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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Dritter Abschnitt.
sie nicht ist, wenn sie nur ein Sichaufrichten, sondern
nur, wenn sie eine Erhebung über den Boden war, da
nur in diesem Falle eine Wolke sich ihm tragend und ver-
hüllend unterschieben konnte, was in upelaben enthalten
ist. Ebenso, wenn im Lukasevangelium das diese ap au-
ton als etwas en to eulogein auton autous Vorgegangenes
dargestellt wird, so wird doch Niemand, während er ei-
nem Andern den Segen ertheilt, von ihm weggehen: wo-
gegen es sehr passend erscheint, dass Jesus während der
Ertheilung des Segens an die Jünger in die Höhe gehoben
wurde, und so noch von oben herab die segnenden Hände
über sie breitete. Die natürliche Erklärung des Verschwin-
dens in der Wolke fällt hiemit von selbst hinweg; in der
Voraussetzung aber, dass die zwei Weissgekleideten natür-
liche Menschen gewesen seien, tritt schliesslich noch ein-
mal besonders stark die Bahrdtisch-Venturinische, von Pau-
lus
nur verdeckte, Ansicht hervor, dass mehrere Haupt-
epochen im Leben Jesu, besonders seit seiner Kreuzigung,
durch geheime Verbündete bewirkt gewesen seien. Und
Jesus selbst, wie soll es ihm denn dieser Vorstellung ge-
mäss nach jener lezten Entfernung von seinen Jüngern
weiter ergangen sein? Wollen wir mit Bahrdt eine Es-
senerloge träumen, in welche er sich nach vollbrachtem
Werk zurückgezogen habe? und mit Brennecke dafür,
dass Jesus noch längere Zeit im Stillen zum Besten der
Menschheit fortgewirkt habe, auf seine Erscheinung zum
Behuf der Bekehrung des Paulus uns berufen, welche
doch, die Erzählung der A. G. geschichtlich genommen,
mit Umständen und Wirkungen verbunden war, die kein
natürlicher Mensch, wenn auch Mitglied eines geheimen
Ordens, hervorbringen konnte. Oder will man mit Pau-
lus
annehmen, bald nach dieser lezten Zusammenkunft sei
der angegriffene Leib Jesu den erhaltenen Verletzungen
erlegen: so kann diess doch nicht wohl in den nächsten
Augenblicken, nachdem er so eben noch rüstig mit seinen

Dritter Abschnitt.
sie nicht ist, wenn sie nur ein Sichaufrichten, sondern
nur, wenn sie eine Erhebung über den Boden war, da
nur in diesem Falle eine Wolke sich ihm tragend und ver-
hüllend unterschieben konnte, was in ὑπέλαβεν enthalten
ist. Ebenso, wenn im Lukasevangelium das διέςη ἀπ̕ αὐ-
τῶν als etwas ἐν τῷ εὐλογεῖν αὐτὸν αὐτοὺς Vorgegangenes
dargestellt wird, so wird doch Niemand, während er ei-
nem Andern den Segen ertheilt, von ihm weggehen: wo-
gegen es sehr passend erscheint, daſs Jesus während der
Ertheilung des Segens an die Jünger in die Höhe gehoben
wurde, und so noch von oben herab die segnenden Hände
über sie breitete. Die natürliche Erklärung des Verschwin-
dens in der Wolke fällt hiemit von selbst hinweg; in der
Voraussetzung aber, daſs die zwei Weiſsgekleideten natür-
liche Menschen gewesen seien, tritt schlieſslich noch ein-
mal besonders stark die Bahrdtisch-Venturinische, von Pau-
lus
nur verdeckte, Ansicht hervor, daſs mehrere Haupt-
epochen im Leben Jesu, besonders seit seiner Kreuzigung,
durch geheime Verbündete bewirkt gewesen seien. Und
Jesus selbst, wie soll es ihm denn dieser Vorstellung ge-
mäſs nach jener lezten Entfernung von seinen Jüngern
weiter ergangen sein? Wollen wir mit Bahrdt eine Es-
senerloge träumen, in welche er sich nach vollbrachtem
Werk zurückgezogen habe? und mit Brennecke dafür,
daſs Jesus noch längere Zeit im Stillen zum Besten der
Menschheit fortgewirkt habe, auf seine Erscheinung zum
Behuf der Bekehrung des Paulus uns berufen, welche
doch, die Erzählung der A. G. geschichtlich genommen,
mit Umständen und Wirkungen verbunden war, die kein
natürlicher Mensch, wenn auch Mitglied eines geheimen
Ordens, hervorbringen konnte. Oder will man mit Pau-
lus
annehmen, bald nach dieser lezten Zusammenkunft sei
der angegriffene Leib Jesu den erhaltenen Verletzungen
erlegen: so kann dieſs doch nicht wohl in den nächsten
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[676/0695] Dritter Abschnitt. sie nicht ist, wenn sie nur ein Sichaufrichten, sondern nur, wenn sie eine Erhebung über den Boden war, da nur in diesem Falle eine Wolke sich ihm tragend und ver- hüllend unterschieben konnte, was in ὑπέλαβεν enthalten ist. Ebenso, wenn im Lukasevangelium das διέςη ἀπ̕ αὐ- τῶν als etwas ἐν τῷ εὐλογεῖν αὐτὸν αὐτοὺς Vorgegangenes dargestellt wird, so wird doch Niemand, während er ei- nem Andern den Segen ertheilt, von ihm weggehen: wo- gegen es sehr passend erscheint, daſs Jesus während der Ertheilung des Segens an die Jünger in die Höhe gehoben wurde, und so noch von oben herab die segnenden Hände über sie breitete. Die natürliche Erklärung des Verschwin- dens in der Wolke fällt hiemit von selbst hinweg; in der Voraussetzung aber, daſs die zwei Weiſsgekleideten natür- liche Menschen gewesen seien, tritt schlieſslich noch ein- mal besonders stark die Bahrdtisch-Venturinische, von Pau- lus nur verdeckte, Ansicht hervor, daſs mehrere Haupt- epochen im Leben Jesu, besonders seit seiner Kreuzigung, durch geheime Verbündete bewirkt gewesen seien. Und Jesus selbst, wie soll es ihm denn dieser Vorstellung ge- mäſs nach jener lezten Entfernung von seinen Jüngern weiter ergangen sein? Wollen wir mit Bahrdt eine Es- senerloge träumen, in welche er sich nach vollbrachtem Werk zurückgezogen habe? und mit Brennecke dafür, daſs Jesus noch längere Zeit im Stillen zum Besten der Menschheit fortgewirkt habe, auf seine Erscheinung zum Behuf der Bekehrung des Paulus uns berufen, welche doch, die Erzählung der A. G. geschichtlich genommen, mit Umständen und Wirkungen verbunden war, die kein natürlicher Mensch, wenn auch Mitglied eines geheimen Ordens, hervorbringen konnte. Oder will man mit Pau- lus annehmen, bald nach dieser lezten Zusammenkunft sei der angegriffene Leib Jesu den erhaltenen Verletzungen erlegen: so kann dieſs doch nicht wohl in den nächsten Augenblicken, nachdem er so eben noch rüstig mit seinen

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 676. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/695>, abgerufen am 26.04.2024.