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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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schönen Plaze zwischen dem Rosenhause und dem
Meierhofe hart am Getreide ein neues Haus auf¬
geführt und sogleich zum Baue geschritten werden
möge. Aber auch das von dem Vater uns Übergebene
war der gesammten Habe Risachs ebenbürtig, und
übertraf weit meine Erwartungen. Als wir unsern
Dank abstatteten, und ich mein Befremden ausdrückte,
sagte der Vater: "du kannst darüber ganz ruhig sein;
ich thue mir und Klotilden keinen Abbruch. Ich habe
auch meine heimlichen Freuden und meine Leiden¬
schaften gehabt. Das geben verachtete bürgerliche
Gewerbe eben bürgerlich und schlicht betrieben. Was
unscheinbar ist, hat auch seinen Stolz und seine Größe.
Jezt aber will ich der Schreibstubenleidenschaft, die
sich nach und nach eingefunden, Lebewohl sagen, und
nur meinen kleineren Spielereien leben, daß ich auch
einen Nachsommer habe wie dein Risach."

Als wir einige Zeit in dem Rosenhause verweilt
hatten, traten eines Tages Natalie und ich zu unserem
neuen Vater, und bathen ihn, er möge ein Versprechen
von uns annehmen, dessen Annahme uns sehr freuen
würde.

"Und was ist das?" fragte er.

"Daß wir, wenn du uns dereinst in dieser Welt

ſchönen Plaze zwiſchen dem Roſenhauſe und dem
Meierhofe hart am Getreide ein neues Haus auf¬
geführt und ſogleich zum Baue geſchritten werden
möge. Aber auch das von dem Vater uns Übergebene
war der geſammten Habe Riſachs ebenbürtig, und
übertraf weit meine Erwartungen. Als wir unſern
Dank abſtatteten, und ich mein Befremden ausdrückte,
ſagte der Vater: „du kannſt darüber ganz ruhig ſein;
ich thue mir und Klotilden keinen Abbruch. Ich habe
auch meine heimlichen Freuden und meine Leiden¬
ſchaften gehabt. Das geben verachtete bürgerliche
Gewerbe eben bürgerlich und ſchlicht betrieben. Was
unſcheinbar iſt, hat auch ſeinen Stolz und ſeine Größe.
Jezt aber will ich der Schreibſtubenleidenſchaft, die
ſich nach und nach eingefunden, Lebewohl ſagen, und
nur meinen kleineren Spielereien leben, daß ich auch
einen Nachſommer habe wie dein Riſach.“

Als wir einige Zeit in dem Roſenhauſe verweilt
hatten, traten eines Tages Natalie und ich zu unſerem
neuen Vater, und bathen ihn, er möge ein Verſprechen
von uns annehmen, deſſen Annahme uns ſehr freuen
würde.

„Und was iſt das?“ fragte er.

„Daß wir, wenn du uns dereinſt in dieſer Welt

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[439/0453] ſchönen Plaze zwiſchen dem Roſenhauſe und dem Meierhofe hart am Getreide ein neues Haus auf¬ geführt und ſogleich zum Baue geſchritten werden möge. Aber auch das von dem Vater uns Übergebene war der geſammten Habe Riſachs ebenbürtig, und übertraf weit meine Erwartungen. Als wir unſern Dank abſtatteten, und ich mein Befremden ausdrückte, ſagte der Vater: „du kannſt darüber ganz ruhig ſein; ich thue mir und Klotilden keinen Abbruch. Ich habe auch meine heimlichen Freuden und meine Leiden¬ ſchaften gehabt. Das geben verachtete bürgerliche Gewerbe eben bürgerlich und ſchlicht betrieben. Was unſcheinbar iſt, hat auch ſeinen Stolz und ſeine Größe. Jezt aber will ich der Schreibſtubenleidenſchaft, die ſich nach und nach eingefunden, Lebewohl ſagen, und nur meinen kleineren Spielereien leben, daß ich auch einen Nachſommer habe wie dein Riſach.“ Als wir einige Zeit in dem Roſenhauſe verweilt hatten, traten eines Tages Natalie und ich zu unſerem neuen Vater, und bathen ihn, er möge ein Verſprechen von uns annehmen, deſſen Annahme uns ſehr freuen würde. „Und was iſt das?“ fragte er. „Daß wir, wenn du uns dereinſt in dieſer Welt

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/453>, abgerufen am 26.04.2024.