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Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887.

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in meinem Heimathdorf gesungen; und ich selber - als junger Gelbschnabel wußte ich sogar den halben Uhland auswendig, zumal in jenem Sommer, - " er strich sich plötzlich mit der Hand über sein leicht erröthend Antlitz und sagte dann, wie im Stillen seine vorgehabte Rede ändernd: "wo am Waldesrand das Geißblatt wie zuvor in keinem andern Jahre duftete! Aber ein Rehbock, ein ander Mal - und das war schwer verzeihlich - die seltene Jagdbeute, eine Trappe, sind mir darüber aus dem Schuß gekommen! - Nun, mit dem Jungen ist es nicht so schlimm; nur der Alte drüben wird schon fuchswild, wenn wir gelegentlich einmal anstimmen: ,Es lebe was auf Erden stolziert in grüner Tracht'; Sie kennen wohl das schöne Lied?"

Ich kannte zwar das Lied - hatte nicht auch Freiligrath seinen patriotischen Zorn an dem harmlosen Dinge ausgelassen? - Aber mir lag die plötzliche Erregung des alten Herrn im Sinne: "Hat das Geißblatt auch in späteren Jahren wieder so geduftet?" frug ich leise.

Ich fühlte meine Hand ergriffen und einen

in meinem Heimathdorf gesungen; und ich selber – als junger Gelbschnabel wußte ich sogar den halben Uhland auswendig, zumal in jenem Sommer, – “ er strich sich plötzlich mit der Hand über sein leicht erröthend Antlitz und sagte dann, wie im Stillen seine vorgehabte Rede ändernd: „wo am Waldesrand das Geißblatt wie zuvor in keinem andern Jahre duftete! Aber ein Rehbock, ein ander Mal – und das war schwer verzeihlich – die seltene Jagdbeute, eine Trappe, sind mir darüber aus dem Schuß gekommen! – Nun, mit dem Jungen ist es nicht so schlimm; nur der Alte drüben wird schon fuchswild, wenn wir gelegentlich einmal anstimmen: ‚Es lebe was auf Erden stolziert in grüner Tracht‘; Sie kennen wohl das schöne Lied?“

Ich kannte zwar das Lied – hatte nicht auch Freiligrath seinen patriotischen Zorn an dem harmlosen Dinge ausgelassen? – Aber mir lag die plötzliche Erregung des alten Herrn im Sinne: „Hat das Geißblatt auch in späteren Jahren wieder so geduftet?“ frug ich leise.

Ich fühlte meine Hand ergriffen und einen

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[10/0010] in meinem Heimathdorf gesungen; und ich selber – als junger Gelbschnabel wußte ich sogar den halben Uhland auswendig, zumal in jenem Sommer, – “ er strich sich plötzlich mit der Hand über sein leicht erröthend Antlitz und sagte dann, wie im Stillen seine vorgehabte Rede ändernd: „wo am Waldesrand das Geißblatt wie zuvor in keinem andern Jahre duftete! Aber ein Rehbock, ein ander Mal – und das war schwer verzeihlich – die seltene Jagdbeute, eine Trappe, sind mir darüber aus dem Schuß gekommen! – Nun, mit dem Jungen ist es nicht so schlimm; nur der Alte drüben wird schon fuchswild, wenn wir gelegentlich einmal anstimmen: ‚Es lebe was auf Erden stolziert in grüner Tracht‘; Sie kennen wohl das schöne Lied?“ Ich kannte zwar das Lied – hatte nicht auch Freiligrath seinen patriotischen Zorn an dem harmlosen Dinge ausgelassen? – Aber mir lag die plötzliche Erregung des alten Herrn im Sinne: „Hat das Geißblatt auch in späteren Jahren wieder so geduftet?“ frug ich leise. Ich fühlte meine Hand ergriffen und einen

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887/10>, abgerufen am 26.04.2024.