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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Mas
Zierrathen gerade auf die Art erfunden, wie der
Griechische die seinigen. Jch kann noch ein anderes
Beyspiel anführen. Es ist an vielen Orten, wo
der Geschmak der Bauart eben noch nicht verfeinert
worden ist, gebräuchlich die Thüren mit zwey ins
Creuz über einander gestellten Baumstämmen, an
denen noch etwas von den abgehauenen Aesten sizet,
zu bemahlen. Eine offenbare Nachahmung der an
vielen Orten auf dem Lande noch vorhandener Ge-
wohnheit, die Eingänge in Gebäude mit zwey solchen
Bäumen zu versperren, damit dadurch wenigstens
das grössere Vieh vom Eingang abgehalten werde.

Uebrigens verdienen hier die Masken, welche an
dem Berlinischen Zeughause über die Fenster an dem
innern Hofe dieses prächtigen und in der That schö-
nen Gebäudes angebracht sind, einer besondern Er-
wähnung. Sie sind alle nach Modelen des großen
und doch wenig berühmten Schlüters (+) gearbeitet,
und stellen in der Schlacht sterbende Gesichter mit
solchem Leben und solcher Mannigfaltigkeit des lei-
denschaftlichen Ausdruks vor, daß jeder Kenner in
Bewundrung derselben gesezt wird. Der sehr schäz-
bare Berlinische Historienmahler Rohde hat sie in
Kupfer geäzt herausgegeben. (++)

Massen.
(Mahlerey.)

Was man im Gemählde in Absicht auf die Anord-
nung der Figuren Gruppen nennt, (*) heißt in An-
sehung der Austheilung des Lichts und Schattens,
des Hellen und Dunkeln, Masse. Wenig und große
Massen im Gemählde, will sagen, man müsse das
Helle und das Dunkele nicht in kleinen zerstreueten
Stellen anbringen, sondern wenig und große Stel-
len von Hellem und eben so von Dunkeln im Ge-
mählde sehen lassen. Jn Absicht auf die Beleuch-
tung scheinet das Gemähld das Vollkommenste zu
seyn, das nur zwey Hauptmassen, eine helle und
eine dunkele, zeiget. Dadurch wird es einfach und
[Spaltenumbruch]

Mat
das Aug wird auf den ersten Anblik zurechte gewie-
sen. Die beste Anordnung des Gemähldes könnte
durch eine Zerstreuung des hellen und dunkeln, ver-
dorben werden. Das Gemähld würde dadurch fle-
kicht und das Aug bey der Beobachtung desselben
ungewiß werden.

Die Massen selbst aber müssen durch eine gute
Harmonie mit einander verbunden werden. Diese
Regel wird durch folgende Beobachtung, die Mengs
über Corregios Kunst macht, erläutert worden.
"Er hütete sich, (sagt unser heutige Raphael) gleich
große Massen von Licht und von Dunkel zusammen
zu sezen. Hatte er eine Stelle von starkem Licht
oder Schatten, so fügte er ihr nicht gleich eine an-
dere bey, sondern machte einen großen Zwischenraum
von Mittelteinten, wodurch er das Auge gleichsam
als von einer Anspannung wieder zur Ruhe führte."
Ueberhaupt erscheinet dieser Theil der Kunst nur in
den Werken des Corregio in seiner wahren Vollkom-
menheit. Hier müssen wir auch den Rath wieder-
holen, den wir anderswo dem Mahler gegeben ha-
ben, eine Landschaft in der Natur den ganzen Tag
über in den verschiedenen von dem Sonnenschein
bewürkten Erleuchtungen mit Aufmerksamkeit zu
betrachten. Dann dabey wird er bald grössere,
bald kleinere Massen; bald zusammen gehaltenes,
bald zerstreutes Licht beobachten, und die verschiede-
nen Würkungen dieser zufälligen Umstände deutlich
gewahr werden.

Matt.
(Schöne Künste.)

Bezeichnet überhaupt einen Mangel der Lebhaftig-
keit. An einem glänzenden Körper werden die Stellen,
die keinen Glanz haben, matt genennet. Matte Far-
ben sind ohne Glanz und ohne Lebhaftigkeit. Auch
in der Rede wird dasjenige matt genennet, dem es
an der nöthigen Lebhaftigkeit, und dem erforderli-
chen Reiz fehlet.

Jn
(+) [Spaltenumbruch] Dieser fürtrefliche Künstler verdienet näher bekannt
zu seyn. Er war ein eben so großer Baumeister, als Bild-
hauer in Diensten König Friedrichs des ersten in Preußen.
Jn Berlin sind außer dem Königlichen Schloße und eini-
gen andern Gebäuden von seiner Erfindung, noch fürtrefli-
che Werke des Meissels vorhanden, davon schon viele vom
Herren Rohde geäzt worden. Unter andern sind die bey-
den in der Berlinischen Schloß- und Dohmkirche stehenden
[Spaltenumbruch] Särge Friedrichs des Ersten und seiner zweyten Gemah-
lin, Denkmale von großer Schönheit, die kein Kenner
ohne Bewundrung und kein Künstler ohne Nuzen betrach-
ten wird.
(++) Sie sind mit einem kurzen Vorbericht unter dem
Titel: Larven, nach den Modelen des berübmten
Schlüters von B. Rohde
in klein Folio herausge-
kommen.
(*) S.
Mengs
Betrach-
tungen.
S. 54.

[Spaltenumbruch]

Maſ
Zierrathen gerade auf die Art erfunden, wie der
Griechiſche die ſeinigen. Jch kann noch ein anderes
Beyſpiel anfuͤhren. Es iſt an vielen Orten, wo
der Geſchmak der Bauart eben noch nicht verfeinert
worden iſt, gebraͤuchlich die Thuͤren mit zwey ins
Creuz uͤber einander geſtellten Baumſtaͤmmen, an
denen noch etwas von den abgehauenen Aeſten ſizet,
zu bemahlen. Eine offenbare Nachahmung der an
vielen Orten auf dem Lande noch vorhandener Ge-
wohnheit, die Eingaͤnge in Gebaͤude mit zwey ſolchen
Baͤumen zu verſperren, damit dadurch wenigſtens
das groͤſſere Vieh vom Eingang abgehalten werde.

Uebrigens verdienen hier die Masken, welche an
dem Berliniſchen Zeughauſe uͤber die Fenſter an dem
innern Hofe dieſes praͤchtigen und in der That ſchoͤ-
nen Gebaͤudes angebracht ſind, einer beſondern Er-
waͤhnung. Sie ſind alle nach Modelen des großen
und doch wenig beruͤhmten Schluͤters (†) gearbeitet,
und ſtellen in der Schlacht ſterbende Geſichter mit
ſolchem Leben und ſolcher Mannigfaltigkeit des lei-
denſchaftlichen Ausdruks vor, daß jeder Kenner in
Bewundrung derſelben geſezt wird. Der ſehr ſchaͤz-
bare Berliniſche Hiſtorienmahler Rohde hat ſie in
Kupfer geaͤzt herausgegeben. (††)

Maſſen.
(Mahlerey.)

Was man im Gemaͤhlde in Abſicht auf die Anord-
nung der Figuren Gruppen nennt, (*) heißt in An-
ſehung der Austheilung des Lichts und Schattens,
des Hellen und Dunkeln, Maſſe. Wenig und große
Maſſen im Gemaͤhlde, will ſagen, man muͤſſe das
Helle und das Dunkele nicht in kleinen zerſtreueten
Stellen anbringen, ſondern wenig und große Stel-
len von Hellem und eben ſo von Dunkeln im Ge-
maͤhlde ſehen laſſen. Jn Abſicht auf die Beleuch-
tung ſcheinet das Gemaͤhld das Vollkommenſte zu
ſeyn, das nur zwey Hauptmaſſen, eine helle und
eine dunkele, zeiget. Dadurch wird es einfach und
[Spaltenumbruch]

Mat
das Aug wird auf den erſten Anblik zurechte gewie-
ſen. Die beſte Anordnung des Gemaͤhldes koͤnnte
durch eine Zerſtreuung des hellen und dunkeln, ver-
dorben werden. Das Gemaͤhld wuͤrde dadurch fle-
kicht und das Aug bey der Beobachtung deſſelben
ungewiß werden.

Die Maſſen ſelbſt aber muͤſſen durch eine gute
Harmonie mit einander verbunden werden. Dieſe
Regel wird durch folgende Beobachtung, die Mengs
uͤber Corregios Kunſt macht, erlaͤutert worden.
„Er huͤtete ſich, (ſagt unſer heutige Raphael) gleich
große Maſſen von Licht und von Dunkel zuſammen
zu ſezen. Hatte er eine Stelle von ſtarkem Licht
oder Schatten, ſo fuͤgte er ihr nicht gleich eine an-
dere bey, ſondern machte einen großen Zwiſchenraum
von Mittelteinten, wodurch er das Auge gleichſam
als von einer Anſpannung wieder zur Ruhe fuͤhrte.“
Ueberhaupt erſcheinet dieſer Theil der Kunſt nur in
den Werken des Corregio in ſeiner wahren Vollkom-
menheit. Hier muͤſſen wir auch den Rath wieder-
holen, den wir anderswo dem Mahler gegeben ha-
ben, eine Landſchaft in der Natur den ganzen Tag
uͤber in den verſchiedenen von dem Sonnenſchein
bewuͤrkten Erleuchtungen mit Aufmerkſamkeit zu
betrachten. Dann dabey wird er bald groͤſſere,
bald kleinere Maſſen; bald zuſammen gehaltenes,
bald zerſtreutes Licht beobachten, und die verſchiede-
nen Wuͤrkungen dieſer zufaͤlligen Umſtaͤnde deutlich
gewahr werden.

Matt.
(Schoͤne Kuͤnſte.)

Bezeichnet uͤberhaupt einen Mangel der Lebhaftig-
keit. An einem glaͤnzenden Koͤrper werden die Stellen,
die keinen Glanz haben, matt genennet. Matte Far-
ben ſind ohne Glanz und ohne Lebhaftigkeit. Auch
in der Rede wird dasjenige matt genennet, dem es
an der noͤthigen Lebhaftigkeit, und dem erforderli-
chen Reiz fehlet.

Jn
(†) [Spaltenumbruch] Dieſer fuͤrtrefliche Kuͤnſtler verdienet naͤher bekannt
zu ſeyn. Er war ein eben ſo großer Baumeiſter, als Bild-
hauer in Dienſten Koͤnig Friedrichs des erſten in Preußen.
Jn Berlin ſind außer dem Koͤniglichen Schloße und eini-
gen andern Gebaͤuden von ſeiner Erfindung, noch fuͤrtrefli-
che Werke des Meiſſels vorhanden, davon ſchon viele vom
Herren Rohde geaͤzt worden. Unter andern ſind die bey-
den in der Berliniſchen Schloß- und Dohmkirche ſtehenden
[Spaltenumbruch] Saͤrge Friedrichs des Erſten und ſeiner zweyten Gemah-
lin, Denkmale von großer Schoͤnheit, die kein Kenner
ohne Bewundrung und kein Kuͤnſtler ohne Nuzen betrach-
ten wird.
(††) Sie ſind mit einem kurzen Vorbericht unter dem
Titel: Larven, nach den Modelen des beruͤbmten
Schluͤters von B. Rohde
in klein Folio herausge-
kommen.
(*) S.
Mengs
Betrach-
tungen.
S. 54.
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[746[728]/0163] Maſ Mat Zierrathen gerade auf die Art erfunden, wie der Griechiſche die ſeinigen. Jch kann noch ein anderes Beyſpiel anfuͤhren. Es iſt an vielen Orten, wo der Geſchmak der Bauart eben noch nicht verfeinert worden iſt, gebraͤuchlich die Thuͤren mit zwey ins Creuz uͤber einander geſtellten Baumſtaͤmmen, an denen noch etwas von den abgehauenen Aeſten ſizet, zu bemahlen. Eine offenbare Nachahmung der an vielen Orten auf dem Lande noch vorhandener Ge- wohnheit, die Eingaͤnge in Gebaͤude mit zwey ſolchen Baͤumen zu verſperren, damit dadurch wenigſtens das groͤſſere Vieh vom Eingang abgehalten werde. Uebrigens verdienen hier die Masken, welche an dem Berliniſchen Zeughauſe uͤber die Fenſter an dem innern Hofe dieſes praͤchtigen und in der That ſchoͤ- nen Gebaͤudes angebracht ſind, einer beſondern Er- waͤhnung. Sie ſind alle nach Modelen des großen und doch wenig beruͤhmten Schluͤters (†) gearbeitet, und ſtellen in der Schlacht ſterbende Geſichter mit ſolchem Leben und ſolcher Mannigfaltigkeit des lei- denſchaftlichen Ausdruks vor, daß jeder Kenner in Bewundrung derſelben geſezt wird. Der ſehr ſchaͤz- bare Berliniſche Hiſtorienmahler Rohde hat ſie in Kupfer geaͤzt herausgegeben. (††) Maſſen. (Mahlerey.) Was man im Gemaͤhlde in Abſicht auf die Anord- nung der Figuren Gruppen nennt, (*) heißt in An- ſehung der Austheilung des Lichts und Schattens, des Hellen und Dunkeln, Maſſe. Wenig und große Maſſen im Gemaͤhlde, will ſagen, man muͤſſe das Helle und das Dunkele nicht in kleinen zerſtreueten Stellen anbringen, ſondern wenig und große Stel- len von Hellem und eben ſo von Dunkeln im Ge- maͤhlde ſehen laſſen. Jn Abſicht auf die Beleuch- tung ſcheinet das Gemaͤhld das Vollkommenſte zu ſeyn, das nur zwey Hauptmaſſen, eine helle und eine dunkele, zeiget. Dadurch wird es einfach und das Aug wird auf den erſten Anblik zurechte gewie- ſen. Die beſte Anordnung des Gemaͤhldes koͤnnte durch eine Zerſtreuung des hellen und dunkeln, ver- dorben werden. Das Gemaͤhld wuͤrde dadurch fle- kicht und das Aug bey der Beobachtung deſſelben ungewiß werden. Die Maſſen ſelbſt aber muͤſſen durch eine gute Harmonie mit einander verbunden werden. Dieſe Regel wird durch folgende Beobachtung, die Mengs uͤber Corregios Kunſt macht, erlaͤutert worden. „Er huͤtete ſich, (ſagt unſer heutige Raphael) gleich große Maſſen von Licht und von Dunkel zuſammen zu ſezen. Hatte er eine Stelle von ſtarkem Licht oder Schatten, ſo fuͤgte er ihr nicht gleich eine an- dere bey, ſondern machte einen großen Zwiſchenraum von Mittelteinten, wodurch er das Auge gleichſam als von einer Anſpannung wieder zur Ruhe fuͤhrte.“ Ueberhaupt erſcheinet dieſer Theil der Kunſt nur in den Werken des Corregio in ſeiner wahren Vollkom- menheit. Hier muͤſſen wir auch den Rath wieder- holen, den wir anderswo dem Mahler gegeben ha- ben, eine Landſchaft in der Natur den ganzen Tag uͤber in den verſchiedenen von dem Sonnenſchein bewuͤrkten Erleuchtungen mit Aufmerkſamkeit zu betrachten. Dann dabey wird er bald groͤſſere, bald kleinere Maſſen; bald zuſammen gehaltenes, bald zerſtreutes Licht beobachten, und die verſchiede- nen Wuͤrkungen dieſer zufaͤlligen Umſtaͤnde deutlich gewahr werden. Matt. (Schoͤne Kuͤnſte.) Bezeichnet uͤberhaupt einen Mangel der Lebhaftig- keit. An einem glaͤnzenden Koͤrper werden die Stellen, die keinen Glanz haben, matt genennet. Matte Far- ben ſind ohne Glanz und ohne Lebhaftigkeit. Auch in der Rede wird dasjenige matt genennet, dem es an der noͤthigen Lebhaftigkeit, und dem erforderli- chen Reiz fehlet. Jn (†) Dieſer fuͤrtrefliche Kuͤnſtler verdienet naͤher bekannt zu ſeyn. Er war ein eben ſo großer Baumeiſter, als Bild- hauer in Dienſten Koͤnig Friedrichs des erſten in Preußen. Jn Berlin ſind außer dem Koͤniglichen Schloße und eini- gen andern Gebaͤuden von ſeiner Erfindung, noch fuͤrtrefli- che Werke des Meiſſels vorhanden, davon ſchon viele vom Herren Rohde geaͤzt worden. Unter andern ſind die bey- den in der Berliniſchen Schloß- und Dohmkirche ſtehenden Saͤrge Friedrichs des Erſten und ſeiner zweyten Gemah- lin, Denkmale von großer Schoͤnheit, die kein Kenner ohne Bewundrung und kein Kuͤnſtler ohne Nuzen betrach- ten wird. (††) Sie ſind mit einem kurzen Vorbericht unter dem Titel: Larven, nach den Modelen des beruͤbmten Schluͤters von B. Rohde in klein Folio herausge- kommen. (*) S. Mengs Betrach- tungen. S. 54.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 746[728]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/163>, abgerufen am 29.04.2024.