte nicht lange in die&#x017F;er Art. Schon<lb/>
nach einem halben Jahre, als ich das Grab der Mut¬<lb/>
ter verla&#x017F;&#x017F;en hatte, kam mir von meinem Schwager<lb/>
die Nachricht zu, daß zu den zwei Gräbern des Vaters<lb/>
und der Mutter auf un&#x017F;erer Familienbegräbniß&#x017F;tätte<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0265] meines Lebens ſchon zu decken. Hierauf reiſte ich von dem Danke und von den wärmſten Wünſchen für mein Wohl von der Schweſter und dem Schwager begleitet wieder in die Stadt ab.“ „In derſelben begann ich jezt ein ſehr zurückgezo¬ genes Leben zu führen. Ich hatte mir ſo viel erſpart, daß ich nur einen kleinen Theil meiner Zeit zum Un¬ terrichtgeben verwenden mußte. Die übrige wendete ich für mich an, und verlegte mich auf Naturwiſſen¬ ſchaften auf Geſchichte und Staatswiſſenſchaften. Mei¬ nen eigentlichen Beruf ließ ich etwas außer Acht. Die Wiſſenſchaften und die Kunſt, deren Vergnügen ich nie entſagte, füllten mein Herz aus. Ich ſuchte jezt weniger als je die Geſellſchaft von Menſchen auf. Die Nothwendigkeit, die Zeit der Vorbereitung zu meinem Berufe recht zu benuzen, und mir außerdem noch meinen Lebensunterhalt zu erwerben, hatte mich ſchon in früheren Jahren faſt nur auf mich allein zu¬ rückgewieſen, und ich ſezte jezt dies Leben fort.“ „Allein es dauerte nicht lange in dieſer Art. Schon nach einem halben Jahre, als ich das Grab der Mut¬ ter verlaſſen hatte, kam mir von meinem Schwager die Nachricht zu, daß zu den zwei Gräbern des Vaters und der Mutter auf unſerer Familienbegräbnißſtätte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/265
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/265>, abgerufen am 26.04.2024.