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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Scha
bequämlichkeit hiebey wäre, daß dergleichen kleine
Zimmer etwas tief in die Bühne hereinkämen und
die Schauspiehler etwas lauter sprechen müßten, um
verstanden zu werden.

Unter der Menge der dramatischen Stüke der
Alten, sind wenige, die sich auf unsern gar zu
schmalen Bühnen auf eine schikliche Weise vorstellen
ließen, und auch von viel guten neuern Stüken
wird die Vorstellung dadurch, daß die spiehlenden
Personen ofte zu nahe aufeinander stehen müssen, sehr
unschiklich. Solche doppelte Auftritte, dergleichen
Plautus und Terenz bisweilen haben, und die sehr
lustig sind, können auf unsern engen Bühnen gar
nicht angebracht werden.

Es ist schade, daß der Herr von Riedesel, dessen
ich vorher gedacht habe, da er in den Ruinen eines
alten Theaters in Sicilien gewesen ist, nicht eine
genaue Beschreibung von allem gegeben hat, aus
welcher vielleicht einiges Licht über die wahren Ursa-
chen des sich von der Scene so sehr leicht bis auf die
entlegensten Stellen des Schauplazes verbreitenden
Tones, hätte gezogen werden können. Denn die-
ses scheinet noch ein ziemlich allgemeiner Mangel
unsrer Bühnen, daß sie den Ton der spielenden Per-
sonen eher schwächen, als verstärken.

Schaumünz.

Wir begreifen unter diesem Namen nicht nur die,
nach Art der gangbaren Geldforten, zum Andenken
besonderer Personen, oder Begebenheiten geprägten
Schaustüke, sondern auch die gangbaren Geldsorten
alter und neuer Zeit selbst, in so fern ihr Gepräge
die Aufmerksamkeit der Künstler verdienet. Sie
sind, wie mehrere Gattungen, nur zufälliger Weise
Gegenstände des Geschmaks und der schönen Kunst
worden.

Man kann gar leicht begreifen, wie die Noth-
durft die Gewohnheit eingeführt habe, kleinen Stü-
ken Metall Zeichen einzuprägen, wodurch sie ein
authentisches Zeugnis ihres Werths, oder der Lau-
terkeit des unverfälschten Metalles, bekommen. Und
es gereicht dem menschlichen Verstand zur Ehre, daß
er so vielfältige Mittel ausgedacht hat, Sachen, die
bloße Nothdurft erzeuget hat, auch noch in höhern
Absichten nüzlich zu machen. Dieses ist auch dem
Genie der Natur gemäß, die sich nirgend begnüget
das blos nothwendige in ihren Werken anzubringen,
sondern sie zugleich auch schön und zu Nebenabsich-
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Scha
ten brauchbar macht, ob sie gleich dabey die Regeln
einer klugen Wirthschaftlichkeit nicht aus den Augen
sezt. Da man also geprägte Metalle brauchte, war
es ein verständiger und glüklicher Einfall, sie zugleich
zu Gegenständen des Geschmaks zu machen, so wie
man es mit den Gebäuden gemacht hat. Vielleicht
hat man diesen guten Einfall den Griechen zuzu-
schreiben; wenigstens wüßte ich nicht, daß man vor
ihnen Münzen geprägt hätte, an denen man eine
unzweifelhafte Absicht entdeken könnte, daß sie auch
Gegenstände des Geschmaks hätten seyn sollen.

Die Schaumünzen haben in mehrern Absichten
einen Vorzug über alle andere Gattungen der Kunst-
werke. Jhre allgemeine, schnelle und leichte Aus-
breitung; ihre Dauer, die der sonst alles zerstöhren-
den Zeit troz zu biethen scheinet; die leichte Art sie
in sehr großer Zahl zu vermehren, sind Vortheile, die
ihnen eigen sind. Zwar sind sie in Ansehung der
Bearbeitung und Ausführung des Stoffes, den
die zeichnenden Künste wählen, enger eingeschränkt,
als die Mahlerey, die Kupferstecherkunst, die Bild-
hauerey und die Baukunst. Aber jene Vorzüge er-
sezen das, was ihnen von dieser Seite abgeht.
Doch ist auch ihr Stoff nicht unbeträchtlich.

Die Griechen kannten keine kräftigere Aufmun-
terung zu öffentlicher Tugend und keine größere Be-
lohnung des Verdienstes, als die Statüen. Jch
getraue mir zu sagen, daß die Schaumünzen hiezu
noch weit schiklicher wären. Man stelle sich vor,
was für eine Ehre es wäre, wenn das Bildniß ei-
ner Privatperson, sehr seltener und wichtiger Ver-
dienste halber, auf gangbaren und von dem Landes-
herren geprägten Münzen erschiene? Jch glaube
nicht, daß der ruhmgierigste Mensch eine größere Ehre
sich wünschen könnte.

Außer dem Vortheil die Tugend zu belohnen, ha-
ben die Schaumünzen noch vielerley Nuzen. Sie
sind die sichersten Mittel die merkwürdigsten Bege-
benheiten, die in der Geschicht eines Volkes Epo-
chen ausmachen, auf die spätheste Nachwelt zu brin-
gen. Zwar nicht mit allen Umständen, wie die Be-
redsamkeit es thun könnte, aber doch mit dem We-
sentlichsten, dadurch sie sich auszeichnen. Sie kön-
nen auch, ohne Rüksicht auf die Nachwelt, nüzlich
gebraucht werden, die Einwohner eines Landes auf
gewisse Erfindungen, Stiftungen und neue Anord-
nungen aufmerksam zu machen, und für dieselben
einzunehmen. Endlich dienen sie auch die Nachwelt

von

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Scha
bequaͤmlichkeit hiebey waͤre, daß dergleichen kleine
Zimmer etwas tief in die Buͤhne hereinkaͤmen und
die Schauſpiehler etwas lauter ſprechen muͤßten, um
verſtanden zu werden.

Unter der Menge der dramatiſchen Stuͤke der
Alten, ſind wenige, die ſich auf unſern gar zu
ſchmalen Buͤhnen auf eine ſchikliche Weiſe vorſtellen
ließen, und auch von viel guten neuern Stuͤken
wird die Vorſtellung dadurch, daß die ſpiehlenden
Perſonen ofte zu nahe aufeinander ſtehen muͤſſen, ſehr
unſchiklich. Solche doppelte Auftritte, dergleichen
Plautus und Terenz bisweilen haben, und die ſehr
luſtig ſind, koͤnnen auf unſern engen Buͤhnen gar
nicht angebracht werden.

Es iſt ſchade, daß der Herr von Riedeſel, deſſen
ich vorher gedacht habe, da er in den Ruinen eines
alten Theaters in Sicilien geweſen iſt, nicht eine
genaue Beſchreibung von allem gegeben hat, aus
welcher vielleicht einiges Licht uͤber die wahren Urſa-
chen des ſich von der Scene ſo ſehr leicht bis auf die
entlegenſten Stellen des Schauplazes verbreitenden
Tones, haͤtte gezogen werden koͤnnen. Denn die-
ſes ſcheinet noch ein ziemlich allgemeiner Mangel
unſrer Buͤhnen, daß ſie den Ton der ſpielenden Per-
ſonen eher ſchwaͤchen, als verſtaͤrken.

Schaumuͤnz.

Wir begreifen unter dieſem Namen nicht nur die,
nach Art der gangbaren Geldforten, zum Andenken
beſonderer Perſonen, oder Begebenheiten gepraͤgten
Schauſtuͤke, ſondern auch die gangbaren Geldſorten
alter und neuer Zeit ſelbſt, in ſo fern ihr Gepraͤge
die Aufmerkſamkeit der Kuͤnſtler verdienet. Sie
ſind, wie mehrere Gattungen, nur zufaͤlliger Weiſe
Gegenſtaͤnde des Geſchmaks und der ſchoͤnen Kunſt
worden.

Man kann gar leicht begreifen, wie die Noth-
durft die Gewohnheit eingefuͤhrt habe, kleinen Stuͤ-
ken Metall Zeichen einzupraͤgen, wodurch ſie ein
authentiſches Zeugnis ihres Werths, oder der Lau-
terkeit des unverfaͤlſchten Metalles, bekommen. Und
es gereicht dem menſchlichen Verſtand zur Ehre, daß
er ſo vielfaͤltige Mittel ausgedacht hat, Sachen, die
bloße Nothdurft erzeuget hat, auch noch in hoͤhern
Abſichten nuͤzlich zu machen. Dieſes iſt auch dem
Genie der Natur gemaͤß, die ſich nirgend begnuͤget
das blos nothwendige in ihren Werken anzubringen,
ſondern ſie zugleich auch ſchoͤn und zu Nebenabſich-
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Scha
ten brauchbar macht, ob ſie gleich dabey die Regeln
einer klugen Wirthſchaftlichkeit nicht aus den Augen
ſezt. Da man alſo gepraͤgte Metalle brauchte, war
es ein verſtaͤndiger und gluͤklicher Einfall, ſie zugleich
zu Gegenſtaͤnden des Geſchmaks zu machen, ſo wie
man es mit den Gebaͤuden gemacht hat. Vielleicht
hat man dieſen guten Einfall den Griechen zuzu-
ſchreiben; wenigſtens wuͤßte ich nicht, daß man vor
ihnen Muͤnzen gepraͤgt haͤtte, an denen man eine
unzweifelhafte Abſicht entdeken koͤnnte, daß ſie auch
Gegenſtaͤnde des Geſchmaks haͤtten ſeyn ſollen.

Die Schaumuͤnzen haben in mehrern Abſichten
einen Vorzug uͤber alle andere Gattungen der Kunſt-
werke. Jhre allgemeine, ſchnelle und leichte Aus-
breitung; ihre Dauer, die der ſonſt alles zerſtoͤhren-
den Zeit troz zu biethen ſcheinet; die leichte Art ſie
in ſehr großer Zahl zu vermehren, ſind Vortheile, die
ihnen eigen ſind. Zwar ſind ſie in Anſehung der
Bearbeitung und Ausfuͤhrung des Stoffes, den
die zeichnenden Kuͤnſte waͤhlen, enger eingeſchraͤnkt,
als die Mahlerey, die Kupferſtecherkunſt, die Bild-
hauerey und die Baukunſt. Aber jene Vorzuͤge er-
ſezen das, was ihnen von dieſer Seite abgeht.
Doch iſt auch ihr Stoff nicht unbetraͤchtlich.

Die Griechen kannten keine kraͤftigere Aufmun-
terung zu oͤffentlicher Tugend und keine groͤßere Be-
lohnung des Verdienſtes, als die Statuͤen. Jch
getraue mir zu ſagen, daß die Schaumuͤnzen hiezu
noch weit ſchiklicher waͤren. Man ſtelle ſich vor,
was fuͤr eine Ehre es waͤre, wenn das Bildniß ei-
ner Privatperſon, ſehr ſeltener und wichtiger Ver-
dienſte halber, auf gangbaren und von dem Landes-
herren gepraͤgten Muͤnzen erſchiene? Jch glaube
nicht, daß der ruhmgierigſte Menſch eine groͤßere Ehre
ſich wuͤnſchen koͤnnte.

Außer dem Vortheil die Tugend zu belohnen, ha-
ben die Schaumuͤnzen noch vielerley Nuzen. Sie
ſind die ſicherſten Mittel die merkwuͤrdigſten Bege-
benheiten, die in der Geſchicht eines Volkes Epo-
chen ausmachen, auf die ſpaͤtheſte Nachwelt zu brin-
gen. Zwar nicht mit allen Umſtaͤnden, wie die Be-
redſamkeit es thun koͤnnte, aber doch mit dem We-
ſentlichſten, dadurch ſie ſich auszeichnen. Sie koͤn-
nen auch, ohne Ruͤkſicht auf die Nachwelt, nuͤzlich
gebraucht werden, die Einwohner eines Landes auf
gewiſſe Erfindungen, Stiftungen und neue Anord-
nungen aufmerkſam zu machen, und fuͤr dieſelben
einzunehmen. Endlich dienen ſie auch die Nachwelt

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[1017[999]/0446] Scha Scha bequaͤmlichkeit hiebey waͤre, daß dergleichen kleine Zimmer etwas tief in die Buͤhne hereinkaͤmen und die Schauſpiehler etwas lauter ſprechen muͤßten, um verſtanden zu werden. Unter der Menge der dramatiſchen Stuͤke der Alten, ſind wenige, die ſich auf unſern gar zu ſchmalen Buͤhnen auf eine ſchikliche Weiſe vorſtellen ließen, und auch von viel guten neuern Stuͤken wird die Vorſtellung dadurch, daß die ſpiehlenden Perſonen ofte zu nahe aufeinander ſtehen muͤſſen, ſehr unſchiklich. Solche doppelte Auftritte, dergleichen Plautus und Terenz bisweilen haben, und die ſehr luſtig ſind, koͤnnen auf unſern engen Buͤhnen gar nicht angebracht werden. Es iſt ſchade, daß der Herr von Riedeſel, deſſen ich vorher gedacht habe, da er in den Ruinen eines alten Theaters in Sicilien geweſen iſt, nicht eine genaue Beſchreibung von allem gegeben hat, aus welcher vielleicht einiges Licht uͤber die wahren Urſa- chen des ſich von der Scene ſo ſehr leicht bis auf die entlegenſten Stellen des Schauplazes verbreitenden Tones, haͤtte gezogen werden koͤnnen. Denn die- ſes ſcheinet noch ein ziemlich allgemeiner Mangel unſrer Buͤhnen, daß ſie den Ton der ſpielenden Per- ſonen eher ſchwaͤchen, als verſtaͤrken. Schaumuͤnz. Wir begreifen unter dieſem Namen nicht nur die, nach Art der gangbaren Geldforten, zum Andenken beſonderer Perſonen, oder Begebenheiten gepraͤgten Schauſtuͤke, ſondern auch die gangbaren Geldſorten alter und neuer Zeit ſelbſt, in ſo fern ihr Gepraͤge die Aufmerkſamkeit der Kuͤnſtler verdienet. Sie ſind, wie mehrere Gattungen, nur zufaͤlliger Weiſe Gegenſtaͤnde des Geſchmaks und der ſchoͤnen Kunſt worden. Man kann gar leicht begreifen, wie die Noth- durft die Gewohnheit eingefuͤhrt habe, kleinen Stuͤ- ken Metall Zeichen einzupraͤgen, wodurch ſie ein authentiſches Zeugnis ihres Werths, oder der Lau- terkeit des unverfaͤlſchten Metalles, bekommen. Und es gereicht dem menſchlichen Verſtand zur Ehre, daß er ſo vielfaͤltige Mittel ausgedacht hat, Sachen, die bloße Nothdurft erzeuget hat, auch noch in hoͤhern Abſichten nuͤzlich zu machen. Dieſes iſt auch dem Genie der Natur gemaͤß, die ſich nirgend begnuͤget das blos nothwendige in ihren Werken anzubringen, ſondern ſie zugleich auch ſchoͤn und zu Nebenabſich- ten brauchbar macht, ob ſie gleich dabey die Regeln einer klugen Wirthſchaftlichkeit nicht aus den Augen ſezt. Da man alſo gepraͤgte Metalle brauchte, war es ein verſtaͤndiger und gluͤklicher Einfall, ſie zugleich zu Gegenſtaͤnden des Geſchmaks zu machen, ſo wie man es mit den Gebaͤuden gemacht hat. Vielleicht hat man dieſen guten Einfall den Griechen zuzu- ſchreiben; wenigſtens wuͤßte ich nicht, daß man vor ihnen Muͤnzen gepraͤgt haͤtte, an denen man eine unzweifelhafte Abſicht entdeken koͤnnte, daß ſie auch Gegenſtaͤnde des Geſchmaks haͤtten ſeyn ſollen. Die Schaumuͤnzen haben in mehrern Abſichten einen Vorzug uͤber alle andere Gattungen der Kunſt- werke. Jhre allgemeine, ſchnelle und leichte Aus- breitung; ihre Dauer, die der ſonſt alles zerſtoͤhren- den Zeit troz zu biethen ſcheinet; die leichte Art ſie in ſehr großer Zahl zu vermehren, ſind Vortheile, die ihnen eigen ſind. Zwar ſind ſie in Anſehung der Bearbeitung und Ausfuͤhrung des Stoffes, den die zeichnenden Kuͤnſte waͤhlen, enger eingeſchraͤnkt, als die Mahlerey, die Kupferſtecherkunſt, die Bild- hauerey und die Baukunſt. Aber jene Vorzuͤge er- ſezen das, was ihnen von dieſer Seite abgeht. Doch iſt auch ihr Stoff nicht unbetraͤchtlich. Die Griechen kannten keine kraͤftigere Aufmun- terung zu oͤffentlicher Tugend und keine groͤßere Be- lohnung des Verdienſtes, als die Statuͤen. Jch getraue mir zu ſagen, daß die Schaumuͤnzen hiezu noch weit ſchiklicher waͤren. Man ſtelle ſich vor, was fuͤr eine Ehre es waͤre, wenn das Bildniß ei- ner Privatperſon, ſehr ſeltener und wichtiger Ver- dienſte halber, auf gangbaren und von dem Landes- herren gepraͤgten Muͤnzen erſchiene? Jch glaube nicht, daß der ruhmgierigſte Menſch eine groͤßere Ehre ſich wuͤnſchen koͤnnte. Außer dem Vortheil die Tugend zu belohnen, ha- ben die Schaumuͤnzen noch vielerley Nuzen. Sie ſind die ſicherſten Mittel die merkwuͤrdigſten Bege- benheiten, die in der Geſchicht eines Volkes Epo- chen ausmachen, auf die ſpaͤtheſte Nachwelt zu brin- gen. Zwar nicht mit allen Umſtaͤnden, wie die Be- redſamkeit es thun koͤnnte, aber doch mit dem We- ſentlichſten, dadurch ſie ſich auszeichnen. Sie koͤn- nen auch, ohne Ruͤkſicht auf die Nachwelt, nuͤzlich gebraucht werden, die Einwohner eines Landes auf gewiſſe Erfindungen, Stiftungen und neue Anord- nungen aufmerkſam zu machen, und fuͤr dieſelben einzunehmen. Endlich dienen ſie auch die Nachwelt von

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 1017[999]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/446>, abgerufen am 29.04.2024.