Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

gen wir doch schon vielfach spazieren. Alfred und ich
gingen täglich, selbst wenn trübes Wetter war, nur
nicht, wenn heftiger Regen von dem Himmel strömte.
Wenn nach einem klaren Morgen, an dem wir noch
die Erde und die Dächer weiß gesehen hatten, ein hei¬
terer Tag kam, und die Wege trocken waren, ging
Mathilde mit uns, und wir führten sie auf Anhöhen
oder Felder, wo wir kurz vorher die schönsten Triller
der Lerchen gehört hatten. Diese Sänger waren die
einzigen, die mit uns schon die Gegend bevölkerten."

"Nach und nach wurde das Weiß auf Feld und
Wiesen seltener, die Sonne schien kräftiger, das Feuer
in den Kaminen war nicht mehr nöthig, die Wiesen
gewannen Grün die Bäume Knospen, und an den
Zweigen der Lattenpfirsiche im Garten erschienen ein¬
zelne Blüthen. Die Sänger der Luft erschienen in
verschiedenen Gestalten und Farben. Wenn ich irgend¬
wo Veilchen oder andere Frühlingsblumen fand,
welche Mathilde nicht mit uns hatte pflücken können,
so brachte ich sie ihr in einem Strauße für das Blu¬
menglas ihres Tischchens nach Hause. Als Dank
für solche Aufmerksamkeiten erhielt ich zu meinem Ge¬
burtsfeste, welches in die ersten Tage des Frühlings
fiel, von ihrer Hand gestickt ein rundes Deckchen, wor¬

gen wir doch ſchon vielfach ſpazieren. Alfred und ich
gingen täglich, ſelbſt wenn trübes Wetter war, nur
nicht, wenn heftiger Regen von dem Himmel ſtrömte.
Wenn nach einem klaren Morgen, an dem wir noch
die Erde und die Dächer weiß geſehen hatten, ein hei¬
terer Tag kam, und die Wege trocken waren, ging
Mathilde mit uns, und wir führten ſie auf Anhöhen
oder Felder, wo wir kurz vorher die ſchönſten Triller
der Lerchen gehört hatten. Dieſe Sänger waren die
einzigen, die mit uns ſchon die Gegend bevölkerten.“

„Nach und nach wurde das Weiß auf Feld und
Wieſen ſeltener, die Sonne ſchien kräftiger, das Feuer
in den Kaminen war nicht mehr nöthig, die Wieſen
gewannen Grün die Bäume Knospen, und an den
Zweigen der Lattenpfirſiche im Garten erſchienen ein¬
zelne Blüthen. Die Sänger der Luft erſchienen in
verſchiedenen Geſtalten und Farben. Wenn ich irgend¬
wo Veilchen oder andere Frühlingsblumen fand,
welche Mathilde nicht mit uns hatte pflücken können,
ſo brachte ich ſie ihr in einem Strauße für das Blu¬
menglas ihres Tiſchchens nach Hauſe. Als Dank
für ſolche Aufmerkſamkeiten erhielt ich zu meinem Ge¬
burtsfeſte, welches in die erſten Tage des Frühlings
fiel, von ihrer Hand geſtickt ein rundes Deckchen, wor¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0296" n="282"/>
gen wir doch &#x017F;chon vielfach &#x017F;pazieren. Alfred und ich<lb/>
gingen täglich, &#x017F;elb&#x017F;t wenn trübes Wetter war, nur<lb/>
nicht, wenn heftiger Regen von dem Himmel &#x017F;trömte.<lb/>
Wenn nach einem klaren Morgen, an dem wir noch<lb/>
die Erde und die Dächer weiß ge&#x017F;ehen hatten, ein hei¬<lb/>
terer Tag kam, und die Wege trocken waren, ging<lb/>
Mathilde mit uns, und wir führten &#x017F;ie auf Anhöhen<lb/>
oder Felder, wo wir kurz vorher die &#x017F;chön&#x017F;ten Triller<lb/>
der Lerchen gehört hatten. Die&#x017F;e Sänger waren die<lb/>
einzigen, die mit uns &#x017F;chon die Gegend bevölkerten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nach und nach wurde das Weiß auf Feld und<lb/>
Wie&#x017F;en &#x017F;eltener, die Sonne &#x017F;chien kräftiger, das Feuer<lb/>
in den Kaminen war nicht mehr nöthig, die Wie&#x017F;en<lb/>
gewannen Grün die Bäume Knospen, und an den<lb/>
Zweigen der Lattenpfir&#x017F;iche im Garten er&#x017F;chienen ein¬<lb/>
zelne Blüthen. Die Sänger der Luft er&#x017F;chienen in<lb/>
ver&#x017F;chiedenen Ge&#x017F;talten und Farben. Wenn ich irgend¬<lb/>
wo Veilchen oder andere Frühlingsblumen fand,<lb/>
welche Mathilde nicht mit uns hatte pflücken können,<lb/>
&#x017F;o brachte ich &#x017F;ie ihr in einem Strauße für das Blu¬<lb/>
menglas ihres Ti&#x017F;chchens nach Hau&#x017F;e. Als Dank<lb/>
für &#x017F;olche Aufmerk&#x017F;amkeiten erhielt ich zu meinem Ge¬<lb/>
burtsfe&#x017F;te, welches in die er&#x017F;ten Tage des Frühlings<lb/>
fiel, von ihrer Hand ge&#x017F;tickt ein rundes Deckchen, wor¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[282/0296] gen wir doch ſchon vielfach ſpazieren. Alfred und ich gingen täglich, ſelbſt wenn trübes Wetter war, nur nicht, wenn heftiger Regen von dem Himmel ſtrömte. Wenn nach einem klaren Morgen, an dem wir noch die Erde und die Dächer weiß geſehen hatten, ein hei¬ terer Tag kam, und die Wege trocken waren, ging Mathilde mit uns, und wir führten ſie auf Anhöhen oder Felder, wo wir kurz vorher die ſchönſten Triller der Lerchen gehört hatten. Dieſe Sänger waren die einzigen, die mit uns ſchon die Gegend bevölkerten.“ „Nach und nach wurde das Weiß auf Feld und Wieſen ſeltener, die Sonne ſchien kräftiger, das Feuer in den Kaminen war nicht mehr nöthig, die Wieſen gewannen Grün die Bäume Knospen, und an den Zweigen der Lattenpfirſiche im Garten erſchienen ein¬ zelne Blüthen. Die Sänger der Luft erſchienen in verſchiedenen Geſtalten und Farben. Wenn ich irgend¬ wo Veilchen oder andere Frühlingsblumen fand, welche Mathilde nicht mit uns hatte pflücken können, ſo brachte ich ſie ihr in einem Strauße für das Blu¬ menglas ihres Tiſchchens nach Hauſe. Als Dank für ſolche Aufmerkſamkeiten erhielt ich zu meinem Ge¬ burtsfeſte, welches in die erſten Tage des Frühlings fiel, von ihrer Hand geſtickt ein rundes Deckchen, wor¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/296
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/296>, abgerufen am 26.04.2024.