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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Säu
der Hand faßten, sich haben trennen müssen, um
zwischen den Säulen durchzugehen.

Das Wichtigste worauf man bey Säulenstellun-
gen zu sehen hat, ist das Verhältnis der Säulen-
weite zu der Eintheilung der Tryglyphen der dorischen
Ordnung, (*) und der Sparrenköpfen oder Zahn-
schnitte in den Ordnungen, wo solche angebracht
werden. Denn es ist nothwendig, daß allemal die
Mitte eines solchen Gliedes auf die Mitte einer
Säule treffe. Um dieses zu erhalten, muß die Säu-
lenweite so beschaffen seyn, daß sie, wenn die Weite
zweyer Sparrenköpfe, oder Zahnschnitte für die
Einheit des Maaßes angenommen wird, eine gerade
Zahl solcher Einheiten enthalte. Das ist, daß die
Säulenweite 2, 4, 6, 8 etc. solcher Einheiten aus-
mache. Man hat demnach hiebey folgendermaaßen
zu verfahren.

Durch die festgesezte Höhe des Gebäudes, oder
eines Geschosses, wird die Höhe der Säule be-
stimmt, durch diese die Höhe des Gebälkes. (*) Von
der Höhe des Gebälkes aber hängt die Breite und
Weite der Dreyschlize, Sparrenköpfe und Zahn-
schnitte ab. Diese wird demnach durch die ange-
nommene Höhe des Gebäudes bestimmt. Man
nehme also die Weite aus der Mitte eines Dreyschli-
zes, Sparrenkopfs oder Zahnschnitts zum nächsten,
als die Unität an, und suche eine Säulenweite, die,
nach dieser Unität gemessen, sich durch eine gerade
Zahl theilen lasse.

Jn der jonischen, der römischen und der corinthi-
schen Ordnung ist die Weite aus der Mitte eines
Sparrenkopfs, zum andern 1 Model. Also paßt
sich jede Säulenweite, von einer geraden Anzahl
von Modeln dazu. Jn denselben Ordnungen ist die
Weite der Zahnschnitte 5 Minuten, oder 1/6 des Mo-
dels; folglich können alle obenerwähnte Säulenwei-
ten dazu gewählt werden, ausgenommen die, wel-
che Eustylon genennt wurd; weil sie von 61/2 Mo-
deln, folglich 39 Zahnschnitten ist. Die größte
Schwierigkeit in Festsezung der Säulenweite findet
sich in der dorischen Ordnung. Wir haben deswe-
gen besonders davon gehandelt. (*)

Es sind aber bey Anordnung der Säulenstellung
vier Hauptfälle zu betrachten.

1. Wo man freye Säulen ohne Postamente hat.
Für diesen Fall will Goldmann die Weite 1/4 der gan-
zen Höhe der Ordnung haben.
[Spaltenumbruch]
Säu
2. Wo freye Säulen, aber mit Postamenten sind.
3. An Pfeilern stehende Säulen ohne Postamente.
4. Dergleichen mit Postamenten. Wie diese
Fälle zu behandeln sind, kann aus dem besondern
Fall, den wir im Artikel Bogenstellung betrachtet
haben, abgenommen werden.

An den Hauptseiten, in deren Mitte ein Eingang
in das Gebäude ist, haben die Alten die mittlere
Säulenweite, in welche die Thür fällt, bisweilen
etwas größer genommen, als die übrigen. Allein
dieses ist verschiedenen verdrießlichen Berechnungen
unterworfen. Goldmann rathet deswegen ohne Aus-
nahm die mittlere Säulenweite doppelt so groß zu
nehmen, als die andern. Dadurch werden alle Rech-
nungen vermieden. Allein dieses unterbricht die edle
Einfalt der Gebäude. Rathsamer scheint es, alle
Säulenweiten gleich zu machen, ohne der in der
Mitte etwas besonders zu geben.

Säulenstuhl.
(Baukunst)

Ein kurzer vierekigter Pfeiler, auf welchen die
Säule gestellt wird, um die ganze Ordnung ohne
Verdikung der Säule höher zu machen. Die Alten
sezten in den guten Zeiten der Baukunst, die Säu-
len schlechthin auf den Grund, und wußten nichts
von Säulenstühlen, doch war der Grund schon et-
was über den Erdboden erhöhet. Es scheinet also,
daß der gute Geschmak sie verwerfe. Jn der That
geben sie einer Säulenreyhe ein etwas verworrenes
Ansehen, und mit der edlen Einfalt der bloßen Säu-
len vergliechen etwas gothisches. Doch giebt es
vielleicht Fälle, wo eine wichtigere Betrachtung,
als die Einfalt des Gebäudes, sie nothwendig macht.
Ein solcher Fall wäre dieser, da die Dike der Säu-
len, welche die Höhe der Ordnung nothwendig
macht, nach den übrigen Umständen zu stark wäre.
Jn diesem Fall erlangt man durch die Postamente
eine geringere Höhe der Säule, und folglich, eine
geringere Dike derselben.

Jn Gebäuden, wo mehrere Ordnungen über
einander stehen, kann man in den obern Ordnun-
gen einen guten Vortheil von den Säulenstühlen
ziehen. Denn durch die Erhöhung, die sie den
Säulen geben, fallen diese besser in die Augen,
da sonst ihr Fuß von dem darunter weit her-
vorstehenden Kranz der untern Ordnung bedekt
würde. Jn diesem Fall aber thut man sehr wol,

wenn
(*) S.
Dreyschliz.
(*) S.
Model.
(*) S.
Dreyschliz.

[Spaltenumbruch]

Saͤu
der Hand faßten, ſich haben trennen muͤſſen, um
zwiſchen den Saͤulen durchzugehen.

Das Wichtigſte worauf man bey Saͤulenſtellun-
gen zu ſehen hat, iſt das Verhaͤltnis der Saͤulen-
weite zu der Eintheilung der Tryglyphen der doriſchen
Ordnung, (*) und der Sparrenkoͤpfen oder Zahn-
ſchnitte in den Ordnungen, wo ſolche angebracht
werden. Denn es iſt nothwendig, daß allemal die
Mitte eines ſolchen Gliedes auf die Mitte einer
Saͤule treffe. Um dieſes zu erhalten, muß die Saͤu-
lenweite ſo beſchaffen ſeyn, daß ſie, wenn die Weite
zweyer Sparrenkoͤpfe, oder Zahnſchnitte fuͤr die
Einheit des Maaßes angenommen wird, eine gerade
Zahl ſolcher Einheiten enthalte. Das iſt, daß die
Saͤulenweite 2, 4, 6, 8 ꝛc. ſolcher Einheiten aus-
mache. Man hat demnach hiebey folgendermaaßen
zu verfahren.

Durch die feſtgeſezte Hoͤhe des Gebaͤudes, oder
eines Geſchoſſes, wird die Hoͤhe der Saͤule be-
ſtimmt, durch dieſe die Hoͤhe des Gebaͤlkes. (*) Von
der Hoͤhe des Gebaͤlkes aber haͤngt die Breite und
Weite der Dreyſchlize, Sparrenkoͤpfe und Zahn-
ſchnitte ab. Dieſe wird demnach durch die ange-
nommene Hoͤhe des Gebaͤudes beſtimmt. Man
nehme alſo die Weite aus der Mitte eines Dreyſchli-
zes, Sparrenkopfs oder Zahnſchnitts zum naͤchſten,
als die Unitaͤt an, und ſuche eine Saͤulenweite, die,
nach dieſer Unitaͤt gemeſſen, ſich durch eine gerade
Zahl theilen laſſe.

Jn der joniſchen, der roͤmiſchen und der corinthi-
ſchen Ordnung iſt die Weite aus der Mitte eines
Sparrenkopfs, zum andern 1 Model. Alſo paßt
ſich jede Saͤulenweite, von einer geraden Anzahl
von Modeln dazu. Jn denſelben Ordnungen iſt die
Weite der Zahnſchnitte 5 Minuten, oder ⅙ des Mo-
dels; folglich koͤnnen alle obenerwaͤhnte Saͤulenwei-
ten dazu gewaͤhlt werden, ausgenommen die, wel-
che Euſtylon genennt wurd; weil ſie von 6½ Mo-
deln, folglich 39 Zahnſchnitten iſt. Die groͤßte
Schwierigkeit in Feſtſezung der Saͤulenweite findet
ſich in der doriſchen Ordnung. Wir haben deswe-
gen beſonders davon gehandelt. (*)

Es ſind aber bey Anordnung der Saͤulenſtellung
vier Hauptfaͤlle zu betrachten.

1. Wo man freye Saͤulen ohne Poſtamente hat.
Fuͤr dieſen Fall will Goldmann die Weite ¼ der gan-
zen Hoͤhe der Ordnung haben.
[Spaltenumbruch]
Saͤu
2. Wo freye Saͤulen, aber mit Poſtamenten ſind.
3. An Pfeilern ſtehende Saͤulen ohne Poſtamente.
4. Dergleichen mit Poſtamenten. Wie dieſe
Faͤlle zu behandeln ſind, kann aus dem beſondern
Fall, den wir im Artikel Bogenſtellung betrachtet
haben, abgenommen werden.

An den Hauptſeiten, in deren Mitte ein Eingang
in das Gebaͤude iſt, haben die Alten die mittlere
Saͤulenweite, in welche die Thuͤr faͤllt, bisweilen
etwas groͤßer genommen, als die uͤbrigen. Allein
dieſes iſt verſchiedenen verdrießlichen Berechnungen
unterworfen. Goldmann rathet deswegen ohne Aus-
nahm die mittlere Saͤulenweite doppelt ſo groß zu
nehmen, als die andern. Dadurch werden alle Rech-
nungen vermieden. Allein dieſes unterbricht die edle
Einfalt der Gebaͤude. Rathſamer ſcheint es, alle
Saͤulenweiten gleich zu machen, ohne der in der
Mitte etwas beſonders zu geben.

Saͤulenſtuhl.
(Baukunſt)

Ein kurzer vierekigter Pfeiler, auf welchen die
Saͤule geſtellt wird, um die ganze Ordnung ohne
Verdikung der Saͤule hoͤher zu machen. Die Alten
ſezten in den guten Zeiten der Baukunſt, die Saͤu-
len ſchlechthin auf den Grund, und wußten nichts
von Saͤulenſtuͤhlen, doch war der Grund ſchon et-
was uͤber den Erdboden erhoͤhet. Es ſcheinet alſo,
daß der gute Geſchmak ſie verwerfe. Jn der That
geben ſie einer Saͤulenreyhe ein etwas verworrenes
Anſehen, und mit der edlen Einfalt der bloßen Saͤu-
len vergliechen etwas gothiſches. Doch giebt es
vielleicht Faͤlle, wo eine wichtigere Betrachtung,
als die Einfalt des Gebaͤudes, ſie nothwendig macht.
Ein ſolcher Fall waͤre dieſer, da die Dike der Saͤu-
len, welche die Hoͤhe der Ordnung nothwendig
macht, nach den uͤbrigen Umſtaͤnden zu ſtark waͤre.
Jn dieſem Fall erlangt man durch die Poſtamente
eine geringere Hoͤhe der Saͤule, und folglich, eine
geringere Dike derſelben.

Jn Gebaͤuden, wo mehrere Ordnungen uͤber
einander ſtehen, kann man in den obern Ordnun-
gen einen guten Vortheil von den Saͤulenſtuͤhlen
ziehen. Denn durch die Erhoͤhung, die ſie den
Saͤulen geben, fallen dieſe beſſer in die Augen,
da ſonſt ihr Fuß von dem darunter weit her-
vorſtehenden Kranz der untern Ordnung bedekt
wuͤrde. Jn dieſem Fall aber thut man ſehr wol,

wenn
(*) S.
Dreyſchliz.
(*) S.
Model.
(*) S.
Dreyſchliz.
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[1006[988]/0435] Saͤu Saͤu der Hand faßten, ſich haben trennen muͤſſen, um zwiſchen den Saͤulen durchzugehen. Das Wichtigſte worauf man bey Saͤulenſtellun- gen zu ſehen hat, iſt das Verhaͤltnis der Saͤulen- weite zu der Eintheilung der Tryglyphen der doriſchen Ordnung, (*) und der Sparrenkoͤpfen oder Zahn- ſchnitte in den Ordnungen, wo ſolche angebracht werden. Denn es iſt nothwendig, daß allemal die Mitte eines ſolchen Gliedes auf die Mitte einer Saͤule treffe. Um dieſes zu erhalten, muß die Saͤu- lenweite ſo beſchaffen ſeyn, daß ſie, wenn die Weite zweyer Sparrenkoͤpfe, oder Zahnſchnitte fuͤr die Einheit des Maaßes angenommen wird, eine gerade Zahl ſolcher Einheiten enthalte. Das iſt, daß die Saͤulenweite 2, 4, 6, 8 ꝛc. ſolcher Einheiten aus- mache. Man hat demnach hiebey folgendermaaßen zu verfahren. Durch die feſtgeſezte Hoͤhe des Gebaͤudes, oder eines Geſchoſſes, wird die Hoͤhe der Saͤule be- ſtimmt, durch dieſe die Hoͤhe des Gebaͤlkes. (*) Von der Hoͤhe des Gebaͤlkes aber haͤngt die Breite und Weite der Dreyſchlize, Sparrenkoͤpfe und Zahn- ſchnitte ab. Dieſe wird demnach durch die ange- nommene Hoͤhe des Gebaͤudes beſtimmt. Man nehme alſo die Weite aus der Mitte eines Dreyſchli- zes, Sparrenkopfs oder Zahnſchnitts zum naͤchſten, als die Unitaͤt an, und ſuche eine Saͤulenweite, die, nach dieſer Unitaͤt gemeſſen, ſich durch eine gerade Zahl theilen laſſe. Jn der joniſchen, der roͤmiſchen und der corinthi- ſchen Ordnung iſt die Weite aus der Mitte eines Sparrenkopfs, zum andern 1 Model. Alſo paßt ſich jede Saͤulenweite, von einer geraden Anzahl von Modeln dazu. Jn denſelben Ordnungen iſt die Weite der Zahnſchnitte 5 Minuten, oder ⅙ des Mo- dels; folglich koͤnnen alle obenerwaͤhnte Saͤulenwei- ten dazu gewaͤhlt werden, ausgenommen die, wel- che Euſtylon genennt wurd; weil ſie von 6½ Mo- deln, folglich 39 Zahnſchnitten iſt. Die groͤßte Schwierigkeit in Feſtſezung der Saͤulenweite findet ſich in der doriſchen Ordnung. Wir haben deswe- gen beſonders davon gehandelt. (*) Es ſind aber bey Anordnung der Saͤulenſtellung vier Hauptfaͤlle zu betrachten. 1. Wo man freye Saͤulen ohne Poſtamente hat. Fuͤr dieſen Fall will Goldmann die Weite ¼ der gan- zen Hoͤhe der Ordnung haben. 2. Wo freye Saͤulen, aber mit Poſtamenten ſind. 3. An Pfeilern ſtehende Saͤulen ohne Poſtamente. 4. Dergleichen mit Poſtamenten. Wie dieſe Faͤlle zu behandeln ſind, kann aus dem beſondern Fall, den wir im Artikel Bogenſtellung betrachtet haben, abgenommen werden. An den Hauptſeiten, in deren Mitte ein Eingang in das Gebaͤude iſt, haben die Alten die mittlere Saͤulenweite, in welche die Thuͤr faͤllt, bisweilen etwas groͤßer genommen, als die uͤbrigen. Allein dieſes iſt verſchiedenen verdrießlichen Berechnungen unterworfen. Goldmann rathet deswegen ohne Aus- nahm die mittlere Saͤulenweite doppelt ſo groß zu nehmen, als die andern. Dadurch werden alle Rech- nungen vermieden. Allein dieſes unterbricht die edle Einfalt der Gebaͤude. Rathſamer ſcheint es, alle Saͤulenweiten gleich zu machen, ohne der in der Mitte etwas beſonders zu geben. Saͤulenſtuhl. (Baukunſt) Ein kurzer vierekigter Pfeiler, auf welchen die Saͤule geſtellt wird, um die ganze Ordnung ohne Verdikung der Saͤule hoͤher zu machen. Die Alten ſezten in den guten Zeiten der Baukunſt, die Saͤu- len ſchlechthin auf den Grund, und wußten nichts von Saͤulenſtuͤhlen, doch war der Grund ſchon et- was uͤber den Erdboden erhoͤhet. Es ſcheinet alſo, daß der gute Geſchmak ſie verwerfe. Jn der That geben ſie einer Saͤulenreyhe ein etwas verworrenes Anſehen, und mit der edlen Einfalt der bloßen Saͤu- len vergliechen etwas gothiſches. Doch giebt es vielleicht Faͤlle, wo eine wichtigere Betrachtung, als die Einfalt des Gebaͤudes, ſie nothwendig macht. Ein ſolcher Fall waͤre dieſer, da die Dike der Saͤu- len, welche die Hoͤhe der Ordnung nothwendig macht, nach den uͤbrigen Umſtaͤnden zu ſtark waͤre. Jn dieſem Fall erlangt man durch die Poſtamente eine geringere Hoͤhe der Saͤule, und folglich, eine geringere Dike derſelben. Jn Gebaͤuden, wo mehrere Ordnungen uͤber einander ſtehen, kann man in den obern Ordnun- gen einen guten Vortheil von den Saͤulenſtuͤhlen ziehen. Denn durch die Erhoͤhung, die ſie den Saͤulen geben, fallen dieſe beſſer in die Augen, da ſonſt ihr Fuß von dem darunter weit her- vorſtehenden Kranz der untern Ordnung bedekt wuͤrde. Jn dieſem Fall aber thut man ſehr wol, wenn (*) S. Dreyſchliz. (*) S. Model. (*) S. Dreyſchliz.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 1006[988]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/435>, abgerufen am 29.04.2024.