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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Luf
einem recht hellen Frühlingstage nach der Natur
Landschaften mahlt, wird ihnen nie die sanfte Har-
monie geben können, die sie im Herbst haben.

Der Landschaftmahler kann aus fleißiger Beob-
achtung des Einflusses, den die in der Luft schwe-
benden Dünste auf alle Farben der in der Natur
verbreiteten Gegenstände haben, sehr viel lernen.
Er hat eben so nöthig bey den verschiedenen Abän-
derungen der Luft, blos sein beobachtendes Aug zu
brauchen, als sich mit der Reißfeder und dem Pen-
sel zu üben.

Luftperspektiv.
(Mahlerey.)

Jn der eigentlichen Perspektiv wird unter andern
auch gelehret, wie jeder Gegenstand durch allmählige
Entfernung vom Auge kleiner wird, und wie dabey
seine kleinern Theile allmählig völlig unmerkbar,
folglich seine Form und Gestalt undeutlicher werden.
Eine ähnliche Veränderung leiden die natürlichen
Farben der körperlichen Gegenstände durch die Eut-
fernung. Je entfernter ein Körper von uns ist,
je mehr verliehrt seine Farb an Lebhaftigkeit; die
kleinern Tinten und die Schatten werden allmählig
unmerklicher, und verliehren sich endlich ganz, daß
der Körper einfärbig und flach wird; in großer
Entfernung aber verliehrt sich seine natürliche Farbe
ganz, und alle Gegenstände, so verschieden sie sonst
an Farbe sind, nehmen die allgemeine Luftfarb an.
Die genaue Kenntniß dieser Sache und die Wissen-
schaft der Regeln, nach welchen alles, was zum
Licht und Schatten, und zur Färbung der Gegen-
stände gehört, nach Maaßgebung ihrer Entfernung
vom Auge, muß abgeändert werden, wird die Luft-
perspektiv
genennt. Weil man kein bestimmtes Maaß
hat, nach welchem man die Grade des Lichts und
der Schatten, oder die Lebhaftigkeit der Farben ab-
messen, noch ein Farbenregister nach welchem man
die durch Entfernung allmählig sich abändernden
Farben richtig benennen könnte; so ist es bis izt nicht
möglich, die Luftperspektiv, so wie die Perspektiv
der Größen, in Form einer Wissenschaft abzuhan-
deln. Zu vermuthen ist aber, daß es mit der Zeit
[Spaltenumbruch]

Luf
wol geschehen könnte; da Hr. Lambert, der sich be-
reits um die gemeine Perspektiv sehr verdient gemacht
hat, auch einen guten Anfang gemacht, Licht und
Schatten auszumessen, auch den Meyerischen Ver-
such zum Farbenregister (*) schon einigermaaßen aus-
geführt hat. (+) Jnzwischen müssen sich die Mahler
in Ansehung der Luftperspektiv mit einigen allgemeinen
Beobachtungen und etwas unbestimmten Regeln be-
helfen.

Das Wichtigste davon hat der Herr von Hage-
dorn mit seiner gewöhnlichen Gründlichkeit in sehr
wenig Worte zusammengefaßt. (*) Wir wollen hier
die Hauptpunkte der Sache berühren, damit jeder
Mahler überzeuget werde, daß es nicht möglich sey,
diesem Theil der Kunst ohne genaues Nachdenken
Genüge zu leisten.

Zuerst kommt also die Schwächung der Farben, durch
die Entfernung des Gegenstandes in Betrachtung.

[Abbildung]

Man stelle sich also vor, A B sey eine nahe an der
Oberfläche der Erde gezogene gerade Linie; D C eine
in der Luft der vorigen parallel laufende Linie, in
einer Höhe, über welche die Dünste der Erde nicht
heraufsteigen. Jr. A stehe ein Beobachter nach der
Gegend B C gekehrt.

Nun muß man zuerst bedenken, daß nahe am
Erdboden sich die meisten und gröbsten Dünste auf-
halten, so daß man in einer grössern Höhe nicht nur
weniger, sondern auch subtilere und die Luft weniger
verdunkelnde Dünste antrift. Man stelle sich also
vor, daß aus dem Punkt K eine krumme Linie KHI
dergestalt gezogen sey, daß die aus jedem Punkt der
Höhe A oder G, oder wo man sonst will, auf A D
in rechtem Winkel gezogene Linie A I oder G H

die
(*) S.
Farben.
(+) Von Ausmessung des Lichts und der Schatten han-
delt das nicht nach Verdienst bekannte Werk, welches er
unter dem Namen Photometria 1760 in Augspurg her-
ausgegeben. Und zum Farbenregister hat er einen guten
Aufang geliefert, in einem Werk das kürzlich unter dem
Titel: Beschreibung einer mit dem Calauischen
Wachs ausgemahlten Farbenpyramide
in Berlin
herausgekommen ist.
(*) Be-
tracht. über
Mahlerey.
S. 555 f. f.
Zweyter Theil. Uu uu

[Spaltenumbruch]

Luf
einem recht hellen Fruͤhlingstage nach der Natur
Landſchaften mahlt, wird ihnen nie die ſanfte Har-
monie geben koͤnnen, die ſie im Herbſt haben.

Der Landſchaftmahler kann aus fleißiger Beob-
achtung des Einfluſſes, den die in der Luft ſchwe-
benden Duͤnſte auf alle Farben der in der Natur
verbreiteten Gegenſtaͤnde haben, ſehr viel lernen.
Er hat eben ſo noͤthig bey den verſchiedenen Abaͤn-
derungen der Luft, blos ſein beobachtendes Aug zu
brauchen, als ſich mit der Reißfeder und dem Pen-
ſel zu uͤben.

Luftperſpektiv.
(Mahlerey.)

Jn der eigentlichen Perſpektiv wird unter andern
auch gelehret, wie jeder Gegenſtand durch allmaͤhlige
Entfernung vom Auge kleiner wird, und wie dabey
ſeine kleinern Theile allmaͤhlig voͤllig unmerkbar,
folglich ſeine Form und Geſtalt undeutlicher werden.
Eine aͤhnliche Veraͤnderung leiden die natuͤrlichen
Farben der koͤrperlichen Gegenſtaͤnde durch die Eut-
fernung. Je entfernter ein Koͤrper von uns iſt,
je mehr verliehrt ſeine Farb an Lebhaftigkeit; die
kleinern Tinten und die Schatten werden allmaͤhlig
unmerklicher, und verliehren ſich endlich ganz, daß
der Koͤrper einfaͤrbig und flach wird; in großer
Entfernung aber verliehrt ſich ſeine natuͤrliche Farbe
ganz, und alle Gegenſtaͤnde, ſo verſchieden ſie ſonſt
an Farbe ſind, nehmen die allgemeine Luftfarb an.
Die genaue Kenntniß dieſer Sache und die Wiſſen-
ſchaft der Regeln, nach welchen alles, was zum
Licht und Schatten, und zur Faͤrbung der Gegen-
ſtaͤnde gehoͤrt, nach Maaßgebung ihrer Entfernung
vom Auge, muß abgeaͤndert werden, wird die Luft-
perſpektiv
genennt. Weil man kein beſtimmtes Maaß
hat, nach welchem man die Grade des Lichts und
der Schatten, oder die Lebhaftigkeit der Farben ab-
meſſen, noch ein Farbenregiſter nach welchem man
die durch Entfernung allmaͤhlig ſich abaͤndernden
Farben richtig benennen koͤnnte; ſo iſt es bis izt nicht
moͤglich, die Luftperſpektiv, ſo wie die Perſpektiv
der Groͤßen, in Form einer Wiſſenſchaft abzuhan-
deln. Zu vermuthen iſt aber, daß es mit der Zeit
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Luf
wol geſchehen koͤnnte; da Hr. Lambert, der ſich be-
reits um die gemeine Perſpektiv ſehr verdient gemacht
hat, auch einen guten Anfang gemacht, Licht und
Schatten auszumeſſen, auch den Meyeriſchen Ver-
ſuch zum Farbenregiſter (*) ſchon einigermaaßen aus-
gefuͤhrt hat. (†) Jnzwiſchen muͤſſen ſich die Mahler
in Anſehung der Luftperſpektiv mit einigen allgemeinen
Beobachtungen und etwas unbeſtimmten Regeln be-
helfen.

Das Wichtigſte davon hat der Herr von Hage-
dorn mit ſeiner gewoͤhnlichen Gruͤndlichkeit in ſehr
wenig Worte zuſammengefaßt. (*) Wir wollen hier
die Hauptpunkte der Sache beruͤhren, damit jeder
Mahler uͤberzeuget werde, daß es nicht moͤglich ſey,
dieſem Theil der Kunſt ohne genaues Nachdenken
Genuͤge zu leiſten.

Zuerſt kommt alſo die Schwaͤchung der Farben, durch
die Entfernung des Gegenſtandes in Betrachtung.

[Abbildung]

Man ſtelle ſich alſo vor, A B ſey eine nahe an der
Oberflaͤche der Erde gezogene gerade Linie; D C eine
in der Luft der vorigen parallel laufende Linie, in
einer Hoͤhe, uͤber welche die Duͤnſte der Erde nicht
heraufſteigen. Jr. A ſtehe ein Beobachter nach der
Gegend B C gekehrt.

Nun muß man zuerſt bedenken, daß nahe am
Erdboden ſich die meiſten und groͤbſten Duͤnſte auf-
halten, ſo daß man in einer groͤſſern Hoͤhe nicht nur
weniger, ſondern auch ſubtilere und die Luft weniger
verdunkelnde Duͤnſte antrift. Man ſtelle ſich alſo
vor, daß aus dem Punkt K eine krumme Linie KHI
dergeſtalt gezogen ſey, daß die aus jedem Punkt der
Hoͤhe A oder G, oder wo man ſonſt will, auf A D
in rechtem Winkel gezogene Linie A I oder G H

die
(*) S.
Farben.
(†) Von Ausmeſſung des Lichts und der Schatten han-
delt das nicht nach Verdienſt bekannte Werk, welches er
unter dem Namen Photometria 1760 in Augspurg her-
ausgegeben. Und zum Farbenregiſter hat er einen guten
Aufang geliefert, in einem Werk das kuͤrzlich unter dem
Titel: Beſchreibung einer mit dem Calauiſchen
Wachs ausgemahlten Farbenpyramide
in Berlin
herausgekommen iſt.
(*) Be-
tracht. uͤber
Mahlerey.
S. 555 f. f.
Zweyter Theil. Uu uu
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[723[705]/0140] Luf Luf einem recht hellen Fruͤhlingstage nach der Natur Landſchaften mahlt, wird ihnen nie die ſanfte Har- monie geben koͤnnen, die ſie im Herbſt haben. Der Landſchaftmahler kann aus fleißiger Beob- achtung des Einfluſſes, den die in der Luft ſchwe- benden Duͤnſte auf alle Farben der in der Natur verbreiteten Gegenſtaͤnde haben, ſehr viel lernen. Er hat eben ſo noͤthig bey den verſchiedenen Abaͤn- derungen der Luft, blos ſein beobachtendes Aug zu brauchen, als ſich mit der Reißfeder und dem Pen- ſel zu uͤben. Luftperſpektiv. (Mahlerey.) Jn der eigentlichen Perſpektiv wird unter andern auch gelehret, wie jeder Gegenſtand durch allmaͤhlige Entfernung vom Auge kleiner wird, und wie dabey ſeine kleinern Theile allmaͤhlig voͤllig unmerkbar, folglich ſeine Form und Geſtalt undeutlicher werden. Eine aͤhnliche Veraͤnderung leiden die natuͤrlichen Farben der koͤrperlichen Gegenſtaͤnde durch die Eut- fernung. Je entfernter ein Koͤrper von uns iſt, je mehr verliehrt ſeine Farb an Lebhaftigkeit; die kleinern Tinten und die Schatten werden allmaͤhlig unmerklicher, und verliehren ſich endlich ganz, daß der Koͤrper einfaͤrbig und flach wird; in großer Entfernung aber verliehrt ſich ſeine natuͤrliche Farbe ganz, und alle Gegenſtaͤnde, ſo verſchieden ſie ſonſt an Farbe ſind, nehmen die allgemeine Luftfarb an. Die genaue Kenntniß dieſer Sache und die Wiſſen- ſchaft der Regeln, nach welchen alles, was zum Licht und Schatten, und zur Faͤrbung der Gegen- ſtaͤnde gehoͤrt, nach Maaßgebung ihrer Entfernung vom Auge, muß abgeaͤndert werden, wird die Luft- perſpektiv genennt. Weil man kein beſtimmtes Maaß hat, nach welchem man die Grade des Lichts und der Schatten, oder die Lebhaftigkeit der Farben ab- meſſen, noch ein Farbenregiſter nach welchem man die durch Entfernung allmaͤhlig ſich abaͤndernden Farben richtig benennen koͤnnte; ſo iſt es bis izt nicht moͤglich, die Luftperſpektiv, ſo wie die Perſpektiv der Groͤßen, in Form einer Wiſſenſchaft abzuhan- deln. Zu vermuthen iſt aber, daß es mit der Zeit wol geſchehen koͤnnte; da Hr. Lambert, der ſich be- reits um die gemeine Perſpektiv ſehr verdient gemacht hat, auch einen guten Anfang gemacht, Licht und Schatten auszumeſſen, auch den Meyeriſchen Ver- ſuch zum Farbenregiſter (*) ſchon einigermaaßen aus- gefuͤhrt hat. (†) Jnzwiſchen muͤſſen ſich die Mahler in Anſehung der Luftperſpektiv mit einigen allgemeinen Beobachtungen und etwas unbeſtimmten Regeln be- helfen. Das Wichtigſte davon hat der Herr von Hage- dorn mit ſeiner gewoͤhnlichen Gruͤndlichkeit in ſehr wenig Worte zuſammengefaßt. (*) Wir wollen hier die Hauptpunkte der Sache beruͤhren, damit jeder Mahler uͤberzeuget werde, daß es nicht moͤglich ſey, dieſem Theil der Kunſt ohne genaues Nachdenken Genuͤge zu leiſten. Zuerſt kommt alſo die Schwaͤchung der Farben, durch die Entfernung des Gegenſtandes in Betrachtung. [Abbildung] Man ſtelle ſich alſo vor, A B ſey eine nahe an der Oberflaͤche der Erde gezogene gerade Linie; D C eine in der Luft der vorigen parallel laufende Linie, in einer Hoͤhe, uͤber welche die Duͤnſte der Erde nicht heraufſteigen. Jr. A ſtehe ein Beobachter nach der Gegend B C gekehrt. Nun muß man zuerſt bedenken, daß nahe am Erdboden ſich die meiſten und groͤbſten Duͤnſte auf- halten, ſo daß man in einer groͤſſern Hoͤhe nicht nur weniger, ſondern auch ſubtilere und die Luft weniger verdunkelnde Duͤnſte antrift. Man ſtelle ſich alſo vor, daß aus dem Punkt K eine krumme Linie KHI dergeſtalt gezogen ſey, daß die aus jedem Punkt der Hoͤhe A oder G, oder wo man ſonſt will, auf A D in rechtem Winkel gezogene Linie A I oder G H die (*) S. Farben. (†) Von Ausmeſſung des Lichts und der Schatten han- delt das nicht nach Verdienſt bekannte Werk, welches er unter dem Namen Photometria 1760 in Augspurg her- ausgegeben. Und zum Farbenregiſter hat er einen guten Aufang geliefert, in einem Werk das kuͤrzlich unter dem Titel: Beſchreibung einer mit dem Calauiſchen Wachs ausgemahlten Farbenpyramide in Berlin herausgekommen iſt. (*) Be- tracht. uͤber Mahlerey. S. 555 f. f. Zweyter Theil. Uu uu

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 723[705]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/140>, abgerufen am 29.04.2024.